Weil sich die entsprechenden Kommentare hier (u.a. Sören, Manfred Peters, Stefan Fassbinder) ungeschickterweise nicht alle direkt an die Blogbeiträge zur Bürgerschaftssitzung anschlossen, sondern teilweise zu einem anderen Thema gestellt wurden, was nicht direkt damit zu tun hat, nun noch mal ein neuer Eintrag zu einigen angesprochenen Punkten – als Kommentar wärs eh zu lang.
Die Sitzung am Montag hat nach meinem Eindruck gezeigt, dass sich insbesondere CDU/Bürgerliste einerseits und Die Linke andererseits in einigen Punkten unversöhnlich gegenüberstehen. Andere Fraktionen werden nun von beiden Seiten mit scheinbar moralischen Argumenten („Verrat an den eigenen Prinzipien“ usw.) bedrängt, wenn sie versuchen, von Fall zu Fall zu einer sachlich begründeten Entscheidung zu gelangen. Das betrifft die Grünen, aber auch die SPD. Das heißt: Das Vorgehen der CDU, ihren Kandidaten für das Präsidentenamt gegen bekannte und begründete Widerstände durchzusetzen, steht auf derselben Stufe wie das rein obstruktive und in keiner Weise weiterführende Verhalten einiger Mitglieder der Linksfraktion.
In der Präsidentenfrage ist das Ergebnis die denkbar knappe Mehrheit für Egbert Liskow, wobei seitens der SPD betont wurde, an ihnen habe es nicht gelegen, dass es sechs Ja-Stimmen weniger gab als erwartet (Linke und Grüne kommen zusammen auf 15 Sitze, der Rest hat sich zumindest im Vorfeld nicht gegen den CDU-Vorschlag ausgesprochen). Die Linie der SPD, hier zunächst guten Willen zu zeigen und dem Kandidaten eine zweite Chance zu geben, stellte sich nach meiner Einschätzung schon im Verlaufe der weiteren Sitzung als sehr fragwürdig heraus. Dabei gab sich Egbert Liskow durchaus alle erdenkliche Mühe und agierte auch nicht unfair, doch war die Qualität der Sitzungsleitung allein deshalb unbefriedigend, weil der Präsident offenbar Probleme hat, bei der Leitung eines Gremiums mit 43 Mitgliedern den Überblick zu behalten. Guter Wille allein reicht hier eben nicht und man hätte ihn besser von dieser Last erlösen sollen. Denn die beschriebene Situation führte nun dazu, dass der Leiter der Bürgerschaftskanzlei mehrfach unmittelbar und in fragwürdiger Art und Weise in die Sitzungsleitung eingriff, was nicht seine Aufgabe ist, da er eben der Bürgerschaft nicht angehört.
Anders die Konstellation beim Antrag über die erneute Überprüfung der Stasi-Zusammenarbeit anhand der Unterlagen der Birthler-Behörde. Ursprünglich hatte auch ich gedacht, so etwas sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr notwendig, zumal bei fünf Abgeordneten (Klatt, Liskow junior, Pegel, Ratjen, Reuhl) die Gnade der späten Geburt eine Veröffentlichung der Ergebnisse ohnehin ausschließt. Als nun allerdings seitens der Linken nicht schlicht erklärt wurde, der Vorlage nicht zuzustimmen, sondern auch dem Einbringer gegenüber wiederholt demonstrative Respektlosigkeit entgegenzubringen, sah ich ein, dass ich mich getäuscht hatte, und es offenbar doch notwendig ist. So sehr Thomas Meyer eine durchaus kontroverse Figur in der Greifswalder Stadtpolitik ist (auch ich hatte und habe vieles an ihm zu kritisieren), so wenig rechtfertigt das einen Umgang, der über das Stadium der bloßen Unversöhnlichkeit deutlich hinausgeht. Auch Thomas Meyers eigene Verbissenheit kann dafür kein Grund sein.
Beide Pole bescheren uns schließlich eine GO-Debatte, weil nur dank dieser albernen Rechthaberei Dinge geregelt werden müssen, die an sich selbstverständlich sein sollten.Da muss dann die „Lex Liskow“ mit detaillierten Anweisungen zum Vorgehen des Präsidiums gekontert werden mit einer „Lex Multhauf“ zur Begrenzung von Redezeiten. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass es hier die SPD war, die mit dem letztlich erfolgreichen Vorschlag zur Vertagung so manchen Schnellschusses noch so etwas wie klaren Kopf bewies. Das ständige, zu nichts führende Gelaber von Peter Multhauf nervt mich auch, nur wird man durch einen allzu verbissenen Umgang damit sicher nicht zu einer Verbesserung der Atmosphäre und einer für den interessierten Zuschauer durchaus wünschenswerten Straffung der Sitzungen beitragen.
Wie so oft hat also nicht nur eine Seite Recht. Und weil die einzelnen hier angesprochenen Punkte nicht einfach miteinander verglichen werden können, bringt es auch nix, hier irgendwas gegeneinander aufzurechnen.
Ich bin immer noch für die Einrichtung einer Enquete-Kommission zur Überarbeitung der Geschäftsordnung der Bürgerschaft und der Hauptsatzung der UHGW. Weder die Einzelfallentscheidung, wie sie die BG favorisiert, noch das erweiterte Präsidium, wie es von der Linken vorgeschlagen wurde, kann vernünftig arbeiten – Betriebsblindheit ist bei diesen beiden Vorgehensweisen immer schon gegeben, auch Parteien- und Fraktionenzwiste, die nicht sachdienlich sind.
Nur wenn sich Leute aus der Bürgerschaft und „Nicht-BürgerschaftlerInnen“, die in solchen Dingen Erfahrung haben, zusammentun und diskutieren, kann etwas dabei herauskommen. Dann brauchen wir weder „Lex Multhauf“ noch „Lex Liskow“. Dieser Blödsinn kommt nur dadurch zustande, daß unsere BürgerschaftlerInnen immer nur im eigenen Sud köcheln (wollen). Es könnte ja besser werden…
Da ich nun schon mal hier erwähnt werde und obwohl die Grünen mich mit ihrem Abstimmverhalten zur Stasiüberprüfung maßlos enttäuscht haben, hier der Text meines OZ-Leserbriefes dessen Veröffentlichung in der Online-OZ erst einmal blockiert wurde:
Hintergründe und Abgründe
Der Fraktionsvorsitzende der CDU Greifswald, Herr Hochschild, hat sich für die Bürgerschaft über Internet, Lokalpresse und Werbemedien Folgendes gewünscht: „Für die Arbeit in der künftigen Bürgerschaft wünsche ich uns allen ein Klima der gegenseitigen Achtung und der Vernunft … .“
Wenn man annimmt, dass der Fraktionsvorsitzende und der Fraktionsgeschäftsführer der CDU in der Bürgerschaft eng zusammenarbeiten, haben sie diesen Kurs umgehend verlassen.
Mittels gezielter OZ-Leserbriefe wurde vom Fraktionsgeschäftsführer Dirk Bauer und zwei weiteren Parteisoldaten im Stundentakt der Eindruck vermittelt, dass die Bürger Greifswalds
einen erhöhten Stasi-Aufklärungsbedarf hätten.
Die gezielten Kampagnen der Diskreditierung des politischen Gegners sind bei der CDU nicht neu und auch kein Privileg der Greifswalder CDU. Erinnert sei an die Leserbrief-Aktion der
Landes-CDU von September 2001. Am Ende titelte die OZ „Beide Kniescheiben weg“ oder im Kommentar „SED lässt grüßen“. Im August 2008 wurden in Greifswald gegen einen Gegner* des WVG-Verkaufs im 2-Minutentakt Leserbriefe von Hr. Hochschild, Bauer u.a. in die Online-OZ gesetzt.
