Über die Rechte der Greifswalderinnen und Greifswalder

 

Sehr geehrter Herr Stoldt aus Greifswald, dessen Leserbrief heute die zweite Seite der alten Tante OZ ziert,

 ich als altgedienter (seit Juli 2001) Greifswalder Bürger, bin sehr froh darüber, dass die Studierenden unserer Universität die Ernst-Moritz-Arndt-Frage wieder auf den Tisch gebracht haben! Ihr Studis nehmt dabei Euer ureigenes Recht als Angehörige der Alma mater Greifswaldensis wahr (wer, wenn nicht die Studierenden und Lehrenden einer Uni sollten über deren Namen bestimmen dürfen?).

Im Gegensatz zu meinem Mitgreifswalder Herrn Daniel Stoldt  …

(der in seinem Leserbrief Eigenartigs zum Besten gibt und „einzig und allein den Greifswalder Bürgern, die hier Jahrzehnte ihres Lebens in unserem Greifswald verbringen„ das Recht zugestehen will, über den Namen der Uni zu bestimmen – nicht wenigstens auch den Greifswalderinnen, Herr Stoldt? Sind denn Studierende nicht auch BürgerInnen der UHGW? Wer legt eigentlich fest, wie lange man in Greifswald zu wohnen habe bis bestimmte Rechte zugestanden werden können…?)

… bin ich der Überzeugung, dass wir Anstöße der Studierenden brauchen, um unsere Stadtgesellschaft lebendig zu halten. Würden wir Alteingesessenen ohne die Studis den Hintern hoch kriegen, die 1933-er Widmung der Uni wirkkräftig in Frage zu stellen?

Grundsätzlich gilt, dass alle öffentlichen Traditionsgüter von allen , die in dieser Stadt ihren Lebensmittelpunkt haben, immer wieder daraufhin geprüft werden müssen, ob sie dem Geist des offenen und menschenfreundlichen Gemeinwesens entsprechen, das wir hier, in unserer Universitätsstadt darstellen wollen. Diese Übung mag lästig erscheinen, sie sorgt aber auf vortreffliche Weise dafür, dass wir im Geiste und im Herzen gelenkig bleiben– nicht wahr Herr Stoldt?

Zu den zu überprüfenden Traditionsgütern gehört neben den Bezeichnungen für Straßen (!) und Schulen (!), nicht zuletzt auch der Name der hiesigen Universität, die in ihrer langen Geschichte die kürzeste Zeit den Namen eines xenophoben mittelmäßigen Dichters getragen hat.

Mit freundlichen Grüßen

Jörg Moritz-Reinbach

7 Kommentare bei „Über die Rechte der Greifswalderinnen und Greifswalder“

  1. Sollte ich mich so kurz nach der Kommunalwahl ärgern, dass ich GRÜN gewählt habe…

    Darf ich die schrittweise Annäherung an dieses Thema als Unterstützung in Sachen Kontra Arndt betrachten..?

    Planen die Grünen jetzt eine GENERAL-Umbenennnung, das kommunistische Regime hat genug Namen hinterlassen, wir haben noch eine Arndt-Schule und eine Arndt-Strasse…
    F.-L.-Jahn war ebenfalls ein Unterstützer von Arndt wenn ich richtig informiert bin- benennen wir das Gymnasium um, dürften die Schüler soetwas gar fordern..?

    Was ist mit der Judensau und Martin Luther..?
    Darf man, soll man, muss man..?

    Ich dachte die Grünen hätten mittlerweile realistische Ziele… Ich habe grün gewählt weil ich dachte Ihr wollt wirklich was bewegen… die Einmischung in diese Arndt Debatte Eurerseits gibt mir zu denken…
    Wir haben auf lokaler Ebene doch ganz andere Probleme, wie auch hier gern berichtet wurde… warum gehts keiner an…

    Auf Antwort hoffent warüm die Grünen sich zum Thema Arndt so sehr positionieren…

    1. Vielleicht weil die Grünen gegen jede Art von Volksverhetzung sind?

    2. Lieber Martin,

      die Bürgerschaftsfraktion wird sich natürlich weiterhin voll und ganz der lokalen und globalen Missstände widmen. Aber die Grünen stehen auch für eine fremdenfreundliche Gesellschaft. Einen Namenspatron, der WEGEN seiner Fremdenfeindlichkeit verehrt wurde (und wird!) und unser Image als „brauner Nordosten“ unterstreicht, ist daher nicht gerade prickelnd. Aus diesem Grund sympathisieren zumindest einige Grüne mit der Initiative zur Umbenennung; Zumal auch die Grüne Hochschulgruppe daran beteiligt ist.

      Die meisten, die den Hass in Arndts Texten gelesen haben, können sofort nachvollziehen, warum man sich diesen Namens entledigen will.

      1. Was ist bitte fremd? Ist der Stettiner dem Greifswalder fremder als der Badener? Und wie fremd sind sich erst Kölner und Düsseldorfer?

