Wer ist das Land?

„Wir sind das Land“ überschrieb der Städte- und Gemeindetag Mecklenburg-Vorpommern deutlich zu großspurig seine Mitgliederversammlung am Dienstag in Güstrow. Für die Universitäts- und Hansestadt Greifswald gehörten unter anderem Michael Steiger und ich zu den Delegierten. Wir kannten das vorher noch nicht und waren daher gespannt.
Es war mindestens ernüchternd. Wer das Motto „wir sind das Land“ verwendet, sollte zumindest darauf achten, dass die Zusammensetzung der Versammlung auch nur halbwegs repräsentativ für seine Bevölkerung ist. Wo hauptsächlich ergraute Männer zusammensitzen, ist diese Bedingung nicht annähernd erfüllt. Wer selbst nicht bunt ist, kann eine bunte Gesellschaft auch nicht entwickeln.
Inhaltlich fand ich es, soweit die Redebeiträge Inhalte überhaupt verbreiteten, arg unergiebig. Natürlich ist die Energiewende auch hier „eine große Herausforderung“, aber sobald es konkret wird, wehren die versammelten Bürgermeister jeden guten Vorschlag ab. Und dass zur Energiewende zum Beispiel auch eine Verkehrswende gehört, verstehen sie nicht, es ging um Straßen, Straßen, immer wieder Straßen. Und dass zum Klimaschutz auch eine Agrarwende nötig ist, ist genausowenig an der selbsternannten Basis angekommen. Wo das gesamte Catering fast ausschließlich aus Fleisch und Wurst besteht, sehe ich in erster Linie ein schlechtes Vorbild, in zweiter Linie eine Gesellschaft, die einen Teil ihrer Menschen ausschließt.
Der Ministerpräsident war auch kurz da und hielt die erwartete Rede: „Alles ist toll“. Zusammen mit Folklore wie dem naiven Glauben an die nutzlose Symbolik von Ehrennadeln (so eine Art kommunale Homöopathie) verdichtete sich das alles zum Eindruck von einer Veranstaltung, die das Land in dieser Form nicht braucht.
Notwendig wäre eigentlich eine Ideenwerkstatt, um sich darüber auszutauschen, was wir alle tun können, um für ähnlich gelagerte Probleme gemeinsam gute Lösungen zu finden. Mit dem konventionellen, gleichermaßen frontalen wie hierarchischen Format geht das natürlich nicht. Dafür ist es gut geeignet, um zu verbergen, dass es möglicherweise gar keine Ideen in diesem Kreis gibt.
Denn die Leute mit den Ideen sind durch die homogene graue und maskuline Masse bereits erfolgreich vergrault wurden.
Liebe Mitdelegierte im Städte- und Gemeindetag: Das Land sind „wir“ nicht. Eher eine „Parallelgesellschaft“.

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