Greifswald. Seit Montag dieser Woche läuft in der Greifswalder Studierendenschaft die Urabstimmung zum Universitätsnamenspatron Ernst Moritz Arndt. Leider hat sich die Debatte zunehmend im Ton verschärft, nachdem sich neben externen Professoren, nun auch Mitglieder der Greifswalder Bürgerschaft zu Wort gemeldet haben.
Der Allgemeine Studierendenausschuss ist enttäuscht, dass Herr Hochschild, CDU- Fraktionsvorsitzender der Greifswalder Bürgerschaft, allen Studierenden in der Ostseezeitung ein hochschulpolitisches Engagement außerhalb des Ring-Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) abspricht. Der stellvertretende AStA-Vorsitzende sagt: „Herr Hochschild verkennt hier das breite Spektrum an Partizipationsmöglichkeiten.“
Seine Äußerung, dass sich die Studenten nur auf das Studieren konzentrieren sollen, ist in der ganzen Debatte ein Schlag ins Gesicht für alle die, die sich neben den Vorlesungen politisch und gesellschaftlich engagieren.
„Wir begrüßen natürlich studentisches Engagement und Mitbestimmung als ein demokratische Element und deshalb ist es das Recht der Studierenden, sich um die Belange ihrer Hochschule zu kümmern“, so Solvejg Jenssen, AStA-Vorsitzende.
Ein Blick in das Landeshochschulgesetz offenbart, dass nur der akademische Senat über eine eventuelle Namenänderung entscheiden kann. Und in diesem Gremium ist die Studierendenschaft auch mit 12 Senatoren vertreten. Schon deshalb handelt es sich bei der laufenden Debatte um eine, die auch die Studierenden betrifft.
Sicherlich sollen die Greifswalder Bürger sich auch äußern, denn es ist Ihre Stadt, die die Universität beherbergt. „Doch die Art und Weise wie die Diskussion geführt wird, ist unsäglich. Weder die verbalen Angriffe auf Wissenschaftler, Studierende, noch die Diffamierung von Berufsständen ist hinnehmbar“, äußert Solvejg Jenssen besorgt.
Pedro Sithoe (Stellv. AStA-Vorsitzender)
Nicht ganz richtig ist die Aussage , dass nur externe Professoren die Debatte befeuert haben.
Prof. Klüter gehört doch wohl noch zur Uni:
http://jabbusch.tose.de/uniohnearndt/2010/01/klueter/
Auch die Kommentare (LB) aus dem Lehrkörper, wie z.B. von Dirk Mellis, der wohl inzwischen einen Verband der „Verfolgten von den Vorpommern“ (VVP) gegründet hat, tragen sicher nicht zur Versachlichung der Diskussion bei. Dazu hier mein Kommentarauszug aus dem Webmoritz:
„… Der jammernde Westdeutsche*, der den permanenten Beschimpfungen, Diskriminierungen und der Unterdrückung durch die tumben Toren Greifswalds/Ostvorpommerns ausgesetzt ist, hat sein „coming-out“.
(Zitat D. M.:)
„…Man ist ja der Leserbriefspalte der OZ zur „Arndt-Debatte“ schon einiges an drastischen Aussagen gewöhnt. Da werden Studenten als „geistig unterforderte“, „verlogene“ „Intriganten“, „Wichtigtuer“ und „Politidioten“ beschimpft und Westdeutsche scheinen in Greifswald generell nur ein bedingtes Duldungs- aber in keinem Fall ein Mitspracherecht zu genießen. …“
Westdeutsche in Greifswald organisiert Selbstverteidigungsgruppen, denn Ihr seid in großer Gefahr! …“
* Wenn das Altbundeskanzler Schmidt erfährt:
http://www.bz-berlin.de/archiv/schmidt-jammer-ossis-zum-kotzen-article68073.html
Es wurde Zeit, dass es eine Aussage zu Herrn Hochschilds unsäglichem Leserbrief gab. Eigentlich wäre eine solche Sache einen Artikel wert, aber ich fange mal mit einem Kommentar dazu hier an.
Dies betrifft weniger die Arndt-Debatte, da ist jetzt schon viel geschrieben worden, als vielmehr sein Verständnis davon, worum sich ‚Studierende‘ bitte zu kümmern haben. Um ihr Studium und sonst nichts (es gab allerdings auch noch viel schlimmere Aussagen). Wenn schon hochschulpolitisch engagieren dann bitte im RCDS. Der nun tritt schon immer nicht besonders auffällig in politischen Debatten auf (vor allem nicht kritisch zu herrschenden Verhältnissen). Der RCDS fiel vor allem dadurch auf, dass er dagegen klagte, dass die Studierendenvertretungen sich allgemeinpolitisch äußern. Nun ist dies ein weiter Begriff (auch die Arndt-Debatte geht zwar um den Namen der Universität – aber hat dies nicht auch etwas allgemeinpolitisches?), aber es gab zu meiner Studiumszeit einen schönen Satz: Wenn ein ASTA sich zu Krieg und Folter äußert ist das eine allgemeinpolitische Aussage, wenn er dazu schweigt nicht? Für mich gehörte politisches Engagement zum Studium, vor allem weil häufig viel zu unkritisch Lerninhalte geschluckