Die gestrige Bürgerschaftssitzung war wieder eine dieser berühmten Sternstunden Greifswalder Demokratie. In der Debatte um die Gentechnik warteten der Schwarze Block und die Verwaltung mit einem wahren Schwergewicht in Sachen Gentechnik als Gegenredner zum Antrag für eine Gentechnikfreie Region auf. Heinrich Cuypers vom Biocon Valley Verbund und Mitglied im Verein zur Förderung Innovativer und Nachhaltiger AgroBiotechnologie e.V., den man getrost als Lobbyisten der
Gentechnikindustrie bezeichnen kann, griff tief in die Klamottenkiste der Verschleierung und Propaganda. Zum Beweis der Ungefährlichkeit der grünen Gentechnik reichte der gebürtige Rheinländer ein Päckchen Waschmittel und einer Schachtel Insulin durch die Reihen der Abgeordneten. Äpfel sind eben keine Birnen.
Einzig die CDU-Abgeordneten griffen die unlautere Argumentation von Cuypers auf. Wie er, outeten sie sich einmal mehr als reine Marktfetischisten und zeigten eine beinahe schon naive Behördengläubigkeit.
Als sich Vertreter von SPD, Die.Linke und FDP ebenfalls für eine Gentechnikfreie Region aussprachen, hielt es den Baudezernenten nicht mehr auf seinem Stuhl und er eilte ans Rednerpult. Völlig vergessend, dass dieser Antrag schon vor einem Jahr einmal gestellt wurde, wies Arenskrieger ihn als reine Wahlkampfrethorik zurück. Dabei fiel dann auch noch der Satz des Tages. Jetzt mit der Demokratie anzufangen, sei falsch, so der leitende städtische Angestellte.
Von Jost Aè, SPD, auf dieses merkwürdige Demokratieverständnis angesprochen, errötete Arenskrieger wie ein ertappter Sünder und rutschte tief hinab in seinen Dezernentensessel.
Gegen die Stimmen des diesmal nicht vollzählig angetretenen Schwarzen Blocks, votierte eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten dann für eine Gentechnikfreie Region.
[…] hier […]
die demokraten sollte man lieber aus der stadt jagen…
Spätestens dieser Artikel voller Wahlkampfrhetorik zeigt, dass dieser Herr Arenskrieger wohl nicht so falsch gelegen haben dürfte. Zumal sich eine Gentechnikfreiheit bei Landwirten nicht durchsetzen lässt (auch nicht auf irgendeinem rechtlichen Weg), da ein Landwirt, der gentechnisch veränderte Produkte anbaut, nichts Verbotenes tut. Die Durchsetzung eines solches Verbotes wäre ein Eingriff in seine Gewerbefreiheit, die unwirksam ist. Reines Schattenboxen also.
Der Antrag sieht vor, dass die Stadt auf ihrem Stadtgebiet und mit den Landwirten auf stadteigenen Flächen eine Selbstverpflichtung anstrebt, die eine gentechnikfreie Landwirtschaft zum Ziel hat. Es ging also nie um Zwang (bei keiner der inzwischen vielen gentechnikfreien Regionen), keine ‚Gewerbefreiheit‘ ist bedroht. Eines muss aber ganz klar betont werden: in Deutschland möchten über 80% der VerbraucherInnen keine Gentechnik im Essen und auch in Greifswald haben innerhalb sehr kurzer Zeit über 440 Menschen einen Unterstützungsbrief zur gentechnikfreien Region unterschrieben. Eine solche politische Willenserklärung der Bürgerschaft ist also klar mehr als nur ‚Schattenboxen‘. Außerdem geht es im Beschluss auch um die Vermeidung von Gentechnik im Essen von Cateringunternehmen der Stadt. Hier haben dann auch Ablehner der gentechnikfreien Region zugestimmt. Wie es gehen soll, Agrogentechnik zuzulassen (bei all den Auskreuzungen und Pollen im Honig) und sie nicht im Essen haben zu wollen, soll mir mal jemand erklären.