Aber zurück zu einem Protagonisten dieses bösen Possenspiels. Der eine junge Leserbriefschreiber Christian Weller aus Dorsten Dorf Harvest stellt sich im Internet als Fan von Ego-Shootern vor. Von denen steht eine Version auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Die Strategie eines Spiels lautet folgendermaßen: „Kolonisiere deinen Heimatplaneten und baue mit der richtigen Strategie eine stabile Wirtschaftsmacht auf.“ Das ist doch ein ehrenwertes Ziel für einen stolzen ehemaligen Kosovokämpfer in Greifswalds CDU.
Die Beschlussvorlage hat die Bürgerliste als alter und wohl auch neuer CDU-Kooperationspartner eingebracht. Dabei wurde sich in der Diskussion von beiden auf die Stimme des Volkes berufen oder Ähnliches suggeriert. Man kann ja über Sinn und Unsinn dieser Überprüfung streiten, die Begründung zeigt uns jedoch die Verlogenheit der Einbringer dieses Bürgerschaftsbeschlusses.
Auch die CDU sollte endlich ihrem Motto folgen: „Mit Herz und Verstand für Greifswald“ und alle Bürger Greifswalds.
*Anm.: Ulrich Rose
Eigentlich finde ich ja solche polemischen Leserbriefe völlig überflüssig, weil sinnbefreit. Aber irgendwie scheinen sie wiederum auch notwendig zu sein, um den unbeteiligten Greifswalder Bürger immer mal wieder in Erinnerung zu rufen, was heute anders ist, als es damals war. Denn heute kann sich ein Manfred Peters demagogisch und in der Sache auch noch falsch öffentlich äußern. Und er kann dies tun, ohne Angst vor ungebetenem Besuchen von unfreundlichen Herren in frühen Morgenstunden haben zu müssen. Und genau das ist der große Unterschied und die große Errungenschaft der Jetzt-Zeit. Schade aber, dass so etwas einem Manfred Peters nicht auffällt.
Getroffene Hunde bellen!
Danke, Sören, dass Du als anonymer Halbtroll verschiedener Internet-Portale es wenigstens versuchst, mich über den Gehalt der Zeitenunterschiede „sinnvoll“ aufzuklären.
Wenn Du uns noch mitteilen könntest was „in der Sache auch noch falsch ist“, wäre mein Glück fast vollkommen.
Es passt das zeitenunterschiedgültige Sprichwort: „Der größte Schuft im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant.“
Denn damit begann es im webMoritz:
Politikinteresse · 6 weeks ago
„… Der einzige, der ein bisschen Ahnung hat ist dieser Klaus Heiden. Der aber kommt von der PDS (Ortsteilvertreter für die PDS/LINKE) und ist stadtweit als ehemaliger Stasi-Mitarbeiter bekannt. …“
Nicht fehlen durfte der auch im Grüne-Blog umhertrollende:
Jason · 5 weeks ago
„… Ich würde mir zur besseren Beurteilung lieber einen Überblick über das Treiben der Kandidaten in der Vergangenheit verschaffen. Seien Sie mutig und Recherchieren Sie ein wenig, vielleicht gibt es ja auch glaubwürdige Leute in Ihrer Umgebung, die glaubwürdiges über die Kandidaten der Freien Wähler zu berichten haben. Soviel ist gewiß: Auf frischen Wind stoßen Sie dabei als Letztes. …“
Da das alles nicht die gewünschte Resonanz brachte, siehe mein Kommentar oben.
Drei Sachen machen mich in der Stasidebatte nachdenklich:
1) Wenn schon eine Prüfung auf geheimdienstliche Tätigkeitenen stattfinden soll, dann bitte für alle Geheimdienste. Warum KGB, BND und CIA-Tätigkeitenen weniger verwerflich sein sollen, will sich mir nicht erschließen, ganz davon abgesehen, dass auch der chinesische Geheimdienst relativ aktiv in Deutschland agiert. Wenn eine derartige Prüfung nicht möglich ist, entwertet sich auch die Stasiüberprüfung und reduziert Thomas als Antragsteller auf einen hetzenden Kleingeist, der die Überprüfung zum Zwecke der politischen Kampagne missbraucht.
