In der Zeit vor bedeutenden Wahlen bemühen sich verschiedene Portale in diesem Netz auf unterschiedliche Weise, den interessierten Wählerinnen und Wählern Entscheidungshilfen zu geben. Hilft das nun wirklich oder ist es eher eine nette Spielerei? Wer selbst kandidiert oder wie ich doch zumindest Kandidierende bei der Bearbeitung ihres umfangreichen Posteingangs gelegentlich unterstützt, bekommt da hin und wieder Zweifel, ob die Fragestellungen wirklich geeignet sind, die wesentlichen Unterschiede zwischen Parteien und Bewerber_innen herauszuarbeiten.
Mit den diversen Wahlprüfsteinen verschiedener Verbände möchte ich mich hier nicht befassen. Jörg Rupp hat das Wichtigste dazu vor ein paar Wochen bereits geschrieben und dabei am Beispiel des Edeka-Pamphlets auch auf diverse Zumutungen gerade für jene hingewiesen, die eine solche Kandidatur ehrenamtlich betreiben.
Bekannt und beliebt ist natürlich der Wahlomat. Der startet zur Bundestagswahl an diesem Donnerstag, für die Landtagswahl in Bayern ging es in der letzten Woche los. Der Wahlomat vergleicht Parteiprogramme und schaut nicht auf einzelne Personen. Das trägt den Realitäten Rechnung, nach denen es in der Praxis eben darauf ankommt, welche Parteien bei einer Wahl eine Mehrheit im Bundestag zusammenbekommen. Der Wahlomat hat seine Mängel durch die Auswahl der Fragen, die auch durch die Gewichtung nicht hinreichend individualisiert werden kann. Und durch die Gestaltung der Fragen, die differenziertere Angaben als „Ja“, „Nein“ oder „Egal“ nicht zulassen. Beim Bayernwahlomat wäre das bei mir zum Beispiel bei der Olympiafrage der Fall gewesen. Da komme ich zu einem anderen Ergebnis als unser dortiger Landesverband. Allerdings würde eine ausführliche Beantwortung ergeben, dass es hier nicht um grundsätzliche Differenzen geht, sondern um eine Abwägung, die eben unterschiedlich ausfallen kann. Das kann der Wahlomat nicht darstellen.
Ebenfalls schon seit längerem dabei ist „Abgeordnetenwatch“. Hier können alle, die das wollen, ihren Kandidatinnen und Kandidaten konkrete Fragen stellen, wobei Frage wie Antwort für alle anderen einsehbar sind. Was hier auffällt, ist die eher geringe und gegenüber früheren Wahlen auch rückgängige Nutzung. Irgendwas scheint hier zu fehlen. Es gibt eben Programme, es gibt Kandidat_innenhomepages, Infomaterialien und dergleichen. Vielleicht reicht das den meisten ja aus. Vielleicht ist die Konzentration auf die Wahlkreiskandidat_innen das Problem, wo es doch zunächst mal um eine Verhältniswahl mit Parteien geht. Vielleicht ist auch das Problem, dass die Betreiber_innen Ansprüche, die sie formulieren, für sich selbst nicht gelten lassen. So wird von Kandidat_innen, die dort ein Photo veröffentlicht sehen wollen, zusätzlich ein Betrag von 149–179 Euro verlangt. Was mit diesem Geld gemacht wird, erfahren wir nicht. Transparenz sieht anders aus.
Die Betreiber_innen von Abgeordnetenwatch haben darüber hinaus auch einen „Kandidatencheck“ mit 24 Fragen gestaltet. Auch hier stört die Überhöhung der Einerwahlkreise, zudem gilt für die Auswahl und Gestaltung der Fragen Ähnliches wie beim Wahlomat, meist gar in verschärfter Form. Wer die Aussagen grüner Kandidat_innen vergleicht, wird beim (ungegenderten) „Kandidatencheck“ feststellen, dass die Antworten zu den Themen „Renteneintrittsalter“ und „Zuwanderung nach ökonomischen Kriterien“ uneinheitlich sind. Das liegt beim Thema Rente daran, dass die grüne Position nicht mit der im Portal formulierten holzschnittartigen Formulierung wiederzugeben ist. Das Thema „Zuwanderung“ würden wir auch gerne ausführlicher besprechen, da reichen auch die 300 Zeichen Erläuterung kaum aus. Die Position „Natürlich kann Zuwanderung auch ökonomischen Nutzen haben, aber eine Unterscheidung in ‚gute‘ und „schlechte‘ Zuwanderung ist abzulehnen“ ist eben mehr als „Ja“ oder „Nein“.
Ein drittes Portal hat Alvar Freude mit „Wen wählen?“ entwickelt (für die Wahl 2013 ist es noch nicht online). Das ist nochmal deutlich ausführlicher. Damit können eigene Positionen immerhin ohne Limit erläutert werden. Leider orientiert sich auch „Wen wählen?“ an den Einerwahlkreisen. Der Fragenkatalog ist mit 65 Fragen deutlich länger und enthält im Vergleich zu den anderen Portalen deutlich mehr Netz- und Bürger_innenrechtsthemen. Ergänzt werden die Positionen zu Einzelfragen durch ein individuelles Werteranking. Das ist weit genug entfernt von Wahlprogrammen, so dass Antwortvorgaben von Parteien hier nicht mehr greifen.
Was bringt das nun und was fehlt?
