Der Länderrat ist bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das wichtigste beschlussfassende Gremium zwischen den Bundesdelegiertenkonferenzen. Er ist deutlich kleiner als diese und wird bevorzugt vor Wahlen durchgeführt, um so Positionen zu aktuellen Themen durch eine Beschlussfassung eines mittelgroßen Gremiums größeres Gewicht zu verleihen.
Am kommenden Samstag trifft sich der Länderrat in Lübeck. Erfreulich an der Antragslage ist aus meiner Sicht eine klare Konzentration auf Sachthemen. Ich hoffe nur, dass genau das auch medial entsprechend gewürdigt wird.
Eine Übersicht über alle Anträge ist hier zu finden.
Die „Lübecker Erklärung“ (A-01) fasst vor dem Hintergrund aktueller Debatten zusammen, welche Alleinstellungsmerkmale grüner Politik durch das Zusammenspiel von Ökologie, sozialer Gerechtigkeit, umfassender Bildung und Demokratie entstehen. Persönlich halte ich einige Aussagen im sozialpolitischen Teil für beinahe zu zaghaft. Auch die starke Konzentration auf den Teilhabebegriff ist zumindest auffällig. Zwar ist der Ansatz korrekt, bei der Gerechtigkeitsfrage den Blick stärker auf Barrieren und Hürden für bestimmte Teile der Bevölkerung zu richten. Allerdings ist die höchste Barriere immer noch die finanzielle. Das müsste man nicht unbedingt nur indirekt ausdrücken.
Antrag A-02 (1. Mai nazifrei) ist für unsere Region von besonderer Bedeutung. Der Antrag enthält gute Passagen zur Bedeutung der Zivilgesellschaft. Wir möchten „uns eindeutig gegen eine Politik der Bundesregierung stellen, die das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Rechts schwächt und Gefahren wissentlich verharmlost“ sowie „die sofortige Abschaffung der unsäglichen Extremismusklausel von Ministerin Schröder“. Zudem soll „das Wissen und die Erfahrung der Aktiven und der Wissenschaft“ genutzt werden.
Das ebenfalls im Land aktuelle Thema der Inklusion wird in A-03 behandelt. Es erscheint umso notwendiger, da auf kommunaler Ebene vielen noch nicht klar ist, dass es nicht mehr nur um „Integration“ gehen kann, sondern um mehr und dass dies eben auch Umsetzung geltenden Rechts ist.
Weitere Leitanträge befassen sich mit den Themen Finanzen und Energie.
Unter „Verschiedenes“ wird Silke Gajek einen Antrag zur Jugendpolitik einbringen. Das darf durchaus auch als indirekte Reaktion auf die Haltung einer Landtagsmehrheit verstanden werden, die sich zwar mit dem Älterwerden befassen möchte, nicht aber mit den sich verschlechternden Bedingungen für die jüngeren Generationen.
Schließlich noch kurz zum Thema „Urwahl der Spitzenkandidat_innen“: Die Urabstimmungsordnung soll so angepasst werden, dass die Besonderheiten der Wahl von Spitzenkandidaturen berücksichtigt werden. Angesichts dessen, dass in diesem Zuge, anders als gelegentlich zu lesen war, keine formalen Hürden oder Beschränkungen für Kandidaturen aufgebaut werden sollen, sehe ich diesen Punkt als unproblematisch an. Dass besonders die Mainstreammedien sich die Konzentration auf Spitzenkandidat_innen wünschen, finde ich bedauerlich. Gerade, wenn wir die zweiten Reihen der Parteien miteinander über Ideen und Konzepte reden lassen, treten die Unterschiede deutlich zu Tage. Die gut besetzte zweite Reihe ist eine grüne Stärke. Wir sollten sie daher nicht vernachlässigen.
[…] Vorbericht und Nachbericht von Kay Karpinsky, der als Delegierter für Mecklenburg-Vorpommern teilgenommen hat […]