EnergieWENDEstandort fördern – deswegen kein neues Gaskraftwerk in Lubmin

Beschluss von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vorpommern-Greifswald zu den Planungen der Energiewerke Nord für ein Gaskraftwerk am Standort Lubmin/Rubenow
(beschlossen auf der Kreismitgliederversammlung am 15.03.2013 in Anklam)

Die Energiewerke Nord (EWN) planen am Standort Lubmin/Rubenow ein Gaskraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 1800 Megawatt. Aktuell wird bereits nach einem möglichen Investor für die Errichtung eines solchen Kraftwerks gesucht. Andere große Energieversorgungsunternehmen haben entsprechende Planungen eingestellt oder verfolgen sie, wie die EnBW, derzeit nicht weiter.
Errichtung und Betrieb eines Großkraftwerkes hätten wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung unserer Region. Deswegen haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vorpommern-Greifswald eine grundsätzliche Position erarbeitet, die nachfolgend dargestellt wird.

Unsere Haltung zu Energiepolitik in der Region folgt grundlegenden GRÜNEN Werten und schreibt bisherige Positionen fort. Im Hinblick auf die aktuellen Planungen und die Entwicklung des Standortes Lubmin stellen wir daher fest:

1. Die Energiewende steht an erster Stelle
Wichtigstes energiepolitisches Ziel ist die zügige Umsetzung einer Energiewende, die ihren Namen auch zur Gänze verdient. Wir treten für eine Politik ein, die eine möglichst schnelle Abkehr von nuklearen und fossilen Energieträgern ermöglicht. Nur so können wir erreichen, dass möglichst schnell 100% unserer Energie aus erneuerbaren Quellen gewonnen wird. Moderne Gaskraftwerke sind zwar derzeit die effektivste Möglichkeit der fossilen Energieerzeugung, stellen für uns gleichwohl lediglich eine Übergangstechnologie dar. Diese erfüllt dabei den Zweck, Versorgungssicherheit herzustellen, aber unter der Voraussetzung, dass alle Möglichkeiten der Energieeinsparung, Energieeffizienz sowie Nutzung und Speicherung aus erneuerbaren Quellen erzeugter Energie ausgeschöpft worden sind. Mit diesen Prioritäten erfordert ein Neubau eines Gaskraftwerks eine in allen Belangen überzeugende Begründung.

2. Bei allen Maßnahmen, mit denen Infrastruktur neu geschaffen oder entscheidend verändert wird, müssen die Eingriffe in die Natur so gering wie möglich bleiben. Der Naturschutz und der Erhalt der Biodiversität ist von entscheidender Bedeutung und hat im Zweifel Vorrang. Diese Wertung wird auch durch EU-Recht gestützt. Die nach den Planungen der EWN zu erwartenden Beeinträchtigungen sind aus unserer Sicht deutlich zu hoch und nicht mit geltenden Recht in Einklang zu bringen. Der an das Kraftwerksprojekt angrenzende Greifswalder Bodden gehört zum EU-weiten Schutzgebietssystem NATURA 2000 und darf nach EU-Recht nicht erheblich beeinträchtigt werden. Das geplante Gaskraftwerk jedoch stellt eine solche erhebliche Beeinträchtigung dar.

3. Ebenfalls zu bewerten sind die Eingriffe in den Wasserhaushalt, in unserem Fall der des Greifswalder Boddens. Maßnahmen, die messbare Auswirkungen auf Wasserhaushalt und Wasserqualität haben, wirken sich in der Folge auch auf die Lebensqualität der betroffenen Anliegergemeinden, ihre Entwicklungsmöglichkeiten und die Erholungsqualität der betroffenen Orte aus. Ein besonderes Augenmerk gilt dem Seebad Lubmin als Tourismusort. Die zu erwartenden Beeinträchtigungen sind auch in diesem Punkt zu groß

4. Jede Infrastrukturmaßnahme muss verhältnismäßig sein. Nehmen Planungen eine Dimension an, die nicht durch einen entsprechenden Bedarf begründet werden kann, so können diese nicht unterstützt werden. Aktuell planen die EWN jedoch ein deutlich überdimensioniertes Kraftwerk, können aber einen derartigen Bedarf nicht nachweisen.

