Zu viel Testosteron, zu viel Durcheinanderreden. Oder doch eher eine lebhafte Diskussion anstelle des durchreglementierten Zwei-Plus-Vier-Gesprächs am Sonntagabend?
Über den „Dreikampf“ mit Gregor Gysi, Rainer Brüderle und Jürgen Trittin gingen die Bewertungen auseinander. Das lag nach meinem Empfinden nicht an den leidlich bis gut vorbereiteten Trittin und Gysi, auch nicht am freundlichen Jörg Schönenborn vom WDR. Und dass Brüderle sowieso in der untersten Schublade zu Hause ist, haben wir alle erwartet.
So ging die Schieflage der Fernsehsendung gestern Abend wesentlich vom als Moderator getarnten CSU-Vertreter neben Schönenborn aus. Wer seine Parteilichkeit so wenig zurückhalten kann, hat bei der Moderation eines solchen Streitgesprächs nichts verloren. Suggestivfragen und tendenziöse Unterstellungen sind wir zum Beispiel auf Abgeordnetenwatch gewohnt, in der ARD wünschen wir uns Besseres.
Da der CSU-Vertreter im Gewand des BR (irgendwie ja doch wieder dasselbe) als ordnende Hand ausfiel, wurde es also phasenweise ein wenig zu unübersichtlich.
Gleichwohl gibt es ein paar Feststellungen aus den Sendungen am Sonntag und am Montag, die für mich als Konstanten auffällig waren.
Da steht zum einen die Frage nach einer seriösen Finanzpolitik. Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Medien haben sich vor ein paar Wochen die Mühe gemacht, mal die Versprechungen der Parteien zu überprüfen und sich dabei vor allem gefragt, ob das alles zusammen auch in einen Haushaltsplan passt. Ergebnis: Blaues vom Himmel ohne Gegenfinanzierung von der Union, Steuersenkungen auf Pump von der FDP, und eine riesige Deckungslücke bei der Linken. Es reicht eben nicht, ein wenig Symbolpolitik bei der Einkommenssteuer zu betreiben. Wer nicht große Vermögen konsequent in die Pflicht nimmt, wird immer Probleme mit dem Schuldenabbau bekommen. Ansonsten ist das Programm der Partei DIE PARTEI finanzpolitisch seriöser als die Forderungen der drei Genannten. Und nur zwei Parteien wird attestiert, dass die Rechnung tatsächlich aufgeht. Das sind BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die SPD. Es wird wesentlich einfacher, mit der SPD über einzelne Schwerpunktsetzungen zu diskutieren, solange man sich wenigstens einig ist, dass alles solide finanziert werden muss.
Als Zweites fällt auf, dass Merkel und Brüderle eine Traumkoalition in dumpfem antieuropäischen Populismus bilden. Nicht erst im Wahlkampf ist anscheinend kein Ressentiment gegen „die im Süden“ zu schade. In Wirklichkeit geht es um Probleme, die durch aus Deutschland aufgenötigte Austeritätspolitik erst entstanden sind. Leider hat in diesem Punkt auch Gysi keine Antwort auf die Frage nach europäischer Solidarität. Wo es ums Rechthaben geht, darf offenbar auch mal eine Volkswirtschaft gegen die Wand laufen. Auch europapolitisch bleibt damit nur die SPD als ernsthafte Partnerin übrig (die Vorstellungen der Partei DIE PARTEI sind mir in diesem Punkt dann doch zu vage).
Das konnte man aus Duell und Dreikampf sehr wohl herauslesen.
Und für alle, die hier zu wenig Dissens zur SPD sehen, hilft dann der Blick auf Themen, die (fast) untergegangen wären. Denn manchmal gewinne ich den Eindruck, dass außer uns Grünen alle der Meinung sind, es gehe irgendwie auch ohne Essen. Um solch elementare Dinge der menschlichen Existenz geht es bei der Bundestagswahl aber auch.
In diesem Sinne: Guten Appetit!