Wahlbetrachtung III – Schiffbrüchige

Verschiedene Formen der Autosuggestion wurden probiert, doch auch ein scheinbar kreatives Durcheinander konnte nicht verhindern, dass der letzte Quest nicht gemeistert wurde. Die Piratenpartei blieb unter den Erwartungen der eigenen Aktiven und landete bei 2,1%.

Inhaltlich wurde schon in der letzten Wahlkampfphase die mangelnde Offlinekompetenz deutlich. Wenn stellvertretende Bundesvorsitzende bestimmte rechtslastige Zeitungen nicht kennen und der Rest der Partei in den Reaktionen dazu vor allem durch fehlendes Problembewusstsein auffällt, grenzt man den eigenen Aktionsradius ziemlich ein. Hinzu kam das aggressive Auftreten im Netz und die geradezu kindische Empfindlichkeit gegenüber jeglicher Kritik.

Vor allem aber: Die Kernzielgruppe ist zu klein. Vorwiegend mit Männern unter 30 knackt keine Partei die fünf Prozent. Die Hochburgenstruktur, bei der Sachsenwahl noch auffällig kongruent mit der grünen, verheißt diesmal nichts Gutes. Fast überall gibt es einen Sockel von ca. 1,5 bis 2%, mit einer Verteilung, die ansonsten keinen Gesetzen zu gehorchen scheint, abgesehen von wenigen Ausreißern nach oben. Diese betreffen zwar durchaus Hochschulstandorte, aber eben nur wieder solche, wo die Hochschulen ein klares technisches Profil, oder, mit anderen Worten, einen hohen Männeranteil aufweisen. Unis mit geistes- oder gar sozialwissenschaftlichem Schwerpunkt bringen den Piraten nicht viel, nachzufragen in Bielefeld (WK 133). Die Wählerschaft korreliert mit der Mitgliederstruktur, und das macht es schon rein habituell schwer, die Basis zu verbreitern – Grüne kommen an die heutigen Rentner auch nicht mehr ran, wir müssen warten, bis die eigene Gründergeneration selber alt ist (was sich so allmählich auch einstellt).

Einzige regional auffällige Ausnahme ist Berlin, gleichzeitig auch der einzige Ort, wo der Schaden für Grün merkbar war (und durch nichts anderes besser zu erklären). Da gibt es ein oranges Milieu, das auch offline existiert, und in Friedrichshain-Kreuzberg schon mal mit der FDP auf Augenhöhe ist. Von der Hauptstadt abgesehen beziffere ich die durch Piraten für Grün entgangenen Stimmen auf 0,7 Prozentpunkte, ablesbar an der Differenz Zuwachs Sachsen minus Zuwachs Thüringen, und das erscheint mir auch durchaus als plausibel. Das Meiste vom Rest hätte sonst halt irgendwas gewählt, womöglich sogar SPD, und strebt nicht selten danach, in ein paar Jahren zu der Gruppe zu gehören, die dann aus Enttäuschung über die ausgebliebenen „Steuerentlastungen“ nicht mehr FDP wählen wird. Die Grünen standen wegen ihrer lästigen Umweltpolitik (Tempolimit!) eh nicht zur Debatte.

Fehlen uns aber doch vier Mandate, die Özcan Mutlu, Beate Walter-Rosenheimer, Ulle Schauws und Harald Ebner nicht bekommen haben. Das ist nicht schön, aber immer noch angenehmer als die Sackgasse, die der Piratenpartei droht. Denn durch die oben geschilderten Voraussetzungen dürfte es schwierig werden, aus dem eigenen, recht kleinen Milieu auszubrechen. Um aber unterschiedliche Politikansätze ernsthaft diskutieren zu können, ist aber genau das irgendwann mal nötig.

