Volksgesundheit *Update*

Während sich die Sarrazins, Mißfelders, Metzgers und Horns dieser Republik noch Sorgen darüber machen, dass jede Erhöhung der Regelleistung beim ALG II ein Anschub für die Tabak- und Spirituosenindustrie sei, ist die Bundesregierung schon weiter. Nach einem Bericht von RP-online sollen „Ausgaben für Alkohol und Tabak künftig grundsätzlich nicht mehr für die Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze herangezogen“ werden. Da bekanntlich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 09.02.10 die Regelleistung neu berechnet werden muss, und zahlreiche Stellungnahmen, u.a. der Diakonie, von einer Regelleistung deutlich über 400 Euro (derzeit 359 Euro) zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums ausgehen, erklärt man einige Positionen nicht mehr zum Bedarf zugehörig. So einfach ist das. Und das, obwohl das Konsumverhalten der Bevölkerung im unteren Fünftel der Einkommen für die Berechnung herangezogen muss.

Das kann aber auch noch weiter gedacht werden:

„Die Unterbringung von ALG II-Empfängern in Gemeinschaftshäusern, wo dann die Mütter in Eigeninitiative (die wird bei uns ja viel zu wenig ausgeübt) Betreuungsgruppen bilden, während alle arbeitsfähigen ALG II-Empfänger zur nächsten Firma gefahren werden, wo sie für 0 Euro arbeiten, jedoch dafür Kost und Logis im Gemeinschaftshaus erhalten (durch körperliche Ertüchtigung und strenge Rationierung von gesunder Kost würden auch die Krankenkosten sich in Grenzen halten). Soziale Kontakte, Bildung, Kommunikation – all das könnte man regeln und vielleicht würde sogar die Firma dann für die Unterbringung zahlen, käme immerhin noch günstiger als eine normale Vollzeitstelle zu zahlen. So hätten alle etwas davon: die Firma (ist nicht alles, was die Wirtschaft am Leben hält, gemeinnützig?), die ALG IIler, die sich endlich wieder als Mitglied der arbeitenden Gesellschaft sehen können und natürlich jene, die sowieso meinen, dass nur die Kranken und Hilflosen Gelder vom Staat bekommen sollen, während der Rest auch für 0 Euro arbeiten könnte um zurückzuzahlen, was die Gesellschaft ihm zahlt. Da aber allzuschnell das Wort „Arbeitslager“ fällt, wird so weit niemand gehen, obwohl imho genau dahin die Reise geht: ein Heer von Billig- bis Nulllohnarbeitskräften, das sich durch „Maloche für Lau“ seine Akzeptanz innerhalb einer (Parallel)gesellschaft verdient weil ja nur der, der arbeitet, auch essen soll. Mehr bei Telepolis…

Update: Wir reden über ca. 14 Euro, die in der monatlichen Regelleistung für Tabakwaren und Alkoholika vorgesehen sind. Siehe hier

13 Kommentare bei „Volksgesundheit *Update*“

  1. Dessen ungeachtet bin ich im Sinne der Vorbildfunktion dennoch weiterhin dafür, auf Empfängen und ähnlichen aus öffentlichen Haushalten finanzierten Veranstaltungen generell auf die Bereitstellung von Alkoholika zu verzichten. So manch einer gewöhnt sich im Amte schnell daran, sich bei solchen Anlässen routiniert durchzusaufen.

  2. Herr Kochhahn, haben Sie als Referent der Diakonie eigentlich noch direkten Kontakt zu den Harzt-IV-Empfängern, oder beschäftigen Sie sich bloß in Ihren Haßtiraden auf den Staat mit dieser Bevölkerungsgruppe?
    Ich finde es erschreckend, wie viele junge Leute sich erstaunlich gut in diesem System eingerichtet haben, Leute die noch nie gearbeitet haben. Warum idealisieren Sie diese Leute? Wo bleibt der Anreiz, das diese Leute dazu angehalten werden das zu machen, was eigentlich das Ziel eines jeden sein sollte: Für seinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Und in Arbeit auch einen LEBENSINHALT und Befriedigung zu sehen? Davon höre ich von Ihnen kein Wort!
    Wissen Sie, wie hoch der Prozentsatz bei Hartz-IV-Empfängern ist, die rauchen? Man muß doch nicht so tun, als wären das alles Vorurteile! Und warum muß Alkohol- und Zigarettensucht auch noch staatlich gefördert werden? Bei manchen reichen 14€ nicht mal für 3 Tage!
    Und wenn Sie sich immer zu niedrige Regelsätze aufregen können Sie mir sicherlich auch erklären, warum Kinder von Leistungsempfängern das Mittagessen in der KiTa nicht bezahlen müssen? Ich dachte immer, der Betrag für Essen wäre in den Regelsätzen enthalten? Sehen Sie es nicht als problematisch an, das jemand der voll arbeiten geht, nach Abzug dieser ZUSÄTZLICHEN Förderung (KiTa-Beiträge,KiTA-Essen,Miete etc.) teilweise weniger Geld zur freien Verfügung hat als jemand der gar nicht arbeiten geht? Man darf nicht immer nur über angeblich zu niedrige SOzialsätze meckern, man muß auch einmal sagen, wie Ihrer Meinung nach Anreize aussehen sollen, damit sich jemand um Arbeit bemüht, und zwar ehrlich bemüht.

