Steinmeier hat sowieso keine Chance

Anders als die Überschrift vermuten lässt, steht mir nicht der Sinn danach, in den Chor derer einzustimmen, die aus allen Lagen auf den Spitzenkandidaten der SPD eindreschen. Vielmehr überrascht es, wie gut speziell an diesem Punkt bestimmte Strategien der Berichterstattung funktionieren. Denn: Hat Steinmeier die Möglichkeit, irgendetwas so richtig zu machen, dass daraus eine positive Berichterstattung entsteht? – Eigentlich nicht.

Uneigentlich auch nicht.

Auch unter den Grün-Wählern spricht sich in der Kanzlerfrage angeblich eine knappe Mehrheit für Angela Merkel und gegen Steinmeier aus. Abgesehen davon, dass mir Renate Künast als Bundeskanzlerin am liebsten wäre – was haben die Leute gegen Steinmeier? Vor allem im Vergleich mit der Bundeskanzlerin?

Steinmeiers Arbeit als Außenminister wird überwiegend positiv beurteilt. Warum man aber jemanden, den man als Außenminister – immerhin nach mehrheitlicher Auffassung das wichtigste Ressort – gut findet, gleichzeitig als möglichen Kanzler klar ablehnt, kann niemand wirklich schlüssig erklären.

Der Kandidat wird beschrieben als als freundlich und zurückhaltend, er neige nur insgesamt zu etwas komplizierten Ausführungen. Wäre derselbe rüpelhaft, vorlaut und ein Freund der unterkomplexen Argumentation, würde man ihm genau das vorwerfen, in diesem Fall wohl sogar zurecht.

Gelegentlich fällt der Name Rudolf Scharping. Allen, deren Erinnerung an 1994 schon zu unscharf ist, sei es daher nochmal gesagt: Von Scharping kam gar nichts, da war einfach null Substanz. Steinmeier wiederum kann man halt nicht vorwerfen, er hätte kein Programm. Man muss seinen „Deutschlandplan“ ja nicht rundweg toll finden, aber er hat zumindest einen. Auch, dass in den Bereichen, Umwelt, Wirtschaft, Energie und Klima weite Teile dieses Plans von grüner Programmatik inspiriert wurden, kann ich nicht negativ auslegen. Zwar wird dadurch langfristig eine Entwicklung absehbar, die sich in vielen süddeutschen Städten schon durchgesetzt hat, nämlich, dass die ursprünglichen grünen Ideengeber ihren gedanklichen Vorsprung auch in eigene Wahlsiege umsetzen. Für die Bundestagswahl 2009 muss man aber noch davon ausgehen, dass die SPD den zweiten Platz sicher verteidigen wird.

Steinmeiers Biographie wird gerne in den langweiligsten Farben geschildert, und sie ist auch tatsächlich uncool. Genau das kann aber kein Kriterium sein. Da hat sich jemand, der aus einfachen Verhältnissen kommt, und durch Eigenschaften wie Fleiß und Akribie zu überzeugen wusste, hochgearbeitet. Das kann natürlich nichts werden, denn wir gewichten bei der Beurteilung politischer Entscheidungsträger Aspekte wie Kaltschnäuzigkeit und Lautstärke traditionell sehr stark. Gerhard Schröder war da Spitze, und Joschka Fischer auch zu allerletzt ein Leisetreter. Dabei heißt es doch immer, Bescheidenheit sei eine Tugend. Der Lebensweg von Frank-Walter Steinmeier taugt halt nicht als attraktives Vorbild, da müsste man ja selbst durch Akribie und Fleiß etwas erreichen und nicht durch Lautstärke. Warum aber liest man nie etwas über die Biographie von Guido Wellerweste? An Dingen, die man negativ auslegen könnte, mangelt es da jedenfalls nicht.

Natürlich möchte ich hier niemandem nahelegen, bloß deswegen SPD zu wählen, weil ihr Spitzenkandidat in der Öffentlichkeit nach meinem Dafürhalten nicht fair behandelt wird. Es gibt genügend Dinge, die man der SPD vorwerfen kann, in erster Linie inhaltlich. Auch das Personal der zweiten Reihe ist nicht gerade überzeugend, und die zahlreichen Ebenbilder von Hubertus Heil in den wenig beachteten Wahlkreisen der Republik haben wirklich zuweilen erschreckend wenig Profil. Dass aber Parteien oft für genau die falschen Dinge kritisiert werden, bestärkt mich im Wunsch, am 27.9. auch ein paar Medienschaffende abwählen zu können.

Und natürlich war es notwendig, dass dieser Text noch vor dem Fernsehduell erschien, auch wenn dieses nach bereits mehr oder weniger feststehender Auffassung in einem „torlosen Unentschieden“ enden wird.

Machen wir eben Elfmeterschießen.

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