12 Kommentare bei „Wahlbetrachtung III – Schiffbrüchige“

  1. Lieber Kay,
    warum piesackst du denn die Korsaren so? OK, sie sind thematisch noch sehr flachbrüstig – aber diese („ihre“) Themen haben sie dafür besser durchdrungen als alle anderen Parteien. Und die Stoßrichtung passt doch ganz hervorragend zu den grünen Zielen und Werten (Wissensallende, transparenter Staat, flache Hierarchien, Bürgerrechte, keine Patente auf Gensequenzen usw.). Wir sollten zusehen, dass wir ihre Inhalte ernst nehmen und ihre Expertise für uns fruchtbar machen. Selbst wenn sie tatsächlich Schiffbruch erleiden, bin ich unbedingt dafür, ihnen ein verlockendes Rettungsangebot bei Grüns zu machen.
    Eine gepflegte Konkurrenz halte ich jedenfalls für die unklügste Variante – die Überwachungsfetischisten und Hinterzimmer-Lobbyisten dieser Republik rieben sich die Hände.

  2. Hallo Anne,
    ich hab ja schon letzte Woche angedeutet, dass ich in manchen Punkten eine allzu große Zurückhaltung nicht mehr für nötig halte.
    Kernpunkt meiner Kritik an den Piraten ist das Auftreten und das damit untrennbar verbundene Verständnis von Politik als Event. Von 90% derer, die es da gerade cool finden, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie zum Beispiel in irgendwelchen Haushaltsberatungen mal eine Hilfe wären. Nur mal ein paar gute Ideen zu haben reicht nicht aus, zumal dann, wenn die ausgelassenen Themenbereiche erlauben, die Piraten als „Grüne ohne Umweltpolitik, insbesondere Tempolimit“ wahrzunehmen. Wer braucht so eine Partei?
    Wer richtige Inhalte ohne irgendein erkennbares Handlungskonzept in den Raum wirft, schadet ihnen unter Umständen sogar. Anderes einleuchtendes Beispiel dazu: Wenn eine Susanne Wiest, die immer dann, wenn es konkret wird, nicht mehr weiter weiß, das Grundeinkommen voranbringen soll, dann wird es so etwas nie geben.
    Zurück zu den Piraten: Die Zusammensetzung ihrer Wählerschaft ist sowohl soziologisch als auch regional zu zwei Dritteln die einer typischen Protestpartei. Das restliche Drittel findet man in Berlin und an ein paar Hochschulorten. Da man perspektivisch mit den erstgenannten zwei Dritteln nicht viel anfangen kann, haben die Piraten ein strategisches Problem. Dass ich da jetzt so energisch darauf hinweise und mir gewissermaßen ein PAL an den Hals hänge, gereicht, glaube ich, nicht als Anlass für große Vorwürfe.

  3. Verschiedene Formen der Autosuggestion wurden probiert, doch auch ein scheinbar kreatives Durcheinander konnte nicht verhindern, dass der letzte Quest nicht gemeistert wurde. Die Piratenpartei blieb unter den Erwartungen der eigenen Aktiven und landete bei 2,1%.

    << Wir wollten die stärkste sonstige Partei werden. Viele haben sich natürlich Hoffnung auf mehr gemacht, es gab aber auch Realisten. Ich persönlich hatte übrigens genau mit 2,1 % gerechnet. Tatsächlich waren es am Ende übrigens "nur" 2,0 laut vorläufigem Wahlergebnis.

    Inhaltlich wurde schon in der letzten Wahlkampfphase die mangelnde Offlinekompetenz deutlich.

    << Das stimmte vlt bei der Europawahl, nicht aber mehr bei der Bundestagswahl. Vielleicht war Greifswald – speziell das Umland – noch nicht stark. In vielen anderen Bundesländern war es jedoch ein sehr kreativer und aufweniger Wahlkampf! Für Beispiele gebe man einfach nur bei youtube Piratenpartei ein. Nicht für die vielen kreativen Wahlspots (die es auch gab), sondern für die Videos die reale Aktionen in Fußgängerzonen, bei Demos uvm. zeigen!