5. Die Energiewerke Nord wurden als Unternehmen in Bundeseigentum gegründet, um einen geordneten Rückbau des ehemaligen KKW Nord durchführen zu können. Die Kompetenz und de Aufgaben des Unternehmens liegen damit in erster Linie auf dem Gebiet der Technik von Atomanlagen und dem Umgang mit diesen. Daraus folgende allgemeine Kenntnisse zu Energieanlagen rechtfertigen jedoch nicht die Ausweitung des ursprünglichen Auftrages ohne entsprechende politische Legitimation. Diese ist nur für die ursprüngliche Zuständigkeit gegeben. Ferner muss gerade ein Unternehmen in Bundeseigentum stets im Rahmen der Wirtschaftlichkeit agieren. Die Zurückhaltung anderer Energieversorgungsunternehmen, die im Falle der EnBW explizit mit wirtschaftlichen Erwägungen begründet wird, spricht jedoch dafür, dass diese Vorgabe hier nicht eingehalten wird.

6. Möglichkeiten alternativer Standortentwicklung nutzen
Wir erkennen die Notwendigkeit, dem Standort Lubmin eine Perspektive zu bieten. Das Wissen und die Qualifikation der Arbeitskräfte vor Ort muss weiter genutzt werden.
Wir sehen gute Möglichkeiten für eine alternative Standortentwicklung. Lubmin kann ein Zentrum für die Entwicklung von Technologien werden, die die Energiewende und den Ausbau der erneuerbaren Energien unterstützen. Insbesondere Technologien zur Speicherung, Effizienzsteigerung, intelligenter Netzgestaltung und Laststeuerung bieten hervorragende Möglichkeiten, den Energiestandort Lubmin an die Bedürfnisse der Energiewende anzupassen.

7. Energiemarkt zügig an die Erfordernisse der Energiewende anpassen
Die Umsetzung der Energiewende ist ohne eine entsprechende Umgestaltung des Energiemarktes nur schwer durchzusetzen. Der Energiemarkt ist generell kein vollkommen freier Markt, sondern unterliegt stets den Rahmenbedingungen, die durch den politischen Raum gestaltet werden. Diese Möglichkeiten müssen genutzt werden. Wir unterstützen deswegen insbesondere die Forderungen, Kapazitätsmärkte in der Form einzuführen, wie sie unser Bundes- und Landesverband bereits beschrieben hat. Nur so können neben den erneuerbaren Energieträgern auch Netzausbau und Technologien zur Speicherung, Effizienzsteigerung und Laststeuerung gleichberechtigt neben den Technologien der reinen Energieerzeugung behandelt werden.

8. Lubmin ist für ein Gaskraftwerk kein geeigneter Standort
Die Bedingungen, die an Gaskraftwerke als Übergangstechnologie formuliert werden müssen, sehen wir am Standort Lubmin nicht als erfüllt an.
Flexible Gaskraftwerke erfüllen auf einem veränderten Energiemarkt die Funktion von Spitzenlastkraftwerken, die im Bedarfsfall zur Sicherung der Versorgungsstabilität zugeschaltet werden können.
Das ist nur dann sinnvoll, wenn diese Kraftwerke an lastennahen Standorten betrieben werden, wo ihre elektrische Leistung und ihre Abwärme mit möglichst geringen Verlusten genutzt werden kann. Dies ist in der Regel in der Nähe von Industrie- und Ballungszentren der Fall. Der Standort Lubmin ist jedoch ein Standort, an dem kein derart hoher Bedarf an elektrischer Leistung und Abwärme anfällt.
Ferner sind die Kapazitäten der vom Standort Lubmin ausgehenden Leitungen begrenzt. Die Errichtung eines Gaskraftwerkes würde zu Konflikten mit lokal erzeugter regenerativer Energie führen und damit deren Nutzung und Verbreitung behindern. Das kann nicht Ziel einer Energiepolitik sein, die sich an einem zügigen Gelingen der Energiewende ausrichtet.

Der Kreisverband Vorpommern-Greifswald von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lehnt die aktuellen Planungen für ein Gaskraftwerk am Standort Lubmin/Rubenow aus den oben beschriebenen Erwägungen daher ab.

Landesverband und Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bitten wir, unsere Position entsprechend zu berücksichtigen und den Kreisverband Vorpommern-Greifswald an ihren weiteren Beratungen zu diesem Thema aktiv zu beteiligen.

Beeinträchtigungen

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.