Als kleine Information zur Frage der Sacharbeit in der Bürgerschaft gibt es hier einmal eine Auflistung der Beschlussvorlagen, die von den einzelnen Fraktionen und Gruppen in den Jahren 2004 – 2009 in die öffentlichen Sitzungen der Bürgerschaft eingebracht wurden (geordnet nach Fraktionsgröße). Tischvorlagen sowie Besetzungsänderungen in den Ausschüssen sind nicht berücksichtigt. Vielleicht ist mir auch die ein oder andere Beschlussvorlage entgangen – auf jeden Fall aber nicht in Größenordnungen.
Die Beurteilung der jeweiligen Vorlagenanzahl sowie der Themen sei den Lesern selbst überlassen.
CDU 1 Führen des Titels „Universitäts- und Hansestadt Greifswald“
2 Realisierung der Projektanträge „Ganztagsschulen“
3 Aufstellung Großleinwand zur Fußball-WM 2006 im Bereich des Marktes
4 Erarbeitung eines „Greifswalder Modells“ zur flächendeckenden Graffitibeseitigung
5 Kindervorsorgeuntersuchung als sozialpolitische Maßnahme – Untersuchungen U8
6 Finanzierung der Theater VP GmbH
7 Planung und Gestaltung des Weihnachtsmarkes 2006 und Folgejahre
9 Umweltstadt Greifswald; 10-Punkte-Programm zum Kommunalen Klimaschutz
10 Nachhaltige, umweltfreundliche und wirtschaftliche Energieversorgung in der UHGW
11 Fachgerechte Möglichkeit zur Nutzung der Treppenanlage des Fußgängertunnels für Radfahrer
12 Konzept zur Einführung von Fußgängerüberwegen (Zebrastreifen)
13 Prüfung der Möglichkeit der Durchführung eines Box-WM-Kampfes in Greifswald
Die Linke 1 Nachkalkulation des Kultur- und Sozialpasses 2005
2 Straßenreinigung
3 Finanzierungs- und Marketingkonzept zur Betreibung der zukünftigen Stadthalle
4 Erweiterung des Bürgerschaftsbeschlusses zur Festlegung eines Fördergebietes zum neuen Städtebauförderprogramm „Aktive Ortsteilzentren“
5 Handlungsstrategien im Stadt-Umland-Bereich/ Zusammenarbeit mit Ostvorpommern
SPD 1 Schulwegsicherung – Verlängerte Scharnhorststraße
2 Aufwertung der Waldwirtschaft
3 Forderung nach Rechtssicherheit über die künftigen Arbeitszeitregelungen in der Berufsfeuerwehr
4 Entwicklung des Seehafens Landebow (fraktionsübergreifend)
5 Ehrung der ArbeitgeberInnen der in der Freiwilligen Feuerwehr organisierten KollegInnen
6 Prüfung der Realisierbarkeit einer Broschüre „Greifswalder Köpfe“
Grüne/oK 1 Vorlage eines Finanzplanes für den Stadtumbau Ost
2 Resolution für den Erhalt einer Volluniversität in Greifswald
3 Freigabe der gesperrten Haushaltsmittel zur Realisierung der Skate-Board-Anlage im Volksstadion
4 Sanierung der Stadthalle
5 Unterbringung des Stadtarchivs in geeigneten Räumlichkeiten
6 Besetzung der Stelle der/des Gleichstellungsbeauftragten
7 Vorlage einer Prioritätenliste für Investitionen im Haushaltsjahr 2008
8 Architektonischer Wettbewerb zur Gestaltung des Anbaus der zum Rathaus umzubauenden Post
9 Position der Universitäts- und Hansestadt Greifswald zum Bau eines Steinkohlekraftwerks in Lubmin
10 Prüfauftrag zur Grundsanierung Kindertagesstätten
11 10 Punkte-Programm für eine familienfreundliche Stadt (fraktionsübergreifend)
12 Aufhebung des Beschlusses – Zentralisierung der Verwaltung
13 Einstufung der städtischen Reinigungskräfte in Entgeltgruppe 2 TVöD
14 Haushaltssanierung ohne WVG-Anteilsverkauf
15 Maßnahmebericht nach § 16 Abs. 3 S. 1 SGB II
16 Einsetzung einer/eines Ombudsfrau/Ombudsmann
17 Verfahrensweise Stralsunder Straße 10/11
18 Prüfung: Einrichtung einer Solardachbörse
19 Perspektive des Theaters
20 Grundsatzbeschluss zur Änderung der Abfallgebührensatzung ab 2010 (fraktionsübergreifend)
21 5-Punkte-Programm zur Qualitätssicherung an den KiTas der UHGW
22 Auftrag zur Prüfung zur Einführung von Hausordnungen für kommunale Einrichtungen
