Gestern im Sozialausschuss

Im Zuge des – leider etwas verunglückten – SPD-Antrages zum bezahlbaren Wohnraumangebot für Studenten hatte sich der Sozialausschuss darauf verständigt, den Geschäftsführer der WVG, Adomeit, zur Sitzung vom 07.10.09 zu laden. Mit ihm sollte die Wohnraumpolitik der WVG besprochen werden.

Mit Adomeit war abgesprochen, dass ihm vorab ein Fragenkatalog der Ausschussmitglieder zur Verfügung stehen würde, damit er sich gezielt auf die Sitzung vorbereiten konnte. Dieser Fragenkatalog lag ihm rechtzeitig vor, dazu zu sagen hatte er….nichts. Ich weiß nicht mehr, was er in seinen ca. 10 bis 15minütigen Ausführungen eigentlich sagte bzw. sagen wollte, die Fragen jedenfalls beantwortete er nicht. Er wird die Antworten schriftlich nachreichen.

Lediglich zwei Ausschussmitglieder protestierten gegen dieses Verfahren, die (schweigende) Mehrheit ließ sich diese Arroganz und Ignoranz dem Ausschuss gegenüber gefallen.

Es wurden dann, als weitere Schwerpunkte, das Haushaltssicherungskonzept und die 7. Fortschreibung der Sozialanalyse (in anderen Städten heißt so etwas weniger euphemistisch Armuts- und Reichtumsbericht) , na ja, diskutiert. Ich hätte die Sozialanalyse gerne verlinkt, leider ist sie auf den Seiten der Stadt nicht zu finden. Es wird auf diese beiden Punkte zu einem späteren Zeitpunkt sicher noch einmal einzugehen sein.

Einige Zahlen erschrecken jedoch: So leben in den Stadtteilen Schönwalde 1 und 2 ca. 60 % aller Kinder bis 15 Jahre von Sozialleistungen und müssen als arm gelten. Um diese Ghettobildung aufzubrechen, bedarf es mehr als eines Kindermittagstisches. Sicherlich hätten wir dazu auch Herrn Adomeit als Geschäftsführer der kommunalen WVG befragen können, aber er war ja schon weg….

Und die Armut hat Folgen. Dies belegt z.B. die ca. zwei Jahre alte Kinderstudie des christlichen Hilfswerkes „World Vision“. Die Antwort eines Jungen auf die Frage, was er denn mal werden will, „Ich will mal Hartz IV werden“, ist, so die Studie, kein Einzelfall. Ist der Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungserfolg schon oft beschrieben worden und wirklich nicht neu, so offenbart die Studie jedoch eines: Schon Acht- bis Elfjährige finden sich mit ihrem vermeintlichen Schicksal ab. Dieser Befund stammt aus Interviews mit Kindern.

Nur 20 % der Kinder aus einkommensarmen Familien können sich danach vorstellen, das Abitur zu schaffen. Bei den Mittel- oder Oberschichtkindern sind es dagegen 80 %. Und nur jedes vierte Kind aus prekären Verhältnissen hält sich für einen guten Schüler, während dies drei Viertel der Kinder aus der Mittel- oder Oberschicht von sich behaupten. Wenn sich vielleicht auch nicht trennen lässt, was davon realistische Einschätzung ist oder aber zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung wird, eines gilt: Die soziale Herkunft bestimmt, was Kinder sich zutrauen. World Vision meint dazu: „Die schlechteren Startchancen von Kindern aus den unteren Herkunftsschichten prägen alle Lebensbereiche und wirken wie ein Teufelskreis. Wie ein „roter Faden“ zieht sich eine Stigmatisierung und Benachteiligung dieser Kinder durch das ganze Leben hindurch“.

5 Kommentare bei „Gestern im Sozialausschuss“

  1. Herr Adomeit ist wohl nicht der beste Kommunikator, das beschriebene Problem sollte für dieses Jahr nach Aussagen des WVG-Verantwortlichen in der OZ vom 23.09.09 geklärt sein:
    “ -WVG will Abrissplanung überarbeiten-
    … stellte Ralf-Georg Jager, Leiter Wohnungswirtschaft bei der WVG, in den Raum und erklärte unmissverständlich: „Wenn zu uns jemand kommt, schicken wir jedenfalls keinen weg. Auf der Straße musste bislang niemand schlafen.“ “
    Mehr Bekenntnis zur Lösung eines Problems geht doch wohl nicht!
    Der ganze Beitrag, nur für Abonnenten der OZ, hier:
    http://www.ostsee-zeitung.de/ozdigital/archiv.phtml?param=news&id=2559072

    Übrigens, ich habe mich heute, nach Erscheinen dieses Beitrags, mit Ralf-Georg Jager in Verbindung gesetzt. Es gilt immer noch die Aussage in der OZ vom 23.09.09. Seitdem hat sich bisher nach seiner Auskunft – in Worten ein Student – um eine Wohnung bemüht.
    Es scheint doch wohl so, dass im Moment die im „webmoritz“ befürchtete „Wohnungsnot:
    http://www.webmoritz.de/2009/10/06/wohnungsnot-vielen-bleibt-nur-couchsurfen/

    nur Spekulation ist.
    Das Bemühen um eine Unterkunft und etwas Eigeninitiative sollte man doch immer noch von den potentiellen Mietern, den Studenten fordern.

