Wer an das für kommenden Sonntag angesetzte Fernsehduell Steinmeier vs. Merkel sowieso keine besonderen Erwartungen hat, konnte gestern abend immerhin die alternativ angebotene Oppositionsrunde Künast – Westerwelle – Gysi testen. Wie immer gibt es eine private Meinung, eine öffentliche, und eine veröffentlichte Meinung. Letztere ist von besonderer Bedeutung, da sich eben nicht alle so etwas angucken. Auch mich hat erst die Sekundärliteratur veranlasst, die im Web verfügbare Aufzeichnung in voller Länge zu genießen.
Damit ist zunächst mal eine Bitte um Entschuldigung an Sebastian Jabbusch fällig, denn die Moderation von Maybrit Illner war teilweise doch äußerst fahrig. Inhaltlich interessierte zunächst die Konzeption und die thematischen Schwerpunkte. Was es ausmachen kann, enge Regelwerke für solche Runden auszuhandeln, haben inzwischen alle bei Michael Spreng gelernt. Tatsächlich fiel auf, dass insbesondere Gregor Gysi wenig Möglichkeiten hatte, seine situativen Stärken auszuspielen, wofür beispielsweise die spürbare Verhackstückelung der Sendung ursächlich war.
Inhaltlich wurde gleich mal ein Drittel vom Themenkomplex Afghanistan eingenommen. Das und noch mehr die konkreten Fragestellungen schien mir allzu sehr darauf angelegt zu sein, einen Gegensatz zwischen Gysi einerseits sowie Künast und Westerwelle andererseits aufzubauen. Im anschließenden Mittelteil gab es zwar wenige Gelegenheiten, Kontroversen herauszuarbeiten, doch auch hier war es im Zweifel immer zuerst Gysi, dann Renate Künast, die man in die Defensive zu locken versuchte. Erst kurz vor Schluss wurden auch Themen angesprochen, in denen die Fronten ganz klar anders ausgerichtet sind. In der Gesundheitspolitik ist die FDP meilenweit von allen anderen entfernt, in der Rentenfrage sind die Grünen diejenigen, die anders als die Konkurrenz nicht die Augen vor demographischen Realitäten verschließen. Und eine ganze Reihe von Themen konnten in 59 Minuten natürlich gar nicht angesprochen werden. Klimapolitik, Energiewende, Verbraucherschutz – alles Fragen, bei denen vor allem die FDP in argumentative Nöte kommt.
Und was macht die veröffentlichende Meinung draus? In der Süddeutschen Zeitung zum Beispiel einen der in letzter Zeit geradezu überhand nehmenden Versuche, einen Zug nach Jamaika ins Rollen zu bringen. Einen Großteil der Journaille treibt die Sorge um, dass es auch diesmal wieder nicht für die geliebte schwarzgelbe Regierung reichen könnte, und deswegen sollen doch die Grünen bitteschön die fehlenden Stimmen dafür beschaffen, wenn es drauf ankäme. Die ebenso zahlreichen Reportagen aus den grünen Hochburgen Baden-Württembergs lassen schließlich auch nur den Schluss zu, dass die ganzen Grünen doch in Wirklichkeit nur verirrte Bürgerliche sind. Völlig abwegig scheint der Gedanke, dass gerade da so viel Grün gewählt wird, weil viele mit der Politik der sich so nennenden „Bürgerlichen“ (gemeint sind CDU, CSU und FDP) einfach mal richtig unzufrieden sind, was also gerade ein Argument gegen karibische Träume ist. Die Neigung, vor dem Hintergrund einiger Gemeinsamkeiten zwischen Grünen und FDP (die in der Summe eh überbewertet sind) Jamaika hochzuloben und eine Ampel auszuschließen, spricht ebenfalls eine deutliche Sprache.
Soweit also meine Medienkritik, erster Teil. In Bälde mehr zum Thema.
Update: Es geht gerade so weiter. Die Zeit gibt vor, „Koalitionsoptionen“ zu besprechen und liefert statt dessen die hausinterne Wunschliste – „Jamaika“ an Position drei. Genauso könnte man auch alle anderen Farbkombinationen diskutieren, die irgendjemand explizit ausgeschlossen hat. Wer garantiert mir denn, dass es nach der Wahl keine „Spanienkoalition“ (Rot-Gelb-Rot) gibt? Und warum sollten nicht die beiden konservativen Volksparteien CDU und Linke zusammengehen?