Wenn dem so wäre, wie von Ralf und Luc dargestellt, hätte die rot-grüne Bundesregierung dieses „Teufelszeug“ der grünen Gentechnik in sieben langen Jahren Regierungstätigkeit verbieten müssen, denn nur damit wäre eine rechtlich sichere Handhabe gegen den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen gegeben. Hat sie aber nicht. Das lässt zwei Schlussfolgerungen zu:
1. Die grünen Bundespolitiker hatten zwischen 1998 und 2005 keine Ahnung oder waren zu faul, gegen Gentechnik in der Landwirtschaft vorzugehen.
2. Die oben gemachten Darstellungen sind nur der „grüne Teil“ der insgesamt größeren Wahrheit und der initiierte Beschluss ist das Papier nicht wert, auf dem er eingebracht wurde.
Noch ein paar abschließende Worte:
Sämtliche Diversifikation in der Natur geht entweder auf den lieben Gott (wer daran glaubt, bitte jetzt melden) oder samt und sonders auf Veränderungen im natürliche Erbgut – Gene (!) – zurück. Komisch, dass die Welt das bisher überlebt hat.
BRIEF DES BUNDESUMWELTMINISTERIUMS AN DIE UNTERZEICHNERINNEN UND UNTERZEICHNER
DES APPELLS ZUM ANBAU VON GENTECHNIK IN EUROPA (STOP THE CROP) VOM 2.3.2009
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter
für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Gentechnik!
Erlauben Sie mir, noch einmal auf Ihre Nachricht zum Thema Gentechnik zurückzukommen, um Ihnen vom Ausgang des
Umweltministerrates am 2. März 2009 in dieser Angelegenheit zu berichten.
Den Umweltministern der EU lagen drei Anträge der EU‐Kommission vor, mit dem Österreich und Ungarn untersagt werden
sollte, nationale Regelungen zum Verbot des Anbaus von gentechnisch verändertem Mais zu treffen.
Der Rat der Umweltminister hat diese Anträge heute mit qualifizierter Mehrheit abgelehnt. Auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hat gegen diese Vorschläge gestimmt. Vor Journalisten in Brüssel erläuterte er seine Ablehnung unter anderem mit folgenden Worten:
„Es gibt in Deutschland eine Debatte über die Möglichkeit, gentechnikfreie Regionen zu schaffen. Meine Kollegin,
Landwirtschaftsministerin Aigner, hat diese Debatte als Nachfolgerin von Herr Seehofer bekommen. Ich kann mir nicht ernsthaft vorstellen, dass wir in Deutschland über gentechnikfreie Regionen sprechen, aber gentechnikfreie Mitgliedsstaaten in der EU nicht zulassen. Ich wollte mit meinem Abstimmungsverhalten also auch der Kollegin Aigner Spielraum in der notwendigen Debatte in Deutschland verschaffen.
Einen weiteren Grund erläutere ich Ihnen in aller Offenheit: Ich kann den gesellschaftlichen Mehrwert der Genprodukte von Monsanto nicht erkennen. Ich sehe allerdings, dass es einen betrieblichen Mehrwert für Monsanto gibt. Allerdings werden die Bedingungen, unter denen gentechnisch veränderte Produkte dieser Firma in den USA eingesetzt werden, in Europa nirgendwo eingehalten ‐ zum Beispiel 800 Meter Abstand.
Ich kann nicht erkennen, warum wir den Interessen eines einzigen US‐Konzerns folgen und damit die Mitgliedstaaten und die Bürgerinnen und Bürger gegen uns aufbringen sollten. Ich glaube übrigens nicht, dass bei so großen Sorgen in der Bevölkerung gegen gentechnisch veränderte Produkte im umgekehrten Fall eine amerikanische Regierung sich so ins Zeug legen würde, ein europäisches Präparat auf den amerikanischen Markt zu bringen. Man stelle sich vor, diese Debatte um Gentechnik‐Produkte gäbe es in den USA, und die einzige Firma, die ein Interesse daran hätte, dieses Präparat dorthin zu verkaufen, wäre eine europäische: Ich möchte einmal wissen, ob der amerikanische Kongress sich derart ins Zeug legen würde zur Verfolgung
europäischer Wirtschaftsinteressen eines einzelnen Unternehmens, wie es jetzt die EU‐Kommission zur Verfolgung der
Wirtschaftsinteressen eines amerikanischen Unternehmens tut ‐ gegen die großen Sorgen bei uns in der Bevölkerung.“
Soweit Minister Gabriel.
