Wann muss ein Intendant brüllen?

Wenn das Geld knapp ist, hat es die Kultur schwer. Das neue Finanzausgleichsgesetz, das 2010 in Kraft tritt, lässt den Landesrechnungshof die Rotstifte spitzen, und der findet dabei in Kultusminister Harry Tesch einen willfährigen Gehilfen. Sicher, in Zeiten knapper Kassen gibt es keine Tabuzonen – das gilt auch für die Theaterlandschaft in MV. Wenn man sich allerdings die vom Schweriner Kultusministerium verfassten „Eckpunkte für die Weiterentwicklung der Theater- und Orchesterstrukturen 2010 – 2020“ anguckt, fällt es schwer, an Weiterentwicklung zu glauben: Hier geht es um die radikale Kürzung der FAG-Mittel bis zu 50 Prozent, um Stellenabbau in derselben Größenordnung und um Konzentration auf die Mehrspartenhäuser im Land. Vermeintlches Allheilmittel: Fusionen auf Teufel komm ‚raus!

In dieser für alle Landestheater angespannten Situation hat sich Joachim Kümmritz, Generalintendant des Schweriner Theaters, dramatisch zu Wort gemeldet und mit Insolvenz gedroht, wortgewaltig unterstützt von seinem Aufsichtsratsvorsitzenden Dieter Niesen (zugleich Schweriner Finanzdezernent): Hier stehen Intendanz und Aufsichtsrat unisono für das Schweriner Theater und seine Interessen ein!

Und was passiert im Theater Vorpommern? Wann brüllt hier der Intendant? Wann legt er ein vom Land längst gefordertes Konzept vor, in dem er seine Vorschläge zur Weiterentwicklung des Theaters Vorpommern darlegt?

Seine Lautstärke erprobt der hiesige Intendant gern bei Orchesterproben oder dann, wenn unliebsame Ensemblemitglieder sich äußern. Ob er mit seiner Taktik, diese „Quertreiber“ aus dem Ensemble zu entfernen, wirklich erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten – genau diese haben nämlich bei der kürzlich erfolgten Personalratswahl mit Abstand die meisten Stimmen erhalten.

Aber zurück zur Zukunft des Theaters Vorpommern: Wenn das Land auch nur einen Teil dieses Eckpunktepapiers durchsetzen wird, brauchen wir einen Intendanten mit Weitblick, der gemeinsam mit dem Aufsichtsrat Konzepte auf den Weg bringt und sich für sein Haus und seine gesamte Belegschaft überzeugend einsetzt – hier darf er lautstark sein. Ein Intendant, der Aufsichtsrat und Ensemble spaltet, dem Ranküne wichtiger ist als ein tragfähiges Konzept, gefährdet die Zukunft dieses Theaters!

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6 Kommentare bei „Wann muss ein Intendant brüllen?“

  1. Sehr geehrte Frau Terodde,
    dem Intendanten Prof. Nekovar vorzuwerfen, sich nicht für das Theater Vorpommern stark zu machen, zeugt davon, dass Sie offensichtlich nicht ausreichend informiert sind. Sofort als die Pläne des Herrn Tesch öffentlich wurden, hat Herr Prof. Nekovar und Dr. Ickrath in der Bürgerschaft über die drohenden Kürzungen informiert. Beide Herren haben ein großes Pensum geleistet um alle notwendigen Gremien zu informieren und auf die Situation in der Theaterlandschaft aufmerksam zu machen. Das Theater Vorpommern hat bereits das vollzogen, was im Teschpapier gefordert wurde. Ein noch größeres Fusionsgebilde ist logistisch nicht machbar und für alle Beteiligten eine Zumutung, was gezielte Kooperationen nicht ausschließt. Die Entscheidung über die Theaterfinanzierung ist in erster Linie eine Entscheidung des Kabinetts und des Landtages. Solange die Abgeordneten vor Ort anders entscheiden als in Schwerin wird es keine Lösung des Problems geben. Bekenntnis zum Theater vor Ort bedeutet auch , dass mehr Geld zur Verfügung gestellt werden muss.