Wenn ich mich von meiner Rolle als Parteisoldat löse und die Portale ganz entspannt aus persönlichem Interesse durchspiele, fällt mir auf, dass das Resultat nicht immer ganz dem entspricht, was ich ohne diese „Entscheidungshilfen“ als Präferenzen herausgearbeitet hätte. Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass wesentliche, für mich im politischen Raum entscheidende Fragen bei keinem dieser Portale vorkommen. Diese „Masterfragen“ lauten:
„Möchten Sie mit Ihrer Zweitstimme eine Partei unterstützen, die auch anstrebt, ihr Programm in Regierungsverantwortung umzusetzen und dies auch durch ihr Handeln glaubwürdig erscheinen lässt?“
„Ist es für Sie von Bedeutung, eine Partei zu wählen, die Ihre Konzepte und Forderungen auch durchgerechnet hat, so dass sie nicht im Zweifel an leeren Kassen oder einem sogenannten Finanzierungsvorbehalt scheitern?“
Ich beantworte beide Fragen mit ja. Einige Medien haben unabhängig voneinander die Programme der Parteien untersucht und kamen zu dem Schluss, dass die zweite Frage überhaupt nur bei zwei Parteien positiv beantwortet werden kann. Das sind BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die SPD. Manche anderen haben zum Teil auch schöne Forderungen. Aber wenn sie sich aus finanziellen Gründen nicht umsetzen lassen, bringt das wenig.
Soweit zu den Entscheidungshilfen im Netz und ihren Vor- und Nachteilen. Vielleicht komme ich in den nächsten Tagen auch noch dazu, die Entscheidungshilfen der Papierabteilung aus OZ und Nordkurier zu kommentieren.
Was bringt es und was fehlt?
Ich denke es fehlen in erster Linie Politiker mit Format, die ihre Wähler wieder für sich und die Leistungen ihrer Partei begeistern können. Ehrlichkeit, Offenheit, Vertrauen – das sind alles Werte, die derzeit keiner auf sich zu vereinigen weiß, da nützen auch noch so photogeshoppte Plakate nichts. Was nutzt es dem Wähler, sich via Wahlomat mit den Thesen der Parteien auseinanderzusetzen, wenn diese Parteien ihre achso schönen Thesen und Ansätze nach den Wahlen unter dem Mäntelchen des Vergessens verstauen? Wie sonst ist zu erklären, dass Frau M. aus B. immer noch da steht, wo sie steht und auch nach dem 22.9. noch stehen wird? Sie wird sichr nicht gewählt, weil sie ein ach so ehrliches, aufrichtiges und bürgernahes Mädchen ist, sondern weil es einfach keinen zur Zeit gibt, der es besser im Sinne von ehrlicher machen würde. Ich mag an diese grausamen Denkzettelwahlzettel gar nicht denken, die es dieses Jahr geben wird. Ich mag gar nicht darüber nachdenken, wieviele Menschen rechts Kreuze setzen werden, weil sie einfach keine nennenswerte Alternative in der Wahllandschaft sehen, weil sie mit dem, wie es jetzt läuft unzufrieden und unglücklich sind und lieber ein radikales Zeichen setzen, als sich weiter einfach „durchreichen“ zu lassen. Die Politik der letzten vier Jahre ist geprägt von Hohn und Spott denjenigen gegenüber, die wenig oder nichts haben, am Minimum herumkrebsen oder sogar durch die Maschen unseres ach so sozialen Netzes fallen – und ich habe Angst davor, dass es genau diese breite Masse sein wird, die den Hetzern folgen wird.
wenn´s in deutschland griechisch oder spanisch wird…oh wehe, wenn uns das einholt, was wir selbst in europa streuen… deutschland mal wieder….und die grünen können nicht sagen, sie haben damit nichts zu tun.
fahre ich durch die straßen und sehe die plakate, kommt mir eine uralte französische hymne in den sinn: les aristocrates a la lanterna…
nur mal so, was gewählt wird, wenn man wählt und nicht um die Folgen weiß, wenn es heißt: den Griechen und anderen südeuropäischen Völkern zu helfen und das Gegenteil der Fall ist:
– 12. Jan. 2012 deutsche-mittelstands-nachrichten:
Griechenland: Zahl der Selbstmorde um 22,5% gestiegen
-15.April 2012 Spiegel
Selbstmord durch Wirtschaftskrise (die selbstverständlich einfach so vom Himmel fiel) Die Zahlen steigen
– 4. Mai 2012 die Welt
Starker Anstieg von Selbstmorden in Südeuropa
– 30. März 2013 Medizin-Ticker:Wirtschaftskrise erhöht Selbstmordrate um 40%
-22.August 2012 deutsche-wirtschaftsnachrichten
Finanzkrise:Zahl der Selbstmorde in Italien deutlich gestiegen
…………so viele und es geht immer so weiter und die Herrschaften aus der Politik nennen das alternativlos….
dass Banken weiterhin ihren Reibach machen und ganze Völker zerstören.
Nun bin ich aber gespannt, wie lange diese Zeilen stehen bleiben.
Aber auch das sollten die Grünen ihren Wählern erklären:
Wie ist das mit dem „grünen Gewissen“ zu vereinbaren, vom Balkan und Afghanistan ganz zu schweigen und von der Agenda Hartz will ich gar nicht mehr anfangen?
@3: Es ist nicht vereinbar. Was schlagen Sie also vor?
@4
keine Ahnung, wie man mit zwei Buchstaben redet…
ansonsten, ein bißchen island vielleicht…
geld regiert die welt – das kann einfach nicht sein.
@5,6: Nicht sehr einfallsreich für eine Erklärung der Grünen an’s Wahlvolk (Island und Geld).