23 Aufnahme von Flüchtlingen (resettlement)
24 Gentechnikfreie Region Greifswald
FDP 1 Bildung eines sozialen Netzwerkes für Stadtteil Schönwalde II
2 Zusammenarbeit Greifswald und Stralsund
3 Aufnahme Seniorenbeirat in die Hauptsatzung
4 Bahnübergang Gützkower Straße
5 Behindertengerechte Ausgestaltung des Schuhhagens
6 Erarbeitung von Kriterien für Auszeichnungen zum Tag des Ehrenamtes
7 Fahrradweg Anklamer Straße
8 Volksbefragung zur Kreisgebietsreform in Greifswald
BL 1 Personalwirtschaftliche Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung
2 Nichtverwendung des Namens der UHGW beim Investitionsprojekt Steinkohlekraftwerk in Lubmin
3 Änderung § 17 Hauptsatzung
Kooperation 1 Bürgerentscheid – Veräußerung von Minderheitsanteilen der WVG mbH
2 Änderung der Gebührensatzung der UHGW für die Benutzung von Sportstätten in kommunaler Trägerschaft
Interessante Aufstellung. Wer sich darüber hinaus die Mühe macht, die Tagesordnung der letzten Bürgerschaftssitzung vor der Kommunalwahl im Stadtblatt zu durchforsten, wird dabei folgendes feststellen: Drei der fünf Vorlagen der SED-Nachfolge(Links)partei wurden auf dieser letzten Sitzung vor der Wahl eingebracht. Die Grünen brachten es auf fünf von 25. Wenn das mal kein Wahlk(r)ampf war.
Noch eine weitere Bemerkung muss ich loswerden zur Vorlage Nr. 9 der Grünen „Position der Universitäts- und Hansestadt Greifswald zum Bau eines Steinkohlekraftwerks in Lubmin“. Hier haben die Grünen ihrem Anliegen (kein Steinkohlekraftwerk in Lubmin) trotz aller dringlichen Hinweise aus den anderen Fraktionen (ich war auf dieser Sitzung der Bürgerschaft anwesend) einen Bärendienst erwiesen. Mal abgesehen davon, dass die Stadt in dieser Sache nicht zuständig war und ist, kam es erst durch diesen Antrag zu einem Quasi-Votum der Bürgerschaft für das Steinkohlekraftwerk, denn die Grünen-Vorlage fand keine Mehrheit.
Ja, das war eine bittere Niederlage. Denn die fehlende Stimme kam aus den Reihen der Linken. Aber ob solche Abstimmungen am Ende ein Bärendienst sind, wage ich zu bezweifeln. Denn was wäre eine Demokratie, wenn man seine Überzeugungen nicht auch dann zur Abstimmung stellt, wenn man davon ausgehen muss, dass man verliert? Man gewinnt viel eher den Eindruck, dass Viele in der Bürgerschaft inhaltliche Diskussionen fürchten. Weil Sie keine Argumente haben oder Angst sich zu blamieren? Wie oft sind Diskussionen, wo fast nur Gegner des Antrages zu Wort kommen (die Anträge stammen ja meist von der Verwaltung) und der CDU-Fraktionsvorsitzende nur lapidar sagt, dass seine Fraktion geschlossen dafür stimmt?
Deshalb ist es wichtig, auch Niederlagen in Kauf zu nehmen. Denn solche Diskussionen in der Bürgerschaft dienen dazu, Meinungsbildung zu betreiben. Denn häufig, wie bei der Gentechnikvorlage zu sehen, kommt es im Vorfeld oder danach zu vielen weiteren Aktivitäten. Und hier hat sich ja beim Thema Steinkohlekraftwerk deutlich gezeigt, dass die Kraftwerksplaner im Genehmigungsverfahren auch deshalb ziemlich alt aussahen, weil sich viele BürgerInnen gegen das Projekt engagieren. Und warten wir mal ab, wie das Genehmigungsverfahren ausgeht. Der Umweltminister hat jedenfalls immer noch die Meinung, die Unterlagen sind sehr unvollständig….
Und noch ein Wort zu den vielen Vorlagen in der letzten Sitzung. Es bleibt trotzdem richtig, dass es auch große inhaltliche Unterschiede in den Anträgen gibt, unabhängig davon, ob die Parteien in der letzten Sitzung nicht auch ihr Profil schärfen wollen…Und die Grünen/ok liegen trotzdem noch weit vor den Anderen, als bei weitem kleinste Fraktion….
