Vor einem klassischen Dilemma stehen in diesen Tagen möglicherweise diejenigen, die sich gerne an hochklassigem Fußball erfreuen und dabei auch wünschen, dass am Ende das beste Team gewinnt.
Die Europameisterschaft 2012 ist mithin erfreulich, da sie ein Halbfinale hervorgebracht hat, in dem tatsächlich die vier Teams gelandet sind, die aktuell den technisch und taktisch besten Fußball spielen. Damit verbunden ist auch ein insgesamt sehr faires und sauberes Agieren der Spieler. Auf dem Platz zeichnet sich Spitzenfußball also erfreulicherweise durch eine immer „zivilisiertere“ Spielweise aus.
Allzu häufig leider nur auf dem Platz, nicht aber nebenan.
In fast allen seriösen Blättern können wir in dieser Woche kritische Betrachtungen und Kommentare zum sogenannten „Party-Patriotismus“ lesen. Die kurze, aber ziemlich eindeutige Quintessenz dieser Texte: Jenes „patriotisch“ genannte Kostümfest und Fähnchenschwenken, das inzwischen alle zwei Jahre im Juni um sich greift, ist im Kern alles andere als ungezwungen und harmlos. Eine Abgrenzung gegenüber ordinärem Nationalismus ist nicht gegeben. Auf der Hand liegt ja auch die Frage, weswegen Leuten, die vorgeben, im Rahmen der großen internationalen Fußballturniere in erster Linie Party machen wollen, dann nicht egal ist, wer da jetzt gerade spielt, Hauptsache, das Spiel ist unterhaltsam. Wenn es so wäre, nähme ich auch gerne in Kauf, dass eine solche Partyabteilung Partien wie Schweden–England in der Vorrunde, der öde Albtraum aller Taktikfreaks, spannend fände.
Wir haben ein Problem. Das Auftreten vieler, die im Rahmen großer Fußballturniere „Deutschland“ bejubeln, wenn die Auswahl des DFB spielt, passt überhaupt nicht zu dem durchaus attraktiven Spiel des aktuellen Teams. Die gleichermaßen aufschlussreiche wie erschreckende Zusammenstellung auf publikative.org spricht Bände und war vermutlich auch ein Anlass für einige der oben beschriebenen kritischen Artikel.
Ich tue mich schwer, mich über guten Fußball zu freuen, wenn ich gleichzeitig sehe, dass andere dies zum Anlass nehmen, ihren dummen Nationalismus auszuleben.
Was übrigens nicht weiterhilft, ist die Aussage, Fußball sei „sowieso doof“. Wenn mich etwas gar nicht interessiert, muss ich mich nicht dazu äußern. Auch keine konstruktive Lösung ist die Parole, beim Fußball prinzipiell „gegen Deutschland“ zu sein, jedenfalls, solange das nicht fußballerisch begründet wird.
Bei einem bin ich mir angesichts der zeitlichen Parallele zum EU-Gipfel jedoch sicher: Die Kombination „DFB-Auswahl gewinnt, Angela Merkel verliert“ wäre mir weitaus lieber als umgekeht.