Es ist schwer von der Hand zu weisen: Realistische Machtoptionen für Bündnis 90/Die Grünen sind nach der Bundestagswahl 2009 sehr dünn. Die wünschenswerte Situation vorausgesetzt, dass Schwarz und Gelb trotz Überhang keine Mehrheit haben, ergeben sich als weitere Optionen nur noch die GroKo und Dreierbündnisse. Alle Äußerungen des Berliner Spitzenpersonals zusammengenommen, ist keiner dieser Dreier sonderlich wahrscheinlich. Anschaulicher ausgedrückt: Jamaika ist so wahrscheinlich wie eine WM-Qualifikation von San Marino, für Libanon (Rot-Grün-Rot) müsste sich Luxemburg qualifizieren, und selbst Ghana (die Ampel) kommt, um im Bild zu bleiben, allenfalls auf das Niveau der Fußballer Estlands.
Die Jamaikakoalition ist, wie ich schon ein paar Male bemerkt habe, vor allem ein Projekt aus Berliner, Hamburger und Münchner Journalistenkneipen, wo man glaubt, trendige Trends basteln zu müssen, und dabei die Farbkombinationen irgendwie zu den Cocktails passen sollen. Das Einzige, was für diese Variante spricht, ist ihre ziemlich sichere Mehrheit. Davon abgesehen hat die grüne Parteispitze deutlich genug gemacht, dass es für die karibische Mixtur keine Grundlage gibt.
Da möchte die FDP nicht zurückstehen und schließt ihrerseits die Ampel mehr oder weniger klar aus. Was auf den ersten Blick aussieht wie das logische Spiegelbild der grünen Absage an Jamaika, hat allerdings weitere Gründe, die die FDP weniger gern in den Vordergrund stellt. Denn grundsätzlich darf man daran zweifeln, dass die FDP überhaupt regieren möchte. Das würde sie nämlich in die Situation versetzen, die Praxistauglichkeit ihres Wunschkatalogs unter Beweis zu stellen. Dem werden dann aber nicht nur gesellschaftliche Mehrheiten entgegenstehen, wie in der Frage der Atomkraft, sondern vor allem das Geld, das man nicht hat, um die eigenen Steuerversprechen umzusetzen. In einer Ampel, die ein Bündnis des Ideenwettbewerbs zwischen den Koalitionären wäre, würde schnell deutlich, welche Maßnahme welcher Partei zuzuschreiben ist. Schon Rot-Grün hat Grüns im Gegensatz zur SPD nicht geschadet, weil die meisten Erfolge dieser Koalition zu Recht den Grünen angerechnet werden. Die Blöße, dass am Ende jeder sehen kann, wie realitätsfremd die FDP in vielen Dingen ist, möchte sie sich nicht geben. Dazu kommen die dann absehbaren Verluste bei Landtagswahlen, was sich dank der weiterhin aktiven Großspender zwar nicht auf die Parteifinanzen auswirken wird, aber doch auf die Zahl der zu verteilenden Posten.
Tja nun, und Rot-Grün-Rot hat die SPD ausgeschlossen. Selbst wenn man hier die verbreitete Skepsis teilen mag, so halte ich es für falsch, die Tür so fest zuzuhalten, dass man der Linkspartei nicht einmal eine Koalitionsperspektive in Aussicht stellt. Erst diese würde nämlich Antworten darauf geben, wie ernst es die PDL in manchen Punkten wirklich meint und helfen, wohlklingende Worte und Maximalforderungen von wirklichen Gestaltungsansätzen zu scheiden. In den Bundesländern ist das zum Teil schon geschehen, mit durchaus interessanten Ergebnissen. Dass es über die Inhalte hinaus durchaus auch mal um Personen gehen kann, sollte man im Übrigen ruhig zugeben. Das betrifft aber nicht nur Lafontaine, sondern auf der anderen Seite gerade Westerwelle, den bekanntlich sehr viele Leute als Außenminister ablehnen, weil sie sich nicht auf jeder Auslandsreise fremdschämen möchten.
Wenn es mit diesen Koalitionen nichts wird, muss man daher anders begründen, weswegen es sich lohnt, Grün zu wählen. Der defensive Ansatz, Schwarz-Gelb zu verhindern, verliert nicht an Gültigkeit. Weil die große Gefahr besteht, dass hier Fehlentscheidungen getroffen würden, die später schwer zu korrigieren sein werden – CO²-Emissionen etwa kann man schlecht rückgängig machen – muss der erste Schluss sein, eine andere Partei zu unterstützen, die sicher im nächsten Bundestag vertreten sein wird.
Innerhalb des so noch verbleibenden Spektrums geht es dann um die Frage, welche Partei am meisten gestärkt aus der Wahl hervorgeht und damit ihre Inhalte künftig am besten positionieren kann. Ich erwähne mal die Stichworte Energiewende, Klimaschutz, Generationengerechtigkeit, ökologische Landwirtschaft. Wem an diesen grünen Alleinstellungsmerkmalen wirklich gelegen ist, der findet sich bei Parteien mit vermeintlich besseren Machoptionen sowieso nicht wieder.
Die vertrackte Koalitionssituation hat auch Ralf Fücks, Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung, analysiert:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,649937,00.html