    1. „…warum Kinder von Leistungsempfängern das Mittagessen in der KiTa nicht bezahlen müssen?…“

      Tja, warum? Mein Vorschlag: Nehmen Sie sich mal einen Taschenrechner und subtrahieren von 359 € die 20 Mittagessen im Monat (pro Kind).

      Die Antwort finden Sie dann in Rechenergebnis.

    2. Nur kurz: Der Betrag für Ernährung für Kita-Kinder liegt bei den jetzigen (verfassungswidrigen) Regelleistungen bei ca. 2, 80 Euro pro Tag, und zwar nicht nur für das Mittagessen.
      Im Übrigen bezieht sich meine Kritik darauf, dass die Regelleistung zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums (Bundesverfassungsgericht: ein Grundrecht!) sich am Konsumverhalten ausrichten muss und deshalb nicht willkürlich einzelne Posten gestrichen werden dürfen. Oder wie das Bundesverwaltungsgericht formuliert: Niemand darf in der Umgebung von Nichtleistungsempfängern auffallen.
      Landesrechtliche oder kommunale Vergünstigungen sollten nach meiner Meinung auch Geringverdienern zustehen. Dann würden sich einige angebliche Probleme von selbst lösen.
      Ach ja: Wenn Arbeit auch LEBENSINHALT und Befriedigung bedeutet, dann braucht es mich doch nicht zu kratzen, dass ich dafür, dass ich einen der seltenen Arbeitsplätze besitze, ein wenig drauflege, oder?

  3. Wieviel ist denn im Regelsatz für das Mittag enthalten? Wenigstens dieser Satz müßte doch in Ansatz gebracht werden, schon um eine Schlechterstellung der Kinder die keine KiTa besuchen zu vermeiden. Ganz abgesehen von den Eltern, die KiTa-Beiträge und das Essen bezahlen müssen (auch das gibts noch in Greifswald!).

    1. Der „Blechredner“, der Inbegriff des deutschen Kleinbürgers, der den sozial Schwachen weder Heller noch Pfennig gönnt. Willkommen in der Kohorte der Bonsai-Sarrazins, die plötzlich nach Umfragen und in den Kommentarspalten 50-85% der Deutschen ausmachen sollen. Ich will es nicht glauben, muss es aus den Kommentaren der Presse und anderen Medien aber erst einmal so hinnehmen.
      Man nennt es auch Sozialneid
      http://www.welt.de/wams_print/article2406684/Wenn-aus-Sozialneid-eine-Sozialwut-wird.html
      Vielleicht verbirgt sich ja hinter dem „Blechredner“ … Friedrich Thießen, ein Professor aus Chemnitz, (der) angeblich ermittelt, dass der Hartz-IV-Satz auf 132 Euro im Monat gesenkt werden könne. …“
      Es widert mich eigentlich an auf anonyme Kommentare überhaupt zu reagieren, hier wird aber inzwischen mein Maß der Erträglichkeit überschritten.
      Entschuldigung!

  4. Sehr geehrter Herr Peters, können Sie eigentlich außer Beleidigungen von sich zu geben, vielleicht auf meine Fragen antworten? Mit Sozialneid hat es doch wohl eher zu tun, wenn immer wieder auf die angeblich besser verdienenden eingedroschen wird,die immer weiter zur Kasse gegebeten werden können (irgendeiner muß ja ja die SOzialkosten auch bezahlen) und hier immer wieder die angeblich zu niedrigen Sozialleistungen angeprangert werden und die Regierung als unsozial dargestellt wird. Ich habe einfach mal die Frage gestellt, was mit den ganzen zusätzlichen Transferleistungen des Staates ist, die werden bei dieser ganzen Diskussion völlig außer acht gelassen. Addiert man diese mal zu den Regelleistungen dazu, ist man in Größenordnungen, die mancher normal arbeitende Mensch nicht erhält – und das erfinde ich als ungerecht, egal ob Sie es nun als Sozialneid sehen oder nicht.

  5. „Addiert man diese mal zu den Regelleistungen dazu, ist man in Größenordnungen, die mancher normal arbeitende Mensch nicht erhält – und das erfinde ich als ungerecht, egal ob Sie es nun als Sozialneid sehen oder nicht.“

    Wenn Sie normal arbeiten und dennoch so wenig verdienen, sollten Sie dringend mit Ihrem Arbeitgeber sprechen. Der, nicht die ALG 2-Berechtigten, könnte Abhilfe schaffen.

