Piratenpartei: Naivität, Fehltritt oder programmatische Nähe?

Im September fiel der stellvertretende Vorsitzende der Piratenpartei dadurch auf, dass er der rechtslastigen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ ein Interview gegeben hatte. Zur Rechtfertigung musste die Beschreibung des Blattes als „nur rechtskonservativ“ herhalten. Mehr dazu hier.

Es deutete vieles auch auf fehlendes Problembewusstsein hin. Daran mag ich angesichts weiterer Äußerungen, jetzt des Piratenparteivorstandes Aaron Koenig, nicht mehr glauben. Dieser hatte in seinem Blog „Respekt vor der Schweiz“ bekundet, auch früher schon vor „No-Go-Areas“ in Stadtteilen mit hoher Einwandererdichte gewarnt. Die Piraten sollten dringend ihr Verhältnis zu rechten Positionen klären, zumal der Hinweis, dass es sich bei den von Koenig gemachten und veröffentlichten Inhalten um die private Meinung eines Parteimitglieds handele, nicht ausreicht.

Die taz schreibt zu Koenigs Äußerungen:

„Aaron Koenig, Piratenparteivorstand, begrüßt das Schweizer Nein zu Minaretten und verlinkt sein Blog mit einer rechtspopulistischen Anti-Islam-Seite. Nur ein Fauxpas?“ Mehr hier

7 Kommentare bei „Piratenpartei: Naivität, Fehltritt oder programmatische Nähe?“

  1. Das „fehlende Problembewusstsein“, mit dem ich hier ja zitiert werde, müsste ich vielleicht erweitern und durch „fehlende gedankliche Tiefe“ ersetzen.
    Die Motive derer, die in der Schweiz mit „Ja“ gestimmt haben, sind sehr unterschiedlich, wie ja auch aus dem Beitrag von Andreas Zumach in der taz hervorgeht. Allerdings hätte allen klar sein müssen, wem die Annahme des Referendums politisch nützt und welches Signal ausgesendet wird. Wenn nun eine allgemeine Distanz gegenüber religiöser Symbolik oder die Ablehnung des Frauenbildes mancher Weltanschauung dazu führt, sich in die Ecke derer zu stellen, die gerade hier keine fortschrittlichen Positionen vertreten, dann ist das eindeutig ein Fall unpolitischen Denkens im politischen Raum.
    Dasselbe wiederum ist eine der größten praktischen Herausforderungen, die in Prozessen der direkter Demokratie zu bewältigen sind und gleichzeitig das Hauptargument von Skeptikern der direkten Demokratie. Notwendig ist daher eine Repolitisierung der Gesellschaft insbesondere durch verstärkte politische Kommunikation. Sowas ist natürlich wieder federleicht dahingesagt. Am Beispiel Koenig sieht man halt wieder sehr schön die Folgen einer eingeengten Diskussionskultur. Hier machen bei den Piraten viele den Fehler, die eine Schmalspur durch die andere Schmalspur ersetzen zu wollen. Wirklich notwenig wäre jedoch ein mehrgleisiger normalspuriger Ausbau.

  2. Was bitte gibt den Grund die Piraten wegen einer freien verständlichen Meinung so zu kritisieren…

    „Wer aus dem deutlichen Ergebnis des Volksentscheides folgert, dass die absolute Mehrheit der Schweizer aus „Ausländerfeinden“ und „Rassisten“ besteht, macht es sich zu einfach – und beleidigt damit unsere Schweizer Nachbarn. Es mag solche bedauernswerten Menschen geben, denen alles Fremde suspekt ist und die andere Kulturen und Lebensweisen nicht respektieren – aber ich denke, sie sind eine kleine Minderheit, nicht nur in der Schweiz, sondern auch bei uns.“

    „Wir hingegen haben uns daran gewöhnt, dass Parteienvertreter über unsere Köpfe hinweg für uns entscheiden – kein Wunder, dass sich Politikverdrossenheit und ein Gefühl von Ohnmacht ausbreiten.“

    Das ist ein Paradebeispiel für nichtverstehenwollen, schade GRÜNS

    1. Wie soll ich jemanden, immerhin Vorstandsmitglied, verstehen, der völlig undifferenziert auf den Islam blickt und nicht in der Lage ist, zwischen Islam und Islamismus zu unterscheiden?
      Die Piraten haben noch viel Arbeit vor sich, um auch in der realen Welt, jenseits von Foren und Blogs, politikfähig zu werden.

  3. “Wer aus dem deutlichen Ergebnis des Volksentscheides folgert, dass die absolute Mehrheit der Schweizer aus “Ausländerfeinden” und “Rassisten” besteht, macht es sich zu einfach – und beleidigt damit unsere Schweizer Nachbarn. Es mag solche bedauernswerten Menschen geben, denen alles Fremde suspekt ist und die andere Kulturen und Lebensweisen nicht respektieren – aber ich denke, sie sind eine kleine Minderheit, nicht nur in der Schweiz, sondern auch bei uns.”

    Woran macht sich denn hier der Vorwurf der Undifferenziertheit fest? Ich bin wahrlich kein Freund der (zumindest bisher) Ein-Themen-Partei Piraten. Aber es scheint doch so, dass gerade die Grünen wohl um einen erheblichen Teil ihres Wählerklientels fürchten. Anders kann ich mir solche Reaktionen nicht erklären.

    1. Koenig: „Es ging beim Schweizer Volksabstimmung natürlich auch nicht wirklich um Bauwerke, die sind lediglich Symbole. In der Mehrheitsentscheidung der Schweizer drückt sich vielmehr ein Unbehagen gegen eine politische Bewegung mit Allmachtsanspruch aus, die die Gleichberechtigung der Geschlechter, die pluralistische Gesellschaft und die Demokratie explizit ablehnt.“
      Da wird mal eben die Fragestellung des Plebists geändert, damit die Frage zur Antwort passt. Diese Uminterpretation geht nicht, wenn ich Volksentscheide wirklich ernst nehme. Dann kann ich nicht etwas hinein interpretieren, sondern muss beim Wortlaut dessen bleiben, was zur Abstimmung steht. Ansonsten mache ich Volksabstimmungen völlig beliebig, wenn im Nachhinein der wahre Volkswille nur durch Interpretation ermittelt werden kann.
      Es stand eben nicht der Islamismus zur Diskussion, sondern Symbole des Islam.
      Ich halte die Ansichten Koenigs nicht nur für undifferenziert, sondern auch für gefährlich, da er sich die Deutungshoheit darüber anmaßt, was „wirklich“ zur Abstimmung stand.

  4. Ach so? Und das wiederum ist nicht IHRE ganz eigene Deutung? Ich behaupte, die Schweizer haben den Bau von Minaretten vermutlich nur abgelehnt, weil sie baulich nicht vor die Kulisse der Alpengipfel passen. Die Abstimmung hatte also gar nichts mit dem Islam zu tun. Und jetzt?

    1. Problem erkannt! Wenn ich anfange, Abstimmungen auszulegen, wird´s beliebig.
      Die Grenze jeder Auslegung ist der Wortlaut…

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