Mein Schlüsselprojekt (III): „Wirtschaftswachstum ist nicht das Maß der Dinge – neue Indikatoren für Wohlstand und Lebensqualität“

von Michael Schöner, Sassen-Trantow

Seit seiner Einführung 1967 gelten die Inhalte des Stabilitätsgesetztes als „Magisches Viereck“. Magisch deswegen, weil seine Inhalte – „Stabiles Preisniveau“, „Hoher Beschäftigungsgrad“, „Außenwirtschaftliches Gleichgewicht“ und „Angemessenes, stetiges Wirtschaftswachstum“ – nur schwer miteinander in Einklang zu bringen sind. Wie etwa sollte eine hohe Beschäftigungsrate mit stabilen Preisen vereinbar sein? Noch komplizierter wurde es, als das Viereck zu einem Sechseck erweitert werden sollte: zu den bisherigen Zielen sollten die Punkte „Erhaltung einer lebenswerten Umwelt“ und „Gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung“ kommen.
Nicht erst seit der Club of Rome 1972 seine berühmt gewordene Studie „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlichte, sollte eigentlich jedem klar sein, dass es kein unlimitiertes Wachstum gibt. Biologisch gesehen etwa wächst eine Tierpopulation solange, bis sie ihre Grenzen – meist limitierte Umweltressourcen – erreicht, danach schrumpft sie wieder oder geht im Extremfall vollständig unter. All diesen Warnungen zum Trotz setzt Deutschland bis heute auf das Schlagwort des angemessenen, stetigen Wirtschaftswachstums.
Gemessen wird solch ein Wachstum mittels des Bruttoinlandsprodukts (BIP), d.h. allen Waren und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres in Deutschland hergestellt wurden. Es gibt keinerlei Auskunft über den Wohlstand einer Gesellschaft – weder materiell, noch nach persönlicher Befindlichkeit oder Zufriedenheit. Das BIP gibt auch keine Informationen darüber, wem zu Lasten dieses stetige, angemessene Wirtschaftswachstum erkauft wurde.
Überhaupt ist fraglich, für wen solch ein Wachstum angemessen sein kann. Für die breite Bevölkerung? Doch warum haben wir dann schon jetzt eine Dreiklassengesellschaft erreicht, wobei die Schere zwischen dem reichsten Prozent der Einwohner Deutschlands und dem Rest weiter auseinandergeht? Für unsere Umwelt und vor allem für die unserer Kinder? Doch auf deren Kosten wird dieses Wachstum erkauft. Wir beuten Ressourcen aus, selbst wenn sie keinerlei Gewinn bringen und wir und unsere Umwelt damit nachhaltig geschädigt werden. Die Aktualität dieses Problems zeigen etwa die Fracking-Pläne der FDP und der Industrieverbände. Und dies, obwohl die Regierungsberater ausdrücklich vor den Schäden warnen, die durch die bis zu 1000 hochgiftigen Chemikalien zur Erschließung des Schiefergases hervorgerufen werden können. Und, obwohl schon jetzt klar ist, dass dieses Gas weder zur Versorgungssicherheit noch zu einem allgemeinen stabilen Preisniveau beiträgt.
Wem also nützt solch ein Wachstum? Nur denen, denen es bereits in der Vergangenheit genutzt hat. Den wenigen also, die sich damit auf Kosten anderer bereichern. Diese anderen, das sind die gesamte gegenwärtige und besonders zukünftige Menschheit und ihre Umwelt, konkret: die gesamte heutige und morgige Welt mit allem, was darin vorkommt – oder eben nicht mehr vorkommt, weil es einem „grenzenlosen“ Wachstum Platz machen musste. „Ist Wachstum mit Umweltzerstörung und Ungerechtigkeit erkauft, macht uns das unter dem Strich sogar ärmer“ (Schrägstrich 02/13, ME8).
Wir Grüne haben zusammen mit der SPD und den Gewerkschaften als „Denkwerk Demokratie“ ein neues, ein magisches Tetragon entwickelt, das ganz im Sinne der Nachhaltigkeit steht. Unsere vier zu erreichenden Ziele lauten: „Nachhaltigkeit der Staatstätigkeit und der Staatsfinanzen“, „Materieller Wohlstand und ökonomische Nachhaltigkeit“, „Ökologische Nachhaltigkeit“ und „Soziale Nachhaltigkeit“. Im Gegensatz zum alten magischen Viereck arbeiten diese Ziele aber nicht gegeneinander, sondern sind langfristig sogar nur zusammen erreichbar. Nur eine verantwortungsbewusste Finanz- und Bankenpolitik kann materiellen Wohlstand aufrechterhalten. Nur das Einbeziehen aller Bevölkerungsschichten kann nachhaltig zu sozialer Chancengleichheit führen. Nur eine soziale Teilhabe am öffentlichen Leben wird dazu führen, dass unsere Umwelt als schützenswert erkannt wird und dass Politik nicht die Willkürherrschaft derer da oben meint. Umgekehrt kann nur das Leben in einer lebenswerten Umwelt verhindern, dass für zukünftige Generationen die Kluft zwischen Arm und Reich nicht noch weiter auseinanderdriftet und einzelne Bevölkerungsteile zur Radikalisierung neigen.
Im Rahmen des „Green New Deals“ soll als neuer Maßstab der „grüne Wohlstandskompass“ dienen. Er bewertet neben den Wachstumsraten (gemessen an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit) auch Veränderungen in den Bereichen „Ökologie“ (gemessen am Natur- und Ressourcenverbrauch), „Soziales“ (gemessen an der Einkommensverteilung) und gesellschaftliche Dimensionen (gemessen an der Zufridenheit). Nur dies wird uns und den kommenden Generationen zeigen, wie „gut“ es der jeweiligen Gesellschaft geht und wo ihre Mängel liegen.

Zum Weiterlesen:
http://www.gruene-bundestag.de/themen/umwelt/der-wohlstandskompass_ID_4387118.html
http://www.boell.de/oekologie/marktwirtschaft/oekologische-marktwirtschaft-green-new-deal-6656.html
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/nachhaltigkeit-statt-wachstum-spd-und-gruene-entwerfen-grundlegend-neue-wirtschaftspolitik-1.1598701

In einem Mitgliederentscheid am 8. und 9. Juni entscheiden alle Bündnisgrünen, welche zehn Schlüsselprojekte zur Bundestagswahl 2013 besonders hervorgehoben werden:
http://gruener-mitgliederentscheid.de/
Der Kreisverband Vorpommern-Greifswald veröffentlicht in diesem Blog Artikel von Mitgliedern, in denen für eines oder mehrere Projekte geworben wird.

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