        Diese Debatte ist absurd. Schon 1998 hat die Zeit über den Namensgeber unser Uni einen bemerkenswerten Artikel geschrieben (http://www.zeit.de/zeitlaeufte/fataler_patron?page=1). Wer diesem liest, dem wird schlecht, wenn ihm klar wird, für was dieser Arndt steht. Der Artikel endet mit folgenden Zeilen:

        „Zeitlebens arbeitet Arndt vehement am deutschen Überlegenheitsmythos und an deutscher Mission. Es sei „der kräftige lebensvolle und saftvolle Wildling, Germane genannt“, dem Gott die edelsten geistigen und körperlichen Eigenschaften eingepflanzt habe. „Der Germane und die von ihm durchschwängerten und befruchteten“, also kulturell germanisierten „Romanen“ bilden den Höhepunkt der Menschheitsentwicklung und werden die „umwohnenden Völker fremder Art als Allherrscher beleben und leiten“.

        Zu seinem Bedauern stellt Arndt fest, daß die verzagten Deutschen bisher ihre nationalen Möglichkeiten nicht genutzt haben. „Wir spielen doch immer nur noch in deutschen Anfängen (…). Aber ich hoffe, die Deutschen werden (…) in einem großen Volkskampf mit Russen oder Franzosen, der uns zur Vollendung durchaus nothwendig seyn wird, durch den Geist, den sie wirklich vor allen Europäern tragen, endlich einmal ihr volles Volksland und Volksrecht, ihre Weltlehre und ihr Weltrecht erringen (…).“

        So werkelt und meißelt Arndt fleißig am Mythos des nationalen Erlösers. „Es wird ja hoffentlich einmal eine glückliche deutsche Stunde für die Welt kommen und auch ein gottgeborener Held, (…) der mit scharfem Eisen und mit dem schweren Stock, Scepter genannt“, das Reich „zu einem großen würdigen Ganzen zusammenschlagen kann“.

        Nun wahrlich, Arndts Traum sollte in Erfüllung gehen, dieser Führer kam! Und wenn heute die Universität Greifswald in einem Prospekt davon spricht, daß „,seine‘ Universität (…) in der Tradition auch seiner Ideen“ stehe, so stellt sich die Frage, ob man in Greifswald (und andernorts, in den Kultusministerien und bei der Bundeswehr) überhaupt weiß, was es mit den „Ideen“ des Ernst Moritz Arndt so auf sich hat.“

        So jemand taugt nicht zum Vorbild. Und ja, vielleicht sollte man sich grundsätzlich mal darüber verständigen, ob einige Personen wirklich unsere Straßen und Schulen schmücken sollten.

        Das einzig erstaunliche ist für mich, dass es mittlerweile eine Diskussion ist, die Jahrzehnte andauert, aber null Konsequenzen gezogen wurden.

  2. noch ein greifswalder bürger sagt: Antworten

    Vielleicht wäre es besser gewesen, Deutschland nach dem 2. Weltkrieg völlig von der Weltkarte verschwinden zu lassen. Beide höllischen und sinnlosen Kriege wurden von den Deutschen angezettelt.
    Und überhaupt blickt man im Ausland mit Arwohn auf die Deutschen. Ich will hier nicht alle über einen Kamm scheren, aber ich habe oft im Urlaub erlebt, wie sich die Deutschen als Gäste in anderen Ländern benehmen. Mitunter muss man sich dafür schämen.
    Wer meint, die Deutschen wären in der Welt die Elite, ist dem Größenwahn verfallen und was daraus entstehen kann, hat der Hitlerkrieg gezeigt.

  3. liebe Anne,

    danke, dass Du dir die Zeit genommen hast auf meinen Kommentar zu antworten.
    Ich möchte meine Frage etwas präziser stellen. Ganz offensichtlich wird mit der Ablegung des Namens ein kleiner Stein aus einer riesigen Steinmauer entnommen.
    Wer von Provinzposse spricht könnte Recht behalten wenn die Schüler der Arndtschule gleichzeitig zu dieser Debatte den Geburtstag Arndts vorbereiten und dann entsprechend feiern werden. Auch die Bewohner der Arnd-Strasse hier in Greifswald haben bisher die Straßenschilder dran gelassen. Welche Priorität räumen die Grünen Greifswald also dem Problem E.M.A. Uni ein?

    liebe grüße
    Martin

    1. Hallo Martin!

      Zumindest zeugen die Inhalte der Leserbriefe in der OZ davon, dass der gemeine Bürger sich mit dem Werk und der Person befasst hat. Von daher wäre ich vorsichtig damit, das Nicht-Empören als Pro-Arndt-Argument zu verwenden.

      Ich gebe dir Recht darin, dass Namensdebatten wohl kaum die Welt verbessern und dass der bauliche Zustand der Arndt-Schule entscheidender ist als ihr Name. Aber das spricht ja nicht dagegen, öffentlich eine Stellung in der Arndt-Debatte zu beziehen 😉

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