BDK Hannover: Bitte keine Legendenbildung

Ich durfte auf der Bundesdelegiertenkonferenz von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN am vergangenen Wochenende in Hannover den Kreisverband Vorpommern-Greifswald als Delegierter vertreten.
Im ersten Teil meiner diesbezüglichen Kommentierungen möchte ich mich mit Personen befassen. Dann habe ich das hinter mir und kann anschließend zu Inhalten schreiben.
Wir wählten unseren Bundesvorstand neu. Da es keine konkurrierenden Kandidaturen gab, war allenfalls das Ranking der prozentualen Zustimmung beziehungsweise der Vergleich mit früheren Wahlen interessant. Der Umstand, dass es weder personelle Wechsel noch Konkurrenz gab, hatte dabei auch damit zu tun, dass in einem Jahr aufgrund der für vier der sechs Vorstandsmitglieder verpflichtenden Trennung von Amt und Mandat ein größerer Umbruch zu erwarten ist. Die bislang mandatslosen Cem Özdemir, Steffi Lemke und Malte Spitz wollen in den Bundestag. Die Mandatsträger_innenquote wird derzeit durch Claudia Roth und Astrid Rothe-Beinlich bereits ausgeschöpft.
Interessanter waren die Wahlen zum Parteirat. Diesem Strategiegremium gehören die beiden Vorsitzenden, die politische Geschäftsführerin sowie 13 weitere Personen an. Für diese 13 weiteren Plätze bewarben sich 16 Grüne, es gab also Auswahl.
Deswegen konnte es auch nicht ausbleiben, dass drei Bewerber_innen am Ende nicht gewählt wurden. Dass es Anja Siegesmund traf, kam nicht überraschend, weil der verhältnismäßig kleine Landesverband Thüringen mit Katrin Göring-Eckardt und Astrid Rothe-Beinlich auf der grünen Bundesebene bereits gut vertreten ist. Daniel Köbler aus Rheinland-Pfalz fehlten lediglich acht Stimmen gegenüber Johannes Remmel (Minister aus NRW), das darf man schon als Pech bezeichnen.
Darüber ist wenig zu lesen, denn die Medien stürzten sich auf die Nichtwiederwahl ihres Lieblings Boris Palmer. Und damit ist auch schon ein wesentlicher Grund genannt, weswegen der Oberbürgermeister von Tübingen bei dieser Wahl eine Mehrheit verfehlte. Die Art und Weise, wie Boris Palmer öffentlich, oft über Interviews zur Unzeit, kontroverse Positionen vertrat und diskutierte, wurde von vielen Grünen als wenig hilfreich empfunden. Polarisieren muss nicht notwendigerweise falsch sein, aber wenn sie mit dem Anspruch der Marginalisierung innerparteilicher Gegner_innen verbunden wird, hilft sie der grünen Sache nicht weiter.
Mit einer „Kampagne“ hatte die verfehlte Mehrheit an dieser Stelle also nichts zu tun, mit den drei Fragen, die am Samstagabend gezogen wurden, schon gar nicht. Davon waren zwei offensichtlich undurchdacht, und auf die dritte von Maik Babenhauserheide hat Boris zwar unzureichend (und unzutreffend) geantwortet, ausschlaggebend war das alles aber nicht mehr.
Gleichzeitig gilt hier aber dasselbe wie für die unterschiedliche Bewertung von Claudia Roth als mögliche Spitzenkandidatin einerseits und als Parteivorsitzende andererseits: Wir Grünen sehen uns genau an, für welche Funktion sich Menschen bewerben. Mir und vielen anderen hat Boris Palmers Auffassung von Parteiratsarbeit nicht gefallen. Schlüsse hinsichtlich seiner Arbeit in anderen Funktionen lassen sich daraus aber keinesfalls ableiten. Über die Erfolge des Tübinger Oberbürgermeisters in Sachen Klimaschutz, Haushalt, Verkehrswende oder Kinderbetreuung haben wir nicht abgestimmt, auch nicht über die aus meiner Sicht verfehlten Ansätze in den Bereichen Ordnungspolitik und Soziokultur, Stichwort „Alkoholverbote“.
Die Ergebnisse der Wahlen zum Parteirat drückten zum einen den Wunsch aus, jungen Leuten, die die grünen Diskussionen der letzten Zeit bereichert haben, Verantwortung zu übertragen. Dafür stehen die guten bis sehr guten Ergebnisse von Gesine Agena, Annalena Baerbock und Rasmus Andresen. Auch das „europäische“ Profil der genannten drei dürfte sich positiv ausgewirkt haben. Die ebenfalls beachtlichen Resultate von Stimmenkönigin Bärbel Höhn sowie von Gerhard Schick drücken die Anerkennung gegenüber der fachpolitischen Arbeit in der grünen Bundestagsfraktion aus.
Damit sind wir personell, wie man heutzutage wohl zu sagen pflegt, unendlich „gut aufgestellt“.

2 Kommentare bei „BDK Hannover: Bitte keine Legendenbildung“

  1. Guter Kommentar. Grüße aus Brandenburg in den Norden!

  2. […] meinen Kommentaren zum grünen Spitzenpersonal möchte ich die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, auch zu den inhaltlichen Beschlüssen der […]

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