    "Wenn stellvertretende Bundesvorsitzende bestimmte rechtslastige Zeitungen nicht kennen und der Rest der Partei in den Reaktionen dazu vor allem durch fehlendes Problembewusstsein auffällt, grenzt man den eigenen Aktionsradius ziemlich ein. Hinzu kam das aggressive Auftreten im Netz und die geradezu kindische Empfindlichkeit gegenüber jeglicher Kritik."

    << Die Kritik wurde im Gegenteil Ernst genommen! Man hat _sofort_ reagiert, sich entschuldigt und von der politischen Richtung der Zeitung distanziert. ALLEN Parteien sind solche Fehler (gerade in ihrer Anfangszeit!) schon passiert!

    "Vor allem aber: Die Kernzielgruppe ist zu klein. […]"

    << Dann ist doch kein Problem da?! Macht einfach die Augen zu vor dieser "kleinen" Kernzielgruppe… Wenn das so wäre, was Du schreibst, verstehe ich nicht, warum plötzlich so nervös sind, was die Piraten angeht?!

    "beziffere ich die durch Piraten für Grün entgangenen Stimmen auf 0,7 Prozentpunkte […]"

    << Deine Rechnung halte ich für zu einfach. Und ich verstehe auch nicht die Konsequenz?

    "Das ist nicht schön, aber immer noch angenehmer als die Sackgasse, die der Piratenpartei droht."

    << Der Partei droht evt. eine Sackgasse, aber nicht ihrer politischen Auffassung ! Es liegt an den Grünen bzw. der FDP diese Inhalte aufzunehmen und so die Piraten überflüssig zu machen. Wenn Euch das gelingt, würde mich das sicher freuen. Mit diesem Artikel wird jedoch eher eine seltsame Konkurrenz / Feindschaft begründet, die ich nicht gut finde. Wir sollten zusammenarbeiten, statt gegeneinander.

  4. Lieber Sebastian,
    wenn zwei unterschiedliche Parteien bei ein und derselben Wahl antreten, dann bedeutet das automatisch Konkurrenz.
    Ob eine Bewegung, deren Anspruch ist, dass „etablierte“ Parteien ihre programmatischen Forderungen aufgreifen, mit der Organisationsform „Partei“ am besten fährt, ist mindestens zu hinterfragen. Anderen Stimmen wegzunehmen, ohne selbst etwas damit anfangen zu können, hilft halt nicht weiter. Hätte es in Baden-Württemberg bei uns nicht Ebner, sondern die durchaus netzaffine Listenelfte Agnieszka Malczak erwischt, könnte ich Dir daraus ein viel konkreteres Erklärungsproblem konstruieren. Dass die vier entgangenen Mandate neben Ströbele-Kronprinz Mutlu zwei Landeier und eine Unauffällige betreffen, ist ja eher Zufall. Ein Kuschelkurs zweier konkurrierender Parteien – wie soll sowas gehen?
    In meiner Rechnung beziffere ich stets die für Grün „entgangenen Stimmen“. Nimmt man Wählerstomanalysen zur Grundlage, so kommt man wie die Böll-Stiftung sogar zu einem Wert von weniger als 0,7 Prozent. Da aber deren Rechnung den hohen Erstwähleranteil der Piraten nicht hinreichend berücksichtigt, hab ich mich schon anders entschieden. Ich bleibe allerdings bei meiner These, dass zwei Drittel der Piratenwähler (bezogen auf die Zweitstimme) für Grüns nicht erreichbar gewesen wären.
    Kreativität im Wahlkampf kann Konkretisierung und Erweiterung politischer Inhalte nicht auf Dauer ersetzen. Eine Partei mit dem Selbstverständnis der CDU kommt mit einer wolkigen Programmatik aus. Für kleine Parteien mit überregionalem Anspruch geht das auf Dauer nicht gut. Ich bin gespannt, wie die Piraten ihre jetzt anstehende Programmdebatte organisieren. Wenn ich regelmäßig im öffentlichen Diskussionsforum der Piratenpartei vorbeischaue (bislang nur als Leser), kommen mir so meine Zweifel. Einem Großteil der Mitglieder fehlt einfach die Fähigkeit zur realistischen Selbsteinschätzung, auf die Parteispitze, das muss man zugeben, greift das immerhin nicht allzusehr über. Auch wird es interessant zu sehen, ob künftig eher kleine, realisierbare Ziele verfolgt werden (etwa Abgeordnetenhaus Berlin), oder ob man sich zum Beispiel in NRW – spaßiges Einstimmenwahlrecht, man braucht überall Wahlkreiskandidaten – gleich mal übernimmt.