2) Mir ist auch nicht klar, was Thomas erreichen will, da Die.Linke, die er offenbar als Ziel dieser Polemik sieht, längst nicht mehr die politische Heimstatt für Karrieristen ist. Wer gespitzelt hat um seine Karriere voran zu treiben, ist dorthin gewechselt, wo eine Regierungsbeteiligung möglich ist, insofern kann sich die Überprüfung durchaus als Schuss ins eigene Bein für die Bürgerliste heraus stellen. Nebenbei sollten wir auch nicht vergessen, dass Unterschriften für die Stasi-Mitarbeit sehr wohl auch von der Stasi erpresst wurden, in einem mir bekannten Fall ging z.B. um die Begnadigung des Lebensgefährten, solchen Besonderheiten wird die pauschalisierte Hexenjagd allerdings nicht gerecht.
3) Wenn es um Verrat geht, dann frage ich mich, wie Thomas sich abends noch im Spiegel anschauen kann. Waren wir nicht einst angetreten, um die Bevormundung durch eine Partei zu brechen? Heute spielt er den Steigbügelhalter der CDU, die bisher nichts anderes tat, als eine ganze Stadt zu entmündigen. Wenn es ihm also wirklich um den Tatbestand des Verrates geht, dann soll er mal bei sich selbst anfangen und den eigenen Verrat an seinen Überzeugungen überprüfen lassen.
Vielen Dank an Kay übrigens für diese – weitgehend – ausgewogene Darstellung. Und noch ein paar Fragen an Ronald: Siehst Du einen Unterscheid zwischen dem MfS und dem BND? Unterliegt bzw. unterlag eines dieser Organe parlamentarischer und medialer Kontrolle? Kann man das MfS und beispielsweise den BND überhaupt vergleichen?
ür mich ist – bezogen auf den von Dir geschilderten Einzelfall – klar, dass es mit der bloßen Anforderung von Stasiunterlagen nicht getan sein kann. Eine sinnvolle und sachgerechte Auswertung muss sich anschließen. Falls sich die Linke auch dem verschließt, darf das die Arbeit und die Ergebnisse dieses „Aufarbeitungsgremiums“ allerdings nicht beeinflussen.
Eine Anmerkung noch: Abzustimmen ist stets über Anträge, nicht aber über ihre jeweilige Begründung. Meyers Verweis auf die Auftragsarbeiten auf der OZ-Leserbriefseite fand ich auch sehr dürftig, aber man wird dem Antrag dann immer noch aus anderen Beweggründen zustimmen dürfen.
Und ein Kommentar: Den Text von Manfred Peters durch den Generalvorwurf „Polemik“ abzutun verkennt, dass er durchaus diskussionswürdige Grundsubstanz enthält. Für einen OZ-Leserbrief ist er halt ein wenig lang geraten.
Wie man etwige Ergebnisse der Anfragen bei der Birthler-Behörde dann beurteilt, bleibt am Ende auch wieder jedem selbst überlassen. Und auch da plädiere ich ganz entschieden dafür, zwischen den beiden Langeweilern Schwarz und Weiß auch noch andere Schattierungen zuzulassen.
Liebe Kommentatoren !
In der Sache streiten ist o.k., persönliche Angriffe jedoch bringen nichts, Sören, für wen auch immer Du hier auftrittst.
Die Steigbügelhalter sind benannt und dies ist nicht schlimm, die Überraschung steht noch aus – nach Vorliegen des Ergebnisses der Untersuchung, denn bis dato sind einige Leute durch das Überprüfungsraster gefallen, weil z.B. bis dato auf Landesebene darauf verzichtet wurde.
Unser BS-Präsident hatte sich in der Vergangenheit bereits zu seiner Tätigkeit für´s Ministerium „verplappert“.
Mal sehen, wie Herr Meyer und der Rest der (alten und neuen) Kooperation, wenn auch nicht auf Papier bestehend (dennoch vorhanden), sich dann vertrauensvoll auf seinen Seniorpartner einlassen kann/soll/muß oder wie auch immer möchte.
Dies wird noch lustig – also daher ganz entspannt !