„zu viel Guttenberg“

Die auch von anderen geschätzte taz-Redakteurin Ulrike Herrmann hat 2010 ein Buch mit dem Titel „Hurra, wir dürfen zahlen – Vom Selbstbetrug der Mittelschicht“ (absolut lesenswert!) geschrieben. Dieser Tage erinnerte ich mich einer Passage daraus, die sich mit dem deutschen Adel beschäftigte:

„Der Adel definiert sich selbst als Elite, indem er bis heute behauptet, dass es typisch adelige Tugenden gäbe wie Anstand und Treue, Mut und Führungswillen, die als Familientraditionen von Generation zu Generation weitergereicht würden. Diese Idee der Erblichkeit von Charaktereigenschaften ist in anderen Schichten oder Bevölkerungsschichten nicht vorhanden. Auch dort zählen Tugenden wie Anstand oder Mut – aber Normakbürger würden nie behaupten, dass sie diese Eigenschaften schon deshalb besitzen, weil sie einer bestimmten Familie entstammen.

[…]

Der Adel funktioniert genau genau anders herum: Dort zählt die Herkunft, um prinzipiell mit bestimmten Tugenden gesegnet zu sein.

[…]

Wie diese Selbstüberhöhung durch die Sakralisierung der Familientugenden funktioniert, hat kürzlich der Dirigent Enoch zu Guttenberg vorgeführt. In einem ganzseitigen Interview mit der Süddeutschen Zeitung erläutert er, warum sich sein Sohn niemals so opportunistisch verhalten würde wie andere Minister: Dazu sei er „zu viel Guttenberg“. Man stelle sich einmal vor, der Vater von einem Politiker namens Peter Schulze erklärte, sein Sprössling würde schon deswegen stets unabhängigen Mut beweisen, weil er ein Schulze sei. Der Hohn wäre ihm sicher.“

 

 

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