Die Deutsche Welthungerhilfe hat schwere Vorwürfe gegen die Afghanistan-Politik der Bundesregierung erhoben.
Generalsekretär Wolfgang Jamann schrieb in einem Gastbeitrag für die Zeitung „Bild am Sonntag“: „Die Bundesregierung tat lange so, als wären in Afghanistan die deutschen Soldaten als Entwicklungshelfer im Einsatz. Damit hat sie der Öffentlichkeit Sand in die Augen gestreut. Nun ist die Illusion geplatzt. Die Bundeswehr kämpft in Afghanistan an unübersichtlichen Fronten.“
[Bildunterschrift: Jamann will keine Aufbauhelfer in Uniform. ]
Die sogenannte „zivil-militärische Zusammenarbeit“ sei ein Sündenfall. „Die Aufbauprojekte der Bundeswehr sind vom Umfang her zu vernachlässigen, aber die Vermischung von Militär und Wiederaufbau hat erheblichen Schaden angerichtet: Die Entwicklungshilfe durch die Wiederaufbauteams in den Provinzen wurde als Instrument für politische und militärische Interessen missbraucht und ist sogar Teil der Militärstrategie geworden. Deshalb wird sie nicht mehr als unparteilich wahrgenommen“, schreibt Jamann. Aus der tagesschau vom 16.8.
Dr. Matin Baraki ist ein aus Afghanistan stammender Politikwissenschaftler, der an der Uni Marburg lehrt. Er reist immer wieder für längere Zeit nach Afghanistan und berichtet, dass die Situation der Menschen sich sehr verschlechtert hat. Die anfängliche Akzeptanz (die nach seinen Angaben vor allem aufgrund der in Aussicht gestellten ausländische Fördergelder vorherrschte), ist in ein massive Ablehnung gegen die Nato-Truppen und „den Westen“ in Gänze umgeschlagen. Aufbauprojekte, wie etwa Schulen, gebe es nur eine handvoll – Das seine die Prestigeprokekte, zu denen die Politiker aus dem Westen gekarrt werden. Ruppiges und anmaßends Verhalten insbesondere der amerikanischen Soldaten gegenüber der Zivilbevölkerung, Missachtung islamischer Respektsgebote, verbunden mit den zivilen Opfern der Waffengewalt, treibt immer mehr Menschen in den Widerstand. Mehr als 2000 Widerstands-Organisation sind entstanden, von denen die Taliban nur eine ist. Die „West-Feindlichkeit“ nehme dramatisch zu.
„Wir Afghanen wollen in Ruhe gelassen werden“
Dr. Baraki sieht die massive Einmischung ausländischer Streitkräfte und Geheimdienste seit den 70ern als Ursache und nicht Lösung des Problem. Um die verschiedenen, z.T. verfeindeten afghanischen Gruppierungen an einen Tisch zu bekommen, schlägt er eine Versöhnungskommission nach südafrikanischn Vorbild vor und die Anerkennung der Stammesversammlungen als entscheidungstragendes Gremien. Dort seien Vetreterinnen und Verteter aller Bevölkerungsschichten vertreten und deren Urteile werden respektiert. Karsai dagegen in der amerikanischen Ölindustrie groß geworden, durch die Nato-Truppen installiert worden und der Bruder gilt als einer der mächtigsten Drogenbarone. Die Popularität und Autorität seiner Regierung strebt daher gegen null. „Wir Afghanen wollen in Ruhe gelassen werden“, sagt Baraki. Statt der unbeliebten Nato-Truppen sollten die Organisation der Islamischen Konferenz oder die Bewegung der blockfreien Staaten für Sicherheit und demokratische Wahlen sorgen, um die interne Stabilisierung zu katalysieren.
Zum Weiterlesen: Ein älteres Interview mit Baraki z.B.hier