  5. Bei meiner Wahlanalyse für Greifswald ergab sich, betreffs Piratenpartei, kurz zusammengefasst: Die Piraten haben zwar eine mittelmäßig ausgeprägte positive Korrelation (Zusammenhänge der Ergebnisse in den Stimmbezirken) mit den Grünen, während keine Korrelation mit der FDP und eine einigermaßen deutlich negative mit der CDU vorliegt. Jedoch ist die Korrelation aus Sicht der Grünen mit der FDP stärker als die mit den Piraten und aus Sicht der FDP die Korrelation mit den Grünen gar doppelt so stark wie die mit der Piratenpartei. Heißt, Grüne und FDP sind viel eher Konkurrenten/Mitstreiter bezüglich der Wählerklientele als diese beiden sich mit den Wählerschaften der Piraten befassen sollten.

  6. -Nachtrag-

    Die stärksten positiven Korrelationen in Greifswald:

    Wahlbeteiligung + CDU
    NPD/REP + DIE LINKE
    GRÜNE + Wiest

    Die stärksten negativen Korrelationen in Greifswald:

    DIE LINKE – GRÜNE
    NPD/REP – GRÜNE
    Wahlbeteiligung – NPD/REP
    DIE LINKE – Wiest
    SPD – CDU
    DIE LINKE – FDP

    (Weiteres oder genaue Zahlen auf Anfrage)

  7. Eine positive Korrelation der Hochburgen zweier Parteien bedeutet ja nicht automatisch, dass es da auch ein hohes Wechselwählerpotential gibt (auch wenn ich mit Blick auf manche Umlandgemeinden durchaus den Eindruck habe, dass die Kombination EP-Wahl Grün, BT-Wahl FDP da vorgekommen sein muss). Eher ist es aber so, dass es in mittleren und größeren Städten eine gemeinsame Diaspora von Grünen und FDP gibt, die in Greifswald vornehmlich in den Großwohnsiedlungen zu finden ist (war übrigens 2002 nicht so, als die FDP da untypisch gut abschnitt). Für die Piraten gibt es genau diese Diaspora nicht in derselben Weise, auch weil sich ihre männlichen Erstwähler hinsichtlich der Wohnortwahl noch nicht in typischen Milieus angesiedelt haben.

  8. „Die stärksten positiven Korrelationen in Greifswald:

    Wahlbeteiligung + CDU“
    Achtung: hoher Briefwähleranteil bei Grün-Wählern verfälscht die Wahlbeteiligung in grünen Hochburgen nach unten.

    „NPD/REP + DIE LINKE“
    Wohngebiete mit geringem Anteil Zugezogener.

    „GRÜNE + Wiest“
    Seufz.

    „Die stärksten negativen Korrelationen in Greifswald:“

    „DIE LINKE – GRÜNE“
    Ergibt sich auch durch Altersstruktur und Zugezogenenanteil.

    „NPD/REP – GRÜNE“
    Das ist bundesweiter Standard.

    „Wahlbeteiligung – NPD/REP
    DIE LINKE – Wiest
    SPD – CDU
    DIE LINKE – FDP“

    Es fällt auf, dass die FDP insgesamt nur einmal und die Piraten gar nicht vorkommen. Auch das entspricht der bundesweit wie regional bzw. lokal vergleichsweise flachen Hochburgenstruktur beider Parteien.