  2. Lieber Gregor,
    auch ich kann deine Kritik an Adomeits Verhalten nicht in Gänze nachvollziehen. Seine Ausführung zeigten zumindest auf, warum es zu dieser angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt kam (a), welche Gegenmaßnahmen bereits getroffen wurden(b) und warum nicht sofort neue Studentenwohnungen gebaut werden.

    a) Eine ältere Prognose („ISEG“) hat einen drastischen Einwohnerschwund für Greifswald vorausgesagt, weshalb man sich damals zum Rückbau von Wohnungen entschlossen.
    b) Jetzt, wo sichtbar wird, dass dieses Szenario sich nicht erfüllt, hat man von einigen der geplanten Abrisse erstmal die Finger gelassen.
    c) Momentan ist die WVG in der schwierigen Lage, dass sie (wie überraschend!) nicht weiß, wie sich die Studenten- und Einwohnerzahlen entwickeln werden. Derzeit haben wir ja einen Peak, aufgrund der doppelten Jahrgänge (Verkürzung der Schulzeit auf 12 Jahre). Dass sie aufgrund eines temporären Peaks nicht neue Wohnungen bauen lässt und damit das Risiko eingeht dass dann, wenn die Wohnungen einzugsbereit sind, der Studentenansturm wieder abgeebbt ist, kann ich aus betriebswirtschaftlicher Sicht nachvollziehen.

    Und eines wurde auch klar: es ist ja fast normal, dass die Ersties jetzt auf den AStA einstürmen – und wenn der entsprechende Referent berichtet, dass seien zwei Anfragen pro Tag, hört sich das für mich auch nicht nach dem größt möglichen Notstand an…
    Dennoch, dass nur 1% bewohnbarer Leerstand herrscht, ist ein deutlicher Indikator dafür, dass das Angebot sehr knapp ist und die Preise der Privaten dementsprechend in die Höhe treibt. Daher sollten wir darauf achten, dass der Vorschlag eines Runden Tisches aus Stadt, AStA und Uni auch wirklich realisiert wird und dazu habe ich ein klares Signal zur Unterstützung dieser Initative von Herrn Adomeit vermisst.

  3. Liebe Anne,
    lieber Manfred,

    mir ging es in erster Linie um die Allgemeinplätze, die Adomeit von sich gab. Außerdem ging es in den nicht beantworteten Fragen auch um andere Gruppen als „nur“ Studenten. Da liegt der Schwerpunkt der Kritik.
    Warum machen wir uns die Mühe, einen Katalog zu erstellen, wenn er nicht beantwortet wird?
    Ich wollte einzelne Punkt auch diskutieren, was jetzt mit dem Verfahren nicht geht bzw. Adomeit nochmal zu laden sein wird.
    Was macht die WVG als kommunale Gesellschaft gegen die drohende oder bereits eingetretene Ghettoisierung einkommensarmer Menschen?

    1. Warum hast du diese Frage denn nicht gestellt? Nach seinen Ausführungen wurden wir doch aufgefordert, Fragen zu stellen!

      Ist Herr Adomeit denn überhaupt rechenschaftspflichtig gegenüber dem Sozialausschuss? Wenn nicht, ist es ein Entgegenkommen von ihm, dass er die Fragen überhaupt beantwortet (was er ja noch tun wird, sofern es nicht solche, die Gesellschafterfragen betreffen, sind.

      Ich hatte den Termin schon so verstanden, dass es jetzt erstmal um die Studenten geht. Ich denke, dass die Herangehensweise „endlich können wir uns den Ober-Strolch mal vorknöpfen“ nicht geeignet ist, um den Weg für eine konstruktive Zusammenarbeit zu ebnen. Bei einer Liste von 19 Fragen a la „Warum, Weshalb, Wie(so)?“ kann sehr schnell der o.g. Eindruck entstehen. Und Konfrontation ist die denkbar schlechteste Voraussetzung für konstruktive Kooperation.

      1. Ob Adomeit rechenschaftspflichtiog ist oder nicht, ist nicht die Frage. Immerhin ist Geschäftsführer eines kommunalen Unternehmens der Daseinsfürsorge. Außerdem war er es, der einen Fragenkatalog wollte, um konkreter antworten zu können. Und es dann doch nicht tat.
        Und das nenne ich Ignoranz.

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