Alkohol und Tabak gehören zum Existenzminimum

Ein Satz, dem – so glaube ich – nicht alle zustimmen wollen oder können. Sollten sie aber…

Die Bundesregierung war vom Bundesverfassungsgericht verpflichtet worden, das Existenzminimum im SGB II (Hartz IV) und im SGB XII neu und nachvollziehbar zu berechnen. Dies ist nach langem Hin und Her und unwürdigem Geschacher zwischen Regierung und SPD dann Anfang des Jahres geschehen.

In bester populistischer Manier wurden bei der Berechnung, als man feststellte, dass die Regelsätze (oder Regelbedarfe, wie es jetzt heißt) nach Ansicht der Regierung zu hoch ausfallen würden, kurzerhand die Ausgaben für Tabak und Alkohol (und anderes) gestrichen. Tabak und Alkohol
gehörten nicht zu einer menschenwürdigen Existenz, hieß es und viele stimmten zu. Lässt sich sicherlich auch drüber streiten, das Problem ist indes ein anderes. Die Streichung trifft nicht nur die Raucher und Alkoholkonsumenten unter den ALG II-Berechtigten, sondern alle. Für alle reduziert sich durch diese Streichung der Regelbedarf.

Das liegt bereits an der Grundentscheidung, in welcher Art und Weise das Existenzminimum berechnet wird. Es gibt im Wesentlichen zwei Modelle mit Nuancen im Einzelnen: Berechnung nach einem fiktiven Warenkorb oder statistisch ermittelt. Seit geraumer Zeit entscheidet man sich für die Statistikmethode, da der Warenkorb zu viele Wertungen zulässt (Gehören Vollkornnudeln zum Existenzminimum oder reichen billige Eiernudeln? Bio-Milch oder nicht? Und, wer legt das fest?).

Bei der Statistikmethode wird das Einkommen und das Ausgabeverhaltender unteren 20% der Bevölkerung ermittelt – Einzelheiten und Widersprüche lasse ich mal weg – und daraus das Existenzminimum errechnet. Diese Bevölkerungsgruppe zeichnet sich dadurch aus, dass sie nahezu ihr gesamtes Einkommen in den Konsum stecken muss. Die befragte und statistisch erfasste Bevölkerungsgruppe wird noch in diverse Gruppen (Alleinstehende, Alleinerziehende, Paare, Familien mit ein, zwei oder mehr Kindern) aufgeteilt, um ein möglichst breites Spektrum zu untersuchen, dass sich so auch bei ALG II-Berechtigten wiederfindet. Nach Konsumverhalten wird nicht unterschieden.

Betrachten wir nun mal, als Beispiel und mit fiktiven Zahlen, die Alleinstehenden. Angenommen, ihnen stünden 180 Euro für Ernährung, Bekleidung und eben Tabak und Alkohol zur Verfügung. Da aber nicht nach Konsumverhalten unterschieden wird, fließt nur der Durchschnitt in die Berechnung des Existenzminimums ein. Beispiel: Nichtraucher und Abstinenzler geben 130 Euro für Ernährung und 50 Euro für Bekleidung aus. Da den Rauchern auch nur 180 Euro zur Verfügung stehen, geben diese in unserem Beispiel eben nur 100 Euro für Ernährung, 50 Euro für Bekleidung, aber 30 Euro für Tabak und ein gelegentliches Glas Wein aus. Der Durchschnitt ist bei beiden Gruppen, die statistisch nicht getrennt erfasst werden, jeweils 180 Euro. Werden jetzt die Ausgaben für Tabak und Alkohol, da angeblich nicht zum Existenzminimum gehörend, auf der einen Seite gestrichen, errechnet sich ein Durchschnitt von 165 Euro (Durchschnitt aus 180 zu 150). Alle, auch die Nichtraucher und Abstinenzler, haben weniger zum Leben.

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