Nichtbahnfahrer weinen Krokodilstränen

Die unlängst bekannt gewordenen Überlegungen von DB Fernverkehr, den IC-Verkehr auf der Strecke Berlin–Stralsund auszudünnen, haben die erwarteten empörten Reaktionen von Lokalpolitikern nach sich gezogen. Da viele derjenigen, die sich jetzt zu Wort melden, eher nicht zu den häufigen Bahnnutzern zählen dürften, beginne ich mit dem Hinweis, dass Züge nun mal schwach ausgelastet sind, wenn man sie nicht benutzt.
Zu den Ursachen der schwachen Auslastung lesen wir ebenso erwartungsgemäß nicht viel, ausgenommen der Hinweis auf die Preisdifferenz IC/RE, was zutrifft, aber nicht das einzige Problem in diesem Zusammenhang ist. Dass das MV-Ticket nicht gilt und man sein Fahrrad nicht einfach so mitnehmen kann, ist auch nicht ganz unerheblich.
Ein paar andere Probleme liefere ich gerne nach.
An erster Stelle steht eine Verkehrspolitik, die falsche Prioritäten setzt. In Mecklenburg-Vorpommern entschied man sich für einen Autobahnbau und gegen einen durchgehend mehrgleisigen Ausbau der Bahnstrecke Rostock–Stralsund. Man entschied sich für großzügig dimensionierte Landstraßen ohne nennenswerten Verkehr (kostet natürlich alles Unterhalt) und gegen eine Beschleunigung aller Hauptstrecken im Bahnnetz auf mindestens 160 km/h. Man entschied sich für Umgehungsstraßen, die neuen KfZ-Verkehr erst induzieren, aber bislang gegen eine zweite Bahnanbindung nach Usedom über die Karniner Brücke. Straßen fordern und bauen, und gleichzeitig über die Probleme im Bahnfahrplan jammern, das geht eben nicht. Man muss sich schon entscheiden.
An zweiter Stelle steht das Ärgernis, dass das gesamte System Öffentlicher Personenverkehr nicht, wie es sinnvoll wäre und etwa in der Schweiz auch üblich ist, generell ausgehend vom Fahrplan gedacht und konzipiert wird. Die Fahrzeiten der IC-Züge passen am Taktknoten Stralsund derzeit gar nicht, in Züssow nur mäßig, und in Pasewalk passt es schon seit längerem bei einigen Umsteigerelationen gar nicht. Möchte man hier Abhilfe schaffen, bleibt nur die gezielte Beschleunigung einzelner Abschnitte, um zum Beispiel die Fahrzeit Stralsund-Züssow auf 29 Minuten zu drücken.
Schließlich hat die kommunale Ebene jede Menge Möglichkeiten, die Bahnnutzung zu begünstigen. Die regelmäßige Ausrichtung und Anpassung von städtischen und regionalen Busverkehren auf die Ankunfts- und Abfahrtszeiten der Bahn sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Dass auch die kommunalen Busbetriebe auf diese Weise wirtschaftlicher agieren können, sei hier gerne noch mal erwähnt.
Und dass man beispielsweise vor der Festsetzung von Anfangszeiten für Kreistagssitzungen mal in den Fahrplan gucken könnte, auch.

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