P1-0079 – Andere Wirtschaftsweise

Bündnis 90/Die Grünen sind für eine „ökologische Modernisierung“ der Wirtschaft. Wer ist das nicht? Aber was bedeutet das?
Der Programmentwurf gibt ab Zeile 79 folgende Auskunft:

Wir setzen auf ökologische Modernisierung und nehmen dabei wahr: Auch die Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern entdeckt zunehmend die strategischen Zukunftsmärkte für erneuerbare Energien, schadstoffarme Antriebskonzepte, Energiespartechnik, produktintegrierten Umweltschutz und ökoeffiziente Dienstleistungen wie den naturnahen Tourismus. Mecklenburg-Vorpommern hat hier gute Standortbedingungen. Wind- und Solarenergie, Biomasse und Geothermie, sowie Energieffizienz bieten besonders gute Potentiale Raum für technologische Innovationen mit beschäftigungsintensiven Effekten. In diesen Bereich kann Mecklenburg-Vorpommern seine Potenziale noch deutlich ausbauen.

Mannomann, was kennen diese Grünen für eindrucksvolle Wörter! Mal abgesehen von der Frage, ob unsere Wahrnehmung für die Leser_innen des Programms wirklich von Bedeutung ist, und dem Syntaxunfall im Bereich „gute Potentiale Raum“: Wir sind immer noch nicht weiter. Denn die Frage war ja: Was soll das eigentlich bedeuten?
Um dieses Problem zu lösen, ließen wir daher die Passage von einem befreundeten Experten in eine andere Sprache übersetzen und lasen von ihm folgendes:

Cum nobis persuasum est res ad oecologiam accommodandas esse, tum non ignoramus et omnes, qui in re publica Megalopoleως et Pomeraniae citerioris negotia curent, paulatim cognoscere profecturam esse mercaturam energiarum, quae renovari possunt, virium moventium minus vitiosarum, methodorum energiae parcendi, mercium naturae non repugnantium, denique ministeriorum rationem oecologicam respicientium ut rei periegeticae ad loca naturalia, ad quas res omnes necessariis virtutibus res publica Megalopoleως et Pomeraniae citerioris abundat. Cum enim energiam ex ventorum vi, ex solis ardore, ex herbarum putore, e calore ipsorum terrae intestinorum eliciemus nec non et eadem energia utemur non abutemur, quod in his regionibus facillume fit, et novas technologias inveniemus et multis hominibus negotia dabimus. quae res ut promoveatur rei publicae Megalopoleως et Pomeraniae citerioris maxima opera danda est.

Es verbleibt ein inhaltlich kaum aufzulösendes Problem, nämlich der „produktintegrierte Umweltschutz“. Da dieser Begriff zwar in Fachkreisen durchaus gebräuchlich ist, aber noch keinen Anspruch auf Allgemeinverständlichkeit erheben darf, fällt die Übersetzung „merces naturae non repugnantes“ naturgemäß ein wenig nichtssagend aus. Die nachfolgende Rückübersetzung verwendet jetzt sachlich nicht ganz korrekt eher den „produktionsintegrierten Umweltschutz“. Aber ob so viel Fachterminologie einem Wahlprogramm überhaupt zuträglich ist? Wie dem auch sei – Hefte raus, Klassenarbeit!

Wir sind der Überzeugung, dass wir uns nach der Umwelt richten müssen. Auch viele Verantwortungsträger in Mecklenburg-Vorpommern erkennen allmählich, dass künftig eine andere Wirtschaftsweise als bisher nötig sein wird. Dazu gehören erneuerbare Energien, weniger schädliche Antriebe, ein schonender Umgang mit Ressourcen und Produkte, deren Herstellung der Natur nicht schadet. Schließlich ist auch eine Arbeitsweise erforderlich, die auf die Umwelt Rücksicht nimmt, etwa für einen Tourismus im Einklang mit der Natur. Dafür sind die Voraussetzungen in Mecklenburg-Vorpommern reichhaltig vorhanden. Denn wenn wir Energie aus Windkraft, aus der Sonne, aus Biomasse und aus Erdwärme gewinnen, und diese auch richtig einsetzen, was hier sehr gut möglich ist, werden wir sowohl neue Technologien entwickeln als auch viele Arbeitsplätze schaffen. Dafür muss Mecklenburg-Vorpommern größte Anstrengungen unternehmen.

Für einen Änderungsantrag reicht es. Oder ist wirklich jemand ernsthaft der Auffassung, die Ausgangsfassung lese sich besser?

3 Kommentare bei „P1-0079 – Andere Wirtschaftsweise“

  1. Wow!! Ich dachte wirklich, das war ein Witz. Kay, ich bin sprachlos. Das ist ja GROSSARTIG! (Die Übersetzung ins Lateinische. Und das meine ich jetzt ganz ernst.)

    Was ich allerdings schon auf der LDK nicht verstanden habe war Dein Änderungsantrag zum „kreativen Denken“. Da hattest Du am Ende geschrieben: „creantur“. Das sieht für mich aus wie ein Präsens Passiv in der dritten Person Plural. Was hat es denn damit auf sich?! *grübel, kopfkratz*

    (Die Tage meines Latinums liegen schon JAHRE zurück.)

    1. Da war ich noch eine Antwort schuldig: Wenn der vollständige Satz „Neue Gedanken werden geschaffen“ lautet, dann ist das natürlich Passiv, also „sententiae novae creantur“.

  2. […] des Programmes gerechtfertigt hätten. Ein weiteres wesentliches Problem war bereits am Freitag Thema in diesem Blog. Der Antrag P1-0079 wurde nicht angenommen, somit bleibt, abgesehen von der Korrektur eines […]

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