  6. Sehr geehrter Herr Kochhan,
    ich finde Ihr Verständnis von Existenzminimum etwas merkwürdig.
    ExistenzMINIMUM hißt für mich Wohnung,Essen,Kleidung und ein Minimum an Kultur.
    Ihre Auffassung von Existenzminimum ist da augescheinlich eine etwas andere. ABer wenn es Ihnen darum geht, die Leistungsempfänger so zu stellen, daß „Niemand (darf) in der Umgebung von Nichtleistungsempfängern auffallen“ darf, dann wird das auf Dauer dazu führen, das das generelle Lebensniveau abgesenkt wird. Nur wenn meine Nachbarn Mercedes fahren muß ich vom Staat doch keinen geschnekt kriegen, wenn ich mir keinen leisten kann! Wenn „die Umgebung“ dreimal die Woche ins Kino geht kann ich das trotzdem nur, wenn ich nicht darauf angewiesen bin, daß der Nachbar mir die Karte bezahlt. Und wenn ich rauchen will (Schachtel 4,70€! selbst in Polen wohl noch 2€) gehört wohl schon viel Phantasie dazu das zum Existenzminimum zu zählen.
    „Wenn Arbeit auch LEBENSINHALT und Befriedigung bedeutet, dann braucht es mich doch nicht zu kratzen, dass ich dafür, dass ich einen der seltenen Arbeitsplätze besitze, ein wenig drauflege, oder?“
    Damit habe ich prinzipiell kein Problem, aber ich lege monatlich eine ganze Menge drauf, damit andere leben können! Fürs Rauchen möchte ich nicht unbedingt etwas ausgeben!
    Und zum Glück sind Arbeitsplätze ja gar nicht so selten – immerhin ist die Mehrheit der Bevölkerung in Lohn und Brot.
    Und wenn gestern in der Zeitung zu lesen war, daß eine 19jährige ihren Körper gegen Geld tätowieren lassen will, dann fragt man sich schon, warum eine 19jährige es nicht zur Abwechslung mal mit Arbeit versuchen will. Es stand nichts davon in der Zeitung das sie totkrank und gebrechlich war. Genau das sind doch die Fälle, wo mein Verständnis (und das vieler anderer Bürger auch) arg strapaziert wird.

    1. Sehr geehrter (…, Blechritter will als Anrede nicht in die Tastatur),
      die OZ-Geschichte habe ich gelesen, in der Tat merkwürdig und arg strapazierend. Aber, unsere Gesellschaft ist durchaus in der Lage, auch die wenigen, die nicht unseren Normen entsprechen, mitzutragen.
      Wenn Sie drauflegen, dann ist das wohl im Wesentlichen den zu niedrigen Löhnen geschuldet (Lupe hat natürlich Recht).
      Dieser Verweis sei noch gestattet: http://blog.gruene-vorpommern-greifswald.de/2010/03/01/studie-arbeit-lohnt-sich-doch-mehr-als-hartz-iv/ .
      Im Übrigen biete ich gerne eine Diskussion von Angesicht zu Angesicht an….

  7. Nein, mein Lohn ist nicht zu niedrig. Ich will mich darüber auch nicht beschweren. Ich bin natürlich auch gerne bereit den wirklich bedürftigen zu helfen, aber habe trotzdem ein Problem mit Ihrer Definition des Existenzminimums. Wir leben in einem Sozialstaat (auch wenn man Ihren Vorwürfen entnehmen könnte, das wir in einem Dritte-Welt-Land leben). Jeder – egal ober er arbeitet oder nicht – soll seine Grundbedürfnisse decken können. Aber unsere Ansichten was Grundbedürfnisse sind und was nicht gehen wahrscheinlich sehr weit auseinander. Und für mich zählen Alkohol und Zigaretten nun mal nicht dazu.
    Und ich erwarte auch – auch wenn Sie das nicht hören wollen – daß jeder sich redlich bemüht seinen Lebensunterhalt selbst zu finanzieren. Mein Onkel hat mit 60 Jahren gerade eine Stelle in einem Callcenter im 3-Schicht-System angetreten. Wenn ich dann viele nicht mal 20jährige sehe, die wahrscheinlich noch nie im Leben gearbeitet haben (und leider sind es nicht nur wenige, sonst wäre es für unsere Gesellschaft ja auch überhaupt kein Problem,das zu finanzieren) dann fehlt mir wirklich das Verständnis, das diejenigen die arbeiten, diesen Leuten einen Lebensstandard finanzieren sollen,das sie in einer Umgebung von Nichtleistungsempfängern nicht auffallen.

  8. […] zum Artikel auf sueddeutsche.de. Würde zumindest zu den Äußerungen einiger unserer hiesigen Politiker […]

  9. […] bester populistischer Manier wurden bei der Berechnung, als man feststellte, dass die Regelsätze (oder Regelbedarfe, wie es […]

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