  9. „Eine positive Korrelation der Hochburgen zweier Parteien bedeutet ja nicht automatisch, dass es da auch ein hohes Wechselwählerpotential gibt“ – Das nimmt man zunächst an, denn etwa das Wessimilieu, das FDP und Grüne gern wählt, wohnt in der Innenstadt, aber auf individueller Ebene sind es dann doch nicht Wechselwähler beider Parteien. Jedoch relativiert sich diese Erkenntnis, wenn man weiß, dass es eine gewisse Schnittmenge beider Parteien auch im Westen gibt (am Beispiel München untersucht wäre das etwa die Region Schwabing/Maxvorstadt) und dass die westdeutsche Herkunft an sich schon eine Wechselwählerschaft zwischen FDP und Grünen im Osten über Durchschnitt erzeugt.

    „Achtung: hoher Briefwähleranteil bei Grün-Wählern verfälscht die Wahlbeteiligung in grünen Hochburgen nach unten.“ – Genau. Daher versuche ich immer, dies mit einzuberechnen. Allerdings nicht im Rahmen der Korrelationswerte, auf die ich mich oben bezog, da ich diese Werte lieber mathematisch genau erfassen will.

    „Ergibt sich auch durch Altersstruktur und Zugezogenenanteil.“ – Da in Westdeutschland der höchste Korrelationswert überhaupt zwischen Grünen und Linken besteht, ist das aber schon verwunderlich. Ich hätte vermutet, dass die frühere Gegensätzlichkeit zwischen diesen beiden Parteien im Osten langsam abschmilzt.

    „Das ist bundesweiter Standard.“ – In Ostdeutschland ist das auf jeden Fall so. Wie bereits erwähnt, ist in Westdeutschland der Abstand zwischen NPD/REP und FDP am größten.

    „Es fällt auf, dass die FDP insgesamt nur einmal und die Piraten gar nicht vorkommen. Auch das entspricht der bundesweit wie regional bzw. lokal vergleichsweise flachen Hochburgenstruktur beider Parteien.“ – Was die FDP betrifft, so stimmt das nicht ganz. Die FDP hat sehr deutliche Hochburgen in Westdeutschland (im Osten dagegen so gut wie gar nicht). Die FDP-Hochburgen jedoch ergeben sehr kleinräumlich, nicht auf Ebene der Bundestagswahlkreise. Zu den Piraten: Diese haben auch sehr deutliche Hochburgen; ähnliches Problem wie bei der FDP. Nur dass bei den Piraten noch hinzukommt, dass sie zusätzlich (!) zu ihren Hochburgen (männliche Studenten) noch eine breite Masse an sonstigen Milieus für sich gewinnen konnten.

  10. „Da in Westdeutschland der höchste Korrelationswert überhaupt zwischen Grünen und Linken besteht, ist das aber schon verwunderlich. Ich hätte vermutet, dass die frühere Gegensätzlichkeit zwischen diesen beiden Parteien im Osten langsam abschmilzt.“
    Der größte Unterschied liegt auf der Ebene der Partei Die Linke und ihrer Anhängerschaft. Im Westen sind das tatsächlich oft Leute, denen die Grünen nicht „prinzipientreu“ genug waren. Das entspricht auch einem Teil der Westabgeordneten der PDL, die als größtes potentielles Hindernis für eine Regierungsverantwortung gelten und besonders auf der Landesliste NRW zu finden waren. Auch Typen wie Diether Dehm gehören dazu. Die PDL Ost wird dagegen inzwischen mehrheitlich von pragmatischen Leuten dominiert, was durch die vielen Direktmandate noch verstärkt wurde. Die Grünen sind da jetzt nicht etwa die Nichtpragmatiker. Vielmehr ist es so, dass man Parteienvertreter wie Wählerschaft anhand ihrer Biographien ziemlich klar unterscheiden kann. Für mich ist es auffällig, wie zum Beispiel Peter Ritter seinen Lebensweg betont. Und diese Unterschiede lassen sich auch an den typischen Wohnorten festmachen.