    1. Hallo Birgit,

      Du hast völlig recht: In Greifswald (und Stralsund) wurde viel und laut geredet. Aber das steht auch im Post; das ist ja gerade das Problem!

    2. Liebe Frau Socher,

      oh ja, informiert hat er, der Intendant, hier in seinem Sinne geredet, dort Stimmung gemacht mit der Folge, dass der Aufsichtsrat zerstritten ist, dass die Verwaltungen Stralsunds und Greifswalds über das Thema Theater nicht mehr reden konnten, weil die Personalie Nekovar auf einmal wichtiger war als die Zukunft des Theaters selbst, und dass Ensemblemitglieder sich auf dem Flur nicht mehr grüßen, weil eine Atmosphäre des Misstrauens und der Angst herrscht. Man könnte dieses Intrigenspiel glatt auf die Bühne bringen – aber wer wollte sich an einer Tragödie delektieren, die von der Realität übertroffen wird?

      Wie gesagt, geredet hat nicht nur der Intendant genug! Aber wo ist das Konzept, das die Zunkunft des Theaters Vorpommern beschreibt? Vielleicht bin ich nicht ausreichend informiert – kennen Sie es? Stark gemacht hat sich der Intendant für das Musiktheater (dummerweise kommen die drei Kritikerinnen, die ihre Kritik mit ihrer Kündigung bzw. Nichtverlängerung bezahlen müssen, ausgerechnet aus dieser Sparte…)und für die unrentablen Ostseefestspiele. Aber was ist mit Schauspiel und Ballett, den ungeliebten Kindern? Fragen Sie die Theaterleute, wenn Sie jemanden treffen, der sich traut, seine Meinung zu sagen…

      Wir brauchen einen Intendanten, dem es nicht um die Befriedigung seiner persönlichen Eitelkeiten geht, sondern einen, der gemeinsam mit dem Kaufmännischen Leiter, dem Aufsichtsrat und der Verwaltung für ein starkes Theater mit allen drei Sparten kämpft. Schwerin hat es uns vorgemacht – das Staatstheater hat eine Lobby im Landtag, weil die Richtung aller Beteiligter eindeutig ist: http://www.mvregio.de/show/227616.html
      In Vorpommern herrschen stattdessen Befindlichkeiten, und ich fürchte, dass niemand weiß, welcher Akt der Tragödie gerade gespielt wird…

  2. Liebe Frau Socher,

    Ihre Schweriner Parteikollegin möchte offenbar nicht abwarten, was Kabinett und Landtag entscheiden – gut so!
    http://www.mvregio.de/show/228070.html

    1. Hallo,
      war einige Tage mit dem Kanu unterwegs und nicht online. Für mich ist das Problem vor allem ein finanzielles. Weil die Landesregierung nicht mehr Geld in die Theater stecken will und die Kommunen nicht mehr geben können werden Nebenschauplätze errichtet. Wir hatten erst eine Finanzdebatte und daraus wurde dann eine Personaldebatte. Die Landesregierung hat genau so eine Verantwortung für die Arbeitsplätze in den Theatern wie in den Werften. Die Summen um die es in diesem Falle geht sind verhältnismäßig gering im Vergleich zu anderen Investitionen, die weniger Arbeitsplätze bedeuten. Angesprochen auf die Oberbürgermeisterin von Schwerin kann ich nur sagen, dass sie sich nicht nur für Ihr Theater stark macht, sondern für alle Theater in MV. Auch ich bin nicht bereit die Theater gegeneinander auszuspielen. Mit den Abgeordneten vor Ort meinte ich die Landtagsabgeordneten.

      Birgit Socher

  3. […] einem Jahr haben Grüns darauf gedrungen, eine Lösung für die Geschäftsführung des Theaters zu finden – jetzt reagiert – ja […]

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