„Jeder gibt, was er kann“

so die Titelzeile eines Artikels in der OZ (Greifswalder Zeitung) von heute über die Greifswalder Tafel. Da schafft es der Autor doch tatsächlich, vom Respekt für die „Kunden“ der Tafel zu schreiben, ohne auch nur einen Gedanken an die Kritik an der Tafelbewegung zu verschwenden.

Respekt hat auch etwas mit Menschenwürde zu tun, und die bleibt bei der kritiklosen Betrachtung von Tafeln auf der Strecke. Was hat es mit Würde zu tun, wenn die Armen von den Abfällen der Reichen leben? Da hilft auch der Euphemismus des Geredes vom „Kunden“ nichts. Stefan Selke, Soziologie-Professor an der Uni Furtwangen und einer der bekanntesten Kritiker der Tafeln in Deutschand, spricht von einer Verstetigung statt Bekämpfung der Armut in Deutschland durch das Tafelsystem. Selbst der Vorsitzende des „Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V.“ meint, dass es doch besser wäre, wenn die Tafeln überflüssig wären.

Völlig ohne solche Betrachtungen kommt der Artikel in der OZ aus. Statt dessen lesen wir vom Hartz IV-Unterhalt (schlicht und ergreifend falsch, es geht um Ansprüche auf ALG II), den die „Beschäftigten“ der Tafel mit diesem Job aufstocken. Dabei sind es in der Mehrzahl, bzw. fast ausschließlich, sog. Ein-Euro-Jobber, da geht es nicht um Mitarbeiter, Jobs, Lohn und anderes. Ich mag zwar nicht mehr dauernd darauf hinweisen, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass dies endlich einmal begriffen wird.

Vielleicht hätte der Autor bei den Märkten, die die Tafel mit ihren nicht zu verkaufenden Waren beliefern, mal nachfragen können, was diese denn an Entsorgungskosten einsparen. Oder vielleicht nur mal ein kritischer Gedanke daran, dass es ein Skandal ist, dass unser Sozialstaat Deutschland überhaupt so etwas wie Tafeln nötig hat.

Tafeln stabilisieren auch das System „Fördern und Fordern“. Sanktionen bzw. Kürzungen des ALG II, die zu einer Unterschreitung des Existenzminimums führen (das vom Gesetzgeber definierte soziokulutrelle Existenzminimum ist die 100 %ige ALG II-Leistung), können, ohne das sich irgendwelche Sachbearbeiter großen Gewissensbissen hingeben müssen, mit dem Hinweis auf die Existenz der Tafeln verhängt werden. Da schert es dann auch nicht, dass viele Sanktionen rechtswidrig sind.

Hauptsache, jeder gibt, was er kann, die ARGE Greifswald bzw. die ABS z.B. ihre „Ein-Euro-Jobber“.

Übrigens: Ich habe großen Respekt vor jedem und jeder, der/die ehrenamtlich helfend tätig ist.

6 Kommentare bei „„Jeder gibt, was er kann““

  1. „…ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass dies endlich einmal begriffen wird.“

    Geben Sie die Hoffnung auf, berichtigen Sie jedoch bitte weiterhin!

    Dass es hoffnungslos ist, auf Besserung zu warten, begründe ich mit meinen Beobachtungen der OZ über vier Jahre. Nicht nur das Thema Alg 2/Hartz 4-Gesetz ist von der Redaktion von Anfang an kenntnisfrei, recherchearm und vor allem von oben herab bearbeitet worden. Es hat vier Jahre lang keine Besserung gegeben. Warum sollte sie nun eintreten?
    Umso wichtiger ist die Gegenöffentlichkeit. Dafür meinen Dank!

  2. […] “Jeder gibt, was er kann” – Greifswald wird Grün […]

  3. Gut beschrieben. Ehrenamt gut und schön, aber in dieser Sache zeigt die Tafel eher die Schwächen des deutschen Sozialstaates auf.

  4. […] “Jeder gibt, was er kann” – Greifswald wird Grün […]

  5. […] die Kritik an der Tafelbewegung ganz zu […]

  6. […] geraumer Zeit (am 11.12.09) hatte ich den OZ-Artikel “Jeder gibt, was er kann” kommentiert. Ich kann ohne Probleme der dortigen Text nach hier kopieren, es passt, einfach “OZ” […]

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