    „Wie bereits erwähnt, ist in Westdeutschland der Abstand zwischen NPD/REP und FDP am größten.“
    Für das Verhältnis FDP vs. NPD stimmt das. Die REPs sind in ihrer heutigen Wählerschaft kein Maßstab mehr (zu unbedeutend), ihre früheren Hochburgen in Baden-Württemberg weisen aber eine hohe Korrelation zu den heutigen der FDP auf (eher Württemberg als Baden, nicht in den städtischen Zentren, relativ starker Sekundärsektor, eher protestantisch).

    Dazu passt auch:
    „Die FDP hat sehr deutliche Hochburgen in Westdeutschland (im Osten dagegen so gut wie gar nicht). Die FDP-Hochburgen jedoch ergeben sehr kleinräumlich, nicht auf Ebene der Bundestagswahlkreise.“
    Es ist nicht so, dass die FDP keine Hochburgen hätte. Gerade die von mir anhand anderer Merkmale beschriebene Zone in Südwestwürttemberg (Wahlkreise 280, 285 und 295) sticht schon ins Auge. Das hat auch damit zu tun, dass das Gebiet großenteils zum RB Freiburg bzw. RB Karlsruhe gehört und durch das Landtagswahlrecht schon lange die entsprechenden FDP-Landtagsabgeodneten abfasst, so dass sich auch an Personen (Pfister, Theurer, Kleinmann) orientierte Bindungen entwickelt haben. Umgekehrt sind die Grünen da für BaWü-Maßstäbe nur schwach präsent, was einerseits an den fehlenden Abgeordneten liegt (an Rita Grießhaber erinnert sich vermutlich niemand mehr), andererseits daran, dass der typische Grünen-Sympathisant aus dieser Gegend früh zum Studieren nach Tübingen, Konstanz oder Freiburg zieht und danach dableibt, so dass dadurch eine Art regionales „Green Drain“ stattfindet.
    Gleichwohl ist die Amplitude Hochburgen-Diaspora bei der FDP schwächer als bei anderen Parteien.

  11. „ihre früheren Hochburgen in Baden-Württemberg weisen aber eine hohe Korrelation zu den heutigen der FDP auf (eher Württemberg als Baden, nicht in den städtischen Zentren, relativ starker Sekundärsektor, eher protestantisch“

    Nee, das täuscht. Das sind nur die großräumlichen Korrelationen. Nimmt man sich in Württemberg einen Wahlkreis heraus und schaut auf die Korrelationen auf Stimmbezirksebene, so haben FDP und REPs sehr konträre Wählerschaften. Die REP-Wähler sind ganz leicht elitärer und konservativer als die NPD-Wähler, aber immer noch sehr weit entfernt von den Liberalwählern. Die großräumliche Korrelation hat eher was mit der Dominanz der CDU in den katholischen Regionen zu tun, die dort in Richtung fast aller Parteien mehr Wähler an sich bindet.

    „Es ist nicht so, dass die FDP keine Hochburgen hätte.“ Man muss die Untersuchungseinheit nur sehr klein wählen, dann hat man sie. Denn der FDP-Cleavage ist das Einkommen, so plump es auch klingen mag. Und hier wiederum ist es so, dass sich der Wähler an seinen Nachbarn orientiert. So hat man über die Fläche verteilt unzählige FDP-Hochburgen – eben immer die etwas teureren Wohnlagen eines Dorfes oder einer Stadt. Da jeder Ort solche hat, ist in der Fläche dann keine FDP-Hochburg mehr zu erkennen. Sehr deutlich sieht man sie aber, wenn man eben ein Gebiet untersucht, dass eine Siedlungseinheit bildet. Erstaunliches Phänomen eigentlich, denn bei bei den Grünen hat man dies nicht so – hier sind andere Orientierungen im ideellen Bereich ausschlaggebend, die sich in größeren Kontexten ergeben. Bei der SPD ist es ähnlich wie bei der FDP, nur dass hier der cleavage Katholisch vs. Nichtkatholisch einen Strich durch die Rechnung macht.

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