Mit Ihnen haben sich in den vergangenen Tagen fast 20.000 Mitbürgerinnen und Mitbürger mit ihren Sorgen gegen Gentechnik an uns gewandt. Noch einmal vielen Dank für Ihre Unterstützung. Bleiben Sie wachsam und engagiert. Lassen Sie uns auch in Zukunft gemeinsam für einen kritischen und verantwortbaren Umgang mit der Gentechnik eintreten! Wir halten Sie auf dem Laufenden, wenn es etwas Neues gibt.
Bitte entschuldigen Sie die unpersönliche Form der Anrede, aber uns schien es wichtig, Ihnen in einer so wichtigen
Angelegenheit eine rasche Antwort zukommen zu lassen, aber bei der hohen Zahl von Mails ging es nicht persönlicher.
Mit freundlichen Grüßen, bis zum nächsten Mal!
Michael Schroeren
Leiter Pressereferat, Sprecher des Ministers Bundesumweltministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)
Alexanderstr. 3, 10178 Berlin
Gewerbefreiheit, richtig. Aber wenn dann bitte für alle. Die Ausbreitung von gentechnischen Nutzpflanzen ist de facto nicht zu verhindern.
Dies bedeutet, wenn ein Landwirt gentechnisch veränderte Nutzpflanzen anbaut, kann je nach Windrichtung oder Laune von Bienen, der nächste Nachbar-Landwirt nichts gegen die Verbreitung gentechnisch veränderten Pflanzen auf seinen eigenen Anbauflächen machen.
Was ist also mit der Gewerbefreiheit eines konventionellen Landwirts, der keine gentechnisch veränderten Pflanzen anbauen will? Und was ist erst mit einen Öko-Landwirt, der in einem solchen Fall sein Öko-Label sofort verliert? Was ist mit seiner Gewerbefreiheit?
Gewerbefreiheit in der Landwirtschaft ohne Gentechnik ist möglich.
Gewerbefreiheit in der Landwirtschaft mit Gentechnik ist unmöglich.
Demnach liegt die Erfordernis eines Verbots der Gentechnik im Rahmen der Landwirtschaft eigentlich in der Gewerbefreiheit selbst.
Gentechnik – Nachtrag
Letzte Woche flatterte eine Meldung zum Thema Monsanto 810 ins Haus. Wir hatten ja hier eine lebhafte Diskussion darüber, wie es sich so mit der Gentechnik verhält und ob unser Antrag Sinn macht. Da ist schon sehr aufschlussreich, wie sich Monsanto beim Thema Monitoring verhält. Bei Monsanto 810 handelt es sich um eine Maissorte, die in jeder Zelle aufgrund der gentechnischen Veränderung ein Toxin produziert, um den Maiszünsler abzuwehren. Monsanto sollte nun per Monitoring nachweisen, dass es zu keinen ökologischen Schäden durch seine Maissorte kommt. Was macht die Firma: sie liefert ein paar zusammengesuchte Studienergebnisse ohne Bezug zu Mon 810 oder Ergebnisse von Untersuchungen zu Schmetterlingsvorkommen, die nichts mit der Sache zu tun haben. Wissenschaftler vom Umweltforschungszentrum in Leipzig (siehe TAZ vom 6.4) wehren sich dagegen, dass Ergebnisse einer Schmetterlingsdatei (Erhebung von Schmetterlingsvorkommen in Deutschland auf freiwilliger Basis) von Monsanto mißbraucht werden. Diese Erhebung hat nun rein gar nichts mit dem Anbau von Mon 810 zu tun. Anmerkung Dr. Settele: Ein Diplomand würde bei solche einer Arbeit durchfallen.
Mal unabhängig vom wissenschaftlichen Gehalt solcher Untersuchungen, wenn sich ein Konzern, der doch immer behauptet seine Produkte verursachen keine Schäden, so seiner Monitoringaufgaben entledigt, dann muss man sich schon fragen, ob nicht wirklich nur das Geldverdienen im Vordergrund steht. Denn so gewinnt man sicherlich nicht die Unterstützung für eine Risikotechnologie in der Öffentlichkeit….