Zum Bildungschip: Niedlich und verfassungswidrig

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) erläutert seine Vorstellungen für das groß angekündigte Bildungspaket „Bildung und Teilhabe für Kinder und Jugendliche“ als Gesamtkonzept in einer niedlichen und bunten PDF-Präsentation. Gleichzeitig wird klar, dass das BMAS nicht daran denkt, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes aus dessen Urteil vom 09.02.10 umzusetzen.

Die bisherigen Vorstellungen, die bekannt sind, gehen von einem Betrag von 200 Euro/Jahr aus, mit dem der Chip geladen werden soll. Dieser Betrag soll die Teilhabe von Kindern aus ALG II-Haushalten laut BMAS an folgenden Leistungen sicherstellen: Lernförderung, Schulbasispaket, Kultur und Sport sowie Schul-/Kita-Mittagessen. Das dafür 16,66 Euro/Monat nicht ausreichen, scheint selbst dem BMAS aufgegangen zu sein. So will es Bündnisse vor Ort schaffen, mit weiteren Akteuren, die an dem Gesamtkonzept mitwirken und Leistungen erbringen (S. 17 der Präsentation): Stiftungen, Ehrenamtliche, Unternehmen, Schulen und Kommunen.

Sich so vom schlechten Gewissen befreien und Leistungen mit freiwilligen Angeboten erweitern zu wollen, ist schlicht nicht geeignet, den Forderungen des BVerfG nachzukommen und damit verfassungswidrig, denn das Bundesverfassungsgericht stellt klar (Urteil Rdnr. 136): „Ein Hilfebedürftiger darf nicht auf freiwillige Leistungen des Staates oder Dritter verwiesen werden, deren Erbringung nicht durch ein subjektives Recht des Hilfebedürftigen gewährleistet ist.“

Im Übrigen existiert im BMAS ein, vorsichtig ausgedrückt, eher antiquiertes Menschenbild: Die Stiftung (da geht es um Geld) wird durch einen anzugtragenden Mann repräsentiert, während die ehrenamtliche Arbeit („Gedöns“) in den Augen des BMAS besser durch eine alte Dame darzustellen ist (nochmals S. 17 der Präsentation). Niedlich…

2 Kommentare bei „Zum Bildungschip: Niedlich und verfassungswidrig“

  1. Tut mir ja leid, Gregor, dass ich immer wieder auf den Widerspruch zwischen den hier durchaus
    begrüßenswerten Beiträgen und realer Grüner „Machtpolitik“ hinweisen muss (Die Idee und die materielle Gewalt!).
    Zitat: „… Auch Hamburgs Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) hält die Einführung einer Bildungschipkarte für sinnvoll. Hamburg könnte Modellregion werden, sagte er NDR 90,3. …“

    http://www.ndr.de/nachrichten/chipkarte102.html
    Von den Grünen Hamburgs, die sich wohl im Moment das Scheitern der Koalition schöntrinken,
    ist mir kein Proteststurm gegen das Zitat des Sozialsenators bekannt.
    Und jetzt kommt es ganz dicke für Dich:
    „Diakonie und Caritas sprechen sich für Chipkarte aus

    Diakonie und Caritas in Niedersachsen sind für eine Bildungschipkarte. „Wir brauchen Sachleistungen, die es armen Kindern ermöglichen, in den Sportverein zu gehen oder Musikunterreicht zu bekommen“, sagte der Diakoniedirektor …“

    1. Dazu passt: Die Fast-alles-ist-möglich-Partei, siehe hier:
      http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,713155,00.html
      Aber, so wenig es DIE Grünen gibt, gibt es DIE Diakonie. Es gibt auch keine Diakonie Niedersachsen, es gibt das Diakonische Werk Hannover, aber auch das Diakonische Werk Braunschweig oder das in Oldenburg. Das Diakonische Werk Braunschweig lehnt die Karte und im Wesentlichen Sachleistungen ab:
      http://www.diakonie-braunschweig.de/opencms/export/sites/DiakonischesWerk/_system/Organisation/DW-Geschaeftsstelle/Dateien/2010-08-06_Medieninformation_-_Keine_Bevormundung_von_Hartz-IV-Familien.pdf

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