Stuttgart 21 geht alle an

Längst nicht mehr nur ein regionales Thema ist das irrsinnige Bahnhofsprojekt im Südwesten. Daher hier eine kleine Zweitverwertung aus Reiseaufzeichnungen:

Schon vierzehn sind zu wenig

Das Großvorhaben „Stuttgart 21“ ist ein negatives Paradebeispiel für eine ganze Menge Dinge. Der Geltungswahn von Provinzpolitikern, die immer das Größte und Protzigste bauen wollen, kombiniert sich mit naivem Glauben an angeblichen Fortschritt. Geradezu erschreckende Ignoranz gegenüber den ernstzunehmenden Bedenken einer seriös argumentierenden Bevölkerungsmehrheit paart sich mit in dieser Massivität unerwarteten Unkenntnis der Abläufe im Eisenbahnverkehr. Außerdem koschtet’s viel zu viel Geld, und da wird der Schwabe an sich gerne vorsichtig.
Dass man Millionen Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer für dumm verkaufen will, indem man behauptet, acht Gleise könnten leistungsfähiger sein als 16, ist jedoch der Gipfel.
Der ICE aus Richtung Mannheim bewegt sich am Dienstagmorgen pünktlich durch Zuffenhausen und wird gleich den Stuttgarter Hauptbahnhof erreichen. Denkste. Einen Kilometer vor dem Ziel bleibt der Zug stehen, für etwa zehn Minuten. Die Einfahrt in die Gleise 15 oder 16 ist nicht möglich, denn die sind noch belegt. Der Blick in das Faltblatt hilft hier ausnahmsweise mal weiter, denn viele Anschlusszüge in Stuttgart verkehren von seltsam ungewohnten Gleisen.
In der Bauphase ist die Zahl der Gleise schon mal um zwei geschrumpft. Die verbleibenden vierzehn werden entsprechend stärker belegt, und schon hier reicht es nicht mehr. Wenn schon vierzehn zu wenig sind, wie soll das erst mit acht werden? Fragt nach in Köln. Und keiner soll erzählen, dass Durchgangsgleise hier um soviel besser sind. Der Stuttgarter Nullerknoten ist bekanntlich sowohl nach vorne als auch nach hinten gedehnt, so dass sich lange Haltezeiten der Regionalzüge im Hauptbahnhof schon aus dem Taktgefüge ergeben. Ausgenommen ist lediglich die Relation Tübingen – Heilbronn, wo es zu einem Halbstundentakt reichen wird, alle anderen Linien erwarten faule Kompromisse.
Da die Verspätung bis Ulm üblicherweise nicht abnehmen dürfte, entscheide ich mich kurzfristig, gleich mal in Stuttgart den Zehnminutenübergang in Richtung Singen dem Ulmer Sechsminutenanschluss in Richtung Friedrichshafen vorzuziehen. Da die Erstklässler in Stuttgart bekanntlich immer außen parken, ist der Umsteigeweg auch von 15/16 zum mittleren einstelligen Bereich nicht allzu lang, das ist eben der Vorzug am Kopfbahnhof. Ich setze zum Sprint an – doch der RE wartet nicht mal lächerliche 90 Sekunden. Nach Singen um 8:18 geht es also doch nicht. Angesichts des Fahrplanes auf der Gäubahn ist jetzt doch die Württembergische Südbahn wieder die günstigere Variante. Also Sprint zurück, der ICE steht noch am Bahnsteig.
Ein Problem für den Bahnverkehr hingegen ist das Filstal. Genau das Filstal, nicht unbedingt die Geislinger Steige an sich, die ist nämlich kurz. Ketzerisch stelle ich damit neben „Stuttgart 21“ auch gleich die Neubaustrecke Stuttgart – Ulm in Frage, auch hier könnte eine kleine Lösung schon viel helfen. Denn die Strecken Bad Cannstatt – Geislingen und Amstetten – Ulm auf 200 km/h auszubauen scheint mir mit vergleichsweise schlanken Investitionen machbar. Nervig sind im Moment nämlich hauptsächlich die zahlreichen Langsamfahrabschnitte im Filstal, möglicherweise leicht zu beheben durch kleine Kurvenbegradigungen und ein paar neue Brücken. Auf der Alb so ähnlich.
Wir bekommen nun mitgeteilt, dass der IRE nach Lindau leider nicht warten könne. Nächste Reisemöglichkeit eine Stunde später. Und das alles wegen Stuttgart 21, dem größten anzunehmenden Unfug des 21. Jahrhunderts.

Ein Kommentar bei „Stuttgart 21 geht alle an“

  1. Der größte anzunehmende Unsinn, läuft sicher nicht nur in Stuttgart ab, sondern überall dort wo die Grünen meinten, ihre Wirtschaftskompetenz unter Beweis stellen zu müssen.
    Kapitalismus fordert nun mal Opfer und entweder ist man dafür oder dagegen und die Grünen sind zur Zeit immer noch eher dafür.
    Solange die Grünen immer fein meinen mitlaufen zu müssen, sollten sie die doch am Besten die Klappe halten.
    Grüne Steigbügelhalter sind genauso überflüssig wie die gelben…

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