Der Artikel über den gestrichenen FDJ Auftritt anläßlich der 450-Jahr Feier des Jahn-Gymnasiums hat offenbar Mißfallen erregt. Hier ein paar Anmerkungen des Autors:
1) Worin soll der Unterschied zwischen der HJ und der FDJ zu sehen sein? Beide Organisationen waren Jugendorganisationen der jeweilig staatstragenden Partei, die mit dem staatlichen System eng verwoben, wenn nicht identisch war. Beide Organisationen dienten der Bildung der Jugend im Sinne der Parteidoktrin, mit beiden Organisationen gingen die Parteimächtigen auf die Jagd, die Jugend für sich und ihre fragwürdigen Ziele zu gewinnen. Beide Organisationen dienten auch der Ausgrenzung der Andersdenkenden, wer würde dies bezweifeln wollen?
Es kommt nicht darauf an, ob in dem einen System mehr und in dem anderen weniger Menschen umgebracht, verhaftet und drangsaliert wurden, das werter Jokel, ist ein falscher Maßstab bei dessen Anwendung indes die DDR sicherlich besser abschneidet, das stelle ich keineswegs in Abrede.
2) Die Persiflage ist m. W. nicht im Internet aufzufinden, aber ich bin sicher, Herr Albrecht hat noch ein Korpus delicti verwahrt, das braucht er ja als Beweismittel, denn er hat die Hoffnung den klugen Kopf abschlagen zu können wohl noch nicht aufgegeben.Vielleicht ist er ja so freundlich, der geneigten Öffentlichkeit dies noch einmal zur Verfügung zu stellen.
3) Wenn es nicht allein Herrn Albrechts Idee gewesen ist, die dann glücklich nicht in die Tat umgesetzt wurde, macht es das nicht besser. Ganz im Gegenteil. Wenn eine ganze Horde LehrerInnen zwar – Gott sei Dank – die braune Zeit nicht zu zeigen bereit ist, aber die rote durch eine Umzug glorifiziert sehen möchte, zeigt doch nur, daß der Fisch nicht nur am Kopfe stinkt – siehe Punkt 1.
Eine würdige Auseinandersetzung mit den beiden Diktaturen im Schulalltag und im Zuge einer Jubiläumsveranstaltung wäre durchaus denkbar gewesen. So hätte beispielsweise ein Historienspiel entworfen und aufgeführt werden können, in dem die so geliebten Uniformen hätten getragen und deren politische Funktion zugleich problematisiert hätte werden können. Man hätte auch über den Terror der Lehrer gegenüber den Schülern in der Weimarer Republik und schlimmer noch in der Nazizeit berichten können. Da wäre es auch ein schöner Kontrapunkt zu Gunsten der DDR gewesen, wenn man aufgezeigt hätte, daß ab etwa 1950 das Prügeln an den Schulen zumindest stark zurückgedrängt wurde. Das allerdings würde natürlich einiges Nachdenken und Recherchieren erforderlich gemacht haben, was den Schüler in dem eng gesteckten und rein an Abiturleistung orientierten 12jährigen Gymnasium nicht mehr zugemutet werden kann und den Lehrern offenbar nicht einmal in den Sinn kam. Geschichte kann so spannend und lehrreich sein; Festumzüge sind es weniger und die unreflektierte Darbietung von Uniformen gelegentlich solche Umzüge ist es schon gar nicht.
Update
Jetzt hat sich die OZ der Sache angenommen (online leider nur für Abonnenten):
Seit Tagen spitzt sich ein Streit um den Festumzug zum 450-jährigen Jubiläum der Stadtschule Anfang April zu. Diskussions-Punkt: Dürfen bei einem Festumzug, in dem die Epochen der Schulgeschichte dargestellt werden, auch Schüler im FDJ-Hemd mitlaufen? Und falls ja, müsste dann nicht auch die Nazi-Zeit dargestellt werden? Rechtsanwalt Ulrich Lichtblau ist entsetzt über die ursprünglichen Pläne der Schule, die DDR-Epoche darzustellen. „Das ist eine Glorifizierung einer menschenverachtenden Zeit, in der viele Leute vom System verfolgt wurden“, so seine Kritik, die er auch auf dem Internetblog der Greifswalder Grünen veröffentlichte. Dort wird seitdem heftig gestritten. […] (Schulleiter Bernd Albrecht ) wendet sich jedoch vehement gegen die Kritik in Form gefälschter Aushänge in der Schule, in denen sein Name missbraucht wird, genauso wie gegen die „Diffamierungen“ auf dem Internetblog der Grünen. „Ich finde es erschütternd, dass eine demokratische Partei, die zahlenmäßig stark in der Bürgerschaft vertreten ist, das auf dem Blog veröffentlicht“, moniert Albrecht. Die Kritik weist Grünen-Kreischef Ulrich Rose zurück. „Es ist eine sehr gute Sache, dass es die Debatte auf dem Grünen-Blog gibt“, so Rose, der es als „absolut diskussionswürdig“ ansieht, ob die HJ ausgeklammert wird, die FDJ jedoch nicht. Er würde sich wünschen, dass es eine Generaldebatte über den Umgang mit der jüngeren Geschichte in die Aula gibt.
