An sich dachten wir ja alle, die Epoche der „heißen Sanierung“, die im Greifswald der Neunzigerjahre ein munteres Leben führte, gehörte der Vergangenheit an. Doch seit am letzten Dienstag die Alte Chemie in der Soldmannstraße zu weiten Teilen durch stark exotherme Reaktion in Grund und Boden oxidiert wurde, stellt sich die Frage nach einer möglichen Fortsetzung.
Auch die Lokalredaktion der hiesigen Zeitung für eilige Leser nahm sich der Sache an und präsentierte am gestrigen Freitag noch oberhalb der Society-Berichterstattung eine ausführliche Analyse, die in dem Schluss gipfelte, die Feuersbrunst gehe möglicherweise auf das Konto sogenannter Satanisten. Es gebe auch klare Indizien hierfür, schließlich seien auf dem Gelände Teelichter gefunden worden. Schwungvoll werden die letzten Reste alter Kerzenlichtromatik als Vorstufe schwarzgewandeter Folklore von Gothic-Fans gedeutet. Das wiederum sei natürlich in höchstem Maße böse, und so landen wir mit einem beherzten Schlusssprung beim Schlagwort des „Satanismus“. Eine Beweisführung wie aus der Schmidteinander-Sprichwortforschung, womit wir doch wieder in den Neunzigern angelangt sind. Überleitend zur Gegenwart aber schnell noch der Hinweis, dass „Satanismus“ lediglich ein vernachlässigbares Empörungspotential generiert. Was heute zählt, sind Kinderschändung, Drogen und Stasi. Sonst nichts!
Auch in der Fleischervorstadt machte man sich schon seine eigenen, etwas ernsteren Gedanken.
Mein erster Verdacht wiederum ist auch nicht besser oder schlechter als alles andere, was gerade an Meinungen zum Thema auf dem Markt ist. Bereits am Mittwoch fand sich im gleichen Schnellleserblatt schließlich schon der Kommentar aus dem Rathaus, dass die Alte Chemie als Standort für die künftige Kreisverwaltung nun aus dem Rennen sei. Übrig bleibe somit nur noch die Alte Juristerei, Standort Domstraße. Warum auch nicht?
Ein großer Verwaltungsbau in der Innenstadt? Was das nur wieder für Parkplatzprobleme schaffen wird! Die Lösung kann also nur lauten: Jetzt brauchen wir ein Parkhaus! Und die Domstraße als Fahrradstraße, das geht natürlich auch nicht!
So denken in Greifswald und Umgebung bekanntlich unsere viel zu zahlreichen Provinzpolitiker von vorgestern. Denkt man das zu Ende, so scheint der Zusammenhang doch allzu offensichtlich. Wer kann ein Interesse am Feuerchen vom Dienstag gehabt haben, wenn nicht die Greifswalder Autoparkhauslobby? Rasch noch ein paar Teelichtle abwerfen und das Ganze dann gewohnt kritischen JournalistInnen als „heiße Information“ zu verkaufen tut sein Übriges. Nur ist das zu billig, eigentlich.
Aber schön, warum auch nicht: Stecken wir die Kreisverwaltung in die Domstraße und eine dazu passende Abstellanlage für Autos bauen wir auch. Und zwar in die Soldmannstraße, Platz dafür haben wir ja jetzt. Ein kleiner Fußweg kann auch nicht schaden, zumindest wäre er immer noch weitaus kürzer als das, was in anderen Städten Standard ist.
Nur mal so als heißer Tipp.