Zur Zuständigkeit der Stadt in Sachen Dong-Kohlekraftwerk sei doch noch gesagt, dass z.B. die Stadt Stralsund in ihrer Bürgerschaft einen Beschluß gegen das SKW gefaßt hat und, soweit ich weiß, auch eine Einwendung gegen die Genehmigung geschrieben hat. Andere Gemeinden, z.B. Thiessow auf Rügen, haben sogar Finanzmittel für die notfalls erforderliche Klage gegen eine Genehmigung beschlossen. Das Klima endet halt nicht an der Stadtgrenze…
Weil wir wieder bei diesem leidigen Thema Steinkohlekraftwerk ankommen, bin ich auf etwas gestoßen, was mich wirklich sehr enttäuscht.
Eine Pressemitteilung vom 17.02.2008:
Die Linke unterstützt Volksinitiative gegen das Steinkohlekraftwerk
(nachzulesen bei den Linken)
Erfreulich ersteinmal.
Als ich kürzlich die NDR Nachrichten sah, war ich platt.
Frau Dr. Syrbe, Landrätin in OVP sagte: Wir brauchen aber Dong.
Was soll man dazu noch sagen….
Im OZ Blog steht dazu ebenfalls einiges.
Ich sag‘ nur Moorburg!
Kein Problem. Hat uns auch sehr geärgert. Ist aber ein ganz anderer Fall. Dort hatte die Vorgängerregierung schon die Genehmigung erteilt und der Bau schon begonnen (nur die Genehmigung nach dem Wasserhaushaltsgesetz fehlte noch). Und der Fehler der Grünen im Wahlkampf war, dass sie so getan haben, als ginge das noch zu verhindern.
Es gibt auch ziemlich viele Unterschiede zu Lubmin. Moorburg hat eine Kraftwärmekopplung und damit einen Wirkungsgrad von ungefähr 70% (im Gegensatz zu Lubmin mit 45%). Es liegen auch keine sensiblen Naturschutzgebiete in unmittelbarer Nähe und von Tourismus habe ich dem Gebiet auch noch nichts gehört. Hier werden also auch noch, wie so oft in der Diskussion um Lubmin, Äpfel mit Birnen verglichen.
Muss noch etwas ergänzen. Im Falle Lubmin sind Naturschutzgebiete und Natura 2000 – Gebiete betroffen. Deshalb muss eine Ausnahmegenehmigung her. Aus diesem Grund das Schreiben des Wirtschaftsministeriums bezüglich überwiegendem öffentlichen Interesse. Im Falle Moorburg brauchte man dies alles nicht. Moorburg ist also mit Lubmin wirklich nicht zu vergleichen.
Zitat Ralf: „Und der Fehler der Grünen im Wahlkampf war, dass sie so getan haben, als ginge das noch zu verhindern.“
Genau dort liegt aber doch die Gemeinsamkeit. Der Antrag der Grünen suggerierte, dass die Bürgerschaft hier etwas verhindern können. So wie auch ein Lubminer Noch-Bürgermeister (der ansonsten kein Thema hat und dessen Bilanz nicht positiv ist) solches fälschlicherweise suggeriert. Was am Ende darunter leidet ist die Glaubwürdigkeit aller (!) Politiker. Und genau daran mache ich meine Kritik fest.
Für Greifswald war es möglich, sich im Genehmigungsverfahren als Umlandkommune zu Wort zu melden. Nur darum ging es in dem Antrag (positive oder negative Stellungnahme) und um eine politische Positionierung. Niemand hat jemals gesagt geschweige denn im Antrag formuliert, dass damit das Kraftwerk verhindert werden kann. Es wurde während der Diskussion zum Antrag von Seiten der CDU versucht, unsere Unzuständigkeit zu erklären (wir haben ja eh nichts zu sagen im Genehmigungsverfahren etc. pp.). Gleichzeitig äußerte sich der OB als OB in der Zeitung positiv zum Kraftwerk. Warum sollte dann die Bürgerschaft nicht auch eine Positionierung vornehmen (wie Stralsund etc.)?
Die grüne Glaubwürdigkeit, so glaube ich, hat in der Region unter der Entscheidung zu Moorburg gelitten, nicht darunter, dass wir einen Antrag auf ein negatives Votum Greifswalds zum Steinkohlekraftwerk in Lubmin eingebracht haben.
Ich finde es auch müßig, hier über Glaubwürdigkeit zu diskutieren (wer sind hier wieder ‚alle Politiker‘). In der Bürgerschaft, so glaube ich, haben die Grünen mit das kleinste Glaubwürdigkeitsproblem. Oder wer redet seit Jahren davon, dass Kitas und Schulen saniert werden sollen und gibt dann das Geld für Stadthallen und technische Rathäuser aus?