2. Update:
Die Diskussion bleibt lebendig. Leserbrief auf Leserbrief auf Leserbrief…
zum Leserbrief von Frau Schumann, OZ 24.5.
In ihrem Leserbrief verklärt Frau Christiane Schumann die Geschichte, indem sie behauptet, daß die Bildung in der DDR von einer intensiven Friedenserziehung geprägt war. Das Gegenteil war der Fall. Ein Beispiel ist der 1978 in der 9. und 10. Klasse eingeführte Wehrkundeunterricht. Neben den 4 Doppelstunden im Schuljahr mussten die Jungen am Ende der 9. Klasse zur vormilitärischen Ausbildung 2 Wochen ins Wehrlager. Dort mussten die Schüler mit Kleinkalibergewehren auf Zielscheiben mit menschlichen Umrissen schießen. Für wen diese Umrisse standen, wurde im Politunterricht deutlich gesagt: sie galten dem Klassenfeind, der sich westlich der Staatsgrenze der DDR befand.
Die Mädchen und unwillige Jungen hatten in dieser Zeit an der Zivilverteidigung teilzunehmen. Wesentlicher Bestandteil war auch hier die ideologische Schulung im Sinne des Klassenkampfes. Und auch die FDJ war keine harmlose Jugendorganisation. Anfang der 1960er Jahre stiegen FDJler auf die Hausdächer und entfernten private, nach Westen ausgerichtete Antennen, um den Empfang des Westfernsehens zu verhindern.
schreibt Michael Spiller aus Greifswald
Leserbrief zum Thema „Bildung in der DDR war vom Frieden geprägt“.
Die Bildung in der DDR war nicht vom Frieden geprägt, sondern war paramilitärisch geprägt. Das belegt eine Ausgabe der „Ostseewelle“ (SED-Zeitung) vom 19.10.1971 dort Seite 4/5, die mir vorliegt. In diesem Artikel wird über die Ausbildung von Betriebsschülern berichtet, in welcher diese als „Hundertschaften ..(im).. Zeltbau,(in der) Schießausbildung, Funkausbildung, Schutzausbildung…“ unterwiesen wurden. Es ist auch kein Geheimnis, dass Handgranatenweitwurf geübt wurde. Alle Schüler, Jungen wie Mädchen, ab einem gewissen Alter waren verpflichtet in der GST solche Übungen durchzuführen. Eine derartige Ausbildung dient wahrhaftig nicht dem Frieden. Dieserlei Art der Ausbildung von Schülern war in der Bonner BRD unbekannt. Fünfzig Millionen Menschen wurden durch alle Deutschen und Deutsch-Österreicher als Nazis gemordet, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen. Historisch aufgearbeitet wurde dieses Thema in der DDR durch das Dogma der Befreiung vom Faschismus nicht. Verbrechen gegen die Menschlichkeit fanden in der DDR statt, auch das ist unbestritten. Insofern hat Ulrich Lichtblau Recht, wenn er eine Parallele zwischen der FDJ- und der HJ Uniform zieht. Wenn man Geschichte in einem Umzug in diesem Teil Deutschlands ehrlich darstellen will, kann man schlechterdings die Nazizeit genauso wenig ausblenden, wie die DDR-Zeit. Schule allerdings sollte den Geist und nicht die Füße bewegen, deshalb schlage ich eine Geschichtswerkstatt zur Aufarbeitung vor.
Dr. Henning Herzberg
Ein Kommentar unter dem Beitrag hat wohl nicht gereicht? Dann bestehe ich auch auf das ‚ck‘, alternativ gebe ich mich auch mit meinem alias als Anrede zufrieden.
Ohne jetzt auf eine eigentlich notwendige Ideologiediskussion einsteigen zu wollen, möchte ich darauf hinweisen, dass du dir eine Antwort bereits selbst gegeben hast, wenn du schreibst:
Natürlich kommt es nicht darauf an, sondern auf die grundsätzliche Unterschiedlichkeit von FDJ und HJ.
Ein paar einfache Fragen, die Aufschluss über den Geist der Organisationen geben:
– Wurden der FDJ hilfspolizeiliche Aufgaben übertragen?
– Ist die FDJ in Trupps durch die ostdeutschen Städte gezogen und hat zeitgemäße Oppositionelle wie z.B. Christen oder Punks drangsaliert, zusammengeschlagen und gedemütigt?
– Gehen auf das Konto der FDJ sogenannte Endphaseverbrechen?
RAL, deine pauschale Gleichsetzung faschist. Diktatur= sozialist. Diktatur ist zum Kotzen. Aber sicher deiner Herkunft oder/und deinem Alter geschuldet. Wird schließlich pausenlos von (fast) allen Parteien per Massenmedien suggeriert.
Aber deine Gedanken zum Festumzug finde ich bedenkenswert. Ich denke der „Aufruf zum Aufmarsch“ war ganz einfach die Aufforderung an die Klassen, sich mit historischen Kostümen am Festumzug zu beteiligen. Sicher mit dem (illusorischen) Hintergedanken, dass sich die Schüler dabei mit dem Inhalt z.B. der Jugendarbeit im FDJ-Hemd auseinandersetzen würden. Du hast aber recht: eine direkte Auseinandersetzung wäre auch m.E. hundertmal besser gewesen. Wenn sie denn differenziert erfolgen würde, und nicht einer pauschalen Vorverurteilung wie bei dir unterworfen wäre.
Lieber Herr RAL,
offensichtlich hat Sie mein zarter Appell von heute Morgen über den Blog-Administrator zu Ihrem ersten Beitrag nicht erreicht, noch schlimmer Sie haben ihn nicht verstanden oder nicht verstehen wollen. Eigentlich könnte ich es mir ja einfach machen und Ihnen zu dem Thema die Satisfaktionsfähigkeit absprechen. Sowohl Ihr erster Beitrag zum Thema, als auch dieser bewegen sich auf übelstem „Bild-Niveau“. Auf die Greifswalder Verhältnisse umgemünzt, treten Sie erfolgreich mit Bauer, Zink, Weller, … in den Wettbewerb um die Denunzierung der DDR-Biografien, die diese so schön und oft in OZ-Leserbriefen ausleben. Zink und Weller sind dabei so glaubwürdig wie Sie, da alle die objektive Realität unseres gesellschaftlichen Lebens an eigener Seele und eigenem Leibe erfahren haben.
Wir brauchen hier keine Missionare, wenn Sie das in 20 Jahren nicht begriffen haben, werden Sie es auch in 450 Jahren nicht lernen, um mal Ihre eigenen Schlagworte zu verwenden.
Es ist unerlässlich, dass die Grünen beantragen ein Dezernat für „DDR-Teufelsaustreibung“ im Rathaus einzurichten. Sie wären natürlich die 1. Wahl für diesen Posten.
Es muss doch möglich sein jegliche Erinnerung an die „teuflische DDR“ unter Strafe zu stellen!
Morgen kann ich Ihnen hier gerne ein paar Vorschläge zur erfolgreichen Exekution offerieren.
Meine Vorredner haben schon das Wesentliche gesagt, ich möchte aber auch aus grüner Perspektive betonen, dass eine Gleichsetzung von Nationalsozialismus und DDR voll daneben ist.
Nun weil jemand berechtigterweise an Diktaturen etwas zu kritisieren hat, darf das nicht dazu führen, dass daraus ein „alles die gleiche extremistische Scheiße“ wird, wenn man nicht nur oberflächlich sein will.
Vielen Dank an Peter. Ich finde auch, dass mensch dieses Schulfest nicht wichtiger nehmen sollte, als es ist. Ich schätze mal, es gehört zu jenen Veranstaltungen, von denen ein Großteil der Akteur_innen zwar total genervt ist und der Bezug zum Bildungsuftrag nur schwer erkennbar ist. Andrerseits ist eine solche Situation eben auch sehr realitätsnah in einer Welt, in der mensch immer wieder zu sinnlosem Pillepalle genötigt wird. So gesehen ist der Bildungsauftrag also doch erfüllt.
Und über Schulleiter Albrecht zu diskutieren lohnte ja vermutlich wirklich. Dies sollte allerdings nicht auf den falschen Schauplätzen geschehen.
aha, RAL ist von der OZ enttarnt. Ich wusste es ja, nur ein eingefleischter Wessi kann so borniert DDR und FDJ betrachten. Aber ein Jurist sollte doch ein bisschen sachlicher sein.
mit dieser erklärung des verhaltens machst du es dir dann doch recht einfach. das finde ich wiederum borniert.
Wozu es allenfalls keines Rückgrats braucht ist: Denunziation.
Nebenbei: ich habe in der DDR (Ostzone) seit September 1951 die Schule besucht und nie von Prügeln auch nur gehört. Man darf(auch wenn man sich das, in einem freiheitlich demokratisch verfassten Staatswesen sozialisiert, schwer vorstellen kann) getrost davon ausgehen, dass, wenn in einer „Diktatur des Proletariats“ (Ostzone) 1949 etwas abgeschafft wurde, es auch wirklich abgeschafft wurde! Nicht also, wie RAL vermutet: „daß ab etwa 1950 das Prügeln an den Schulen zumindest stark zurückgedrängt wurde.“ Ob diese Vermutung tendenziös ist, oder aus der Übertragung von Erfahrungen aus Bayern herrührt, kann nur durch RAL selbst geklärt werden…
„In der DDR wurden Körperstrafen an den Schulen 1949 abgeschafft, 1973 auch in der Bundesrepublik Deutschland. Jedoch erklärte noch 1979 das Bayerische Oberste Landesgericht, dass „im Gebiet des Freistaates Bayern … ein gewohnheitsrechtliches Züchtigungsrecht“ besteht. 1980 wurde die Prügelstrafe an Schulen auch in Bayern abgeschafft.“
Es war nicht alles schlecht in der ehemaligen BRD…
Stimmt Gregor! Zum Beispiel kann ich mich an ein tolles Schoko-Stangen-Eis für zwanzig Pfennige erinnern, das mir mein Großvater 1954 auf einem Hamburger Hafenrundfahrts-Kahn spendierte. Das gab es damals in jenen Gegenden aus eisgekühlten Eistruhen auf unmotorisierten Rädern vielerorts. Die Entwicklung auf dem freien Markt ist darüber hinweggegangen. Heute gibt es nichts dem Entsprechendes mehr. Allenfalls von der gleichen Firma für mindestens den zwanzigfachen Preis ein überteuertes, überzuckertes und überdimensioniertes – wie es der geheimnisvolle Name schon andeutet – Magnum! Und da haben wir es wieder: Nichts währt ewig – auch nicht das Gute aus der Zeit, da im Westen noch heile Welt war!
[…] – nach 450 Jahren nichts dazu gelernt“, scheint nach der angestoßenen Debatte auch nichts dazu gelernt zu haben, beziehungsweise bislang noch keinen ernsthaften Vergleich zwischen der Hitler-Jugend und der FDJ […]
[…] – nach 450 Jahren nichts dazu gelernt“, scheint nach der angestoßenen Debatte auch nichts dazu gelernt zu haben, beziehungsweise bislang noch keinen ernsthaften Vergleich zwischen der Hitler-Jugend und der FDJ […]
[…] zuwenden, wollen wir Tacheles reden. Ermutigt und angeregt durch die Diskussionen sowohl hier im Blog als auch in der OZ hat sich der Kreisverband Greifswald-Uecker-Peene von Bündnis 90/Die Grünen […]
Endlich, jetzt wächst zusammen, was zusammengehört: Grüne Wünsche und schwarze Umnachtung!
http://www.svz.de/nachrichten/home/top-thema/article//-5da38bff4d.html#CommentStart
Da gibt es ja einen starken Koalitionspartner und Bruder im Geiste in dieser Sache. 😉
Anm.: Der Beitrag der SVZ verschwindet nach einer Woche aus dem Online-Angebot, die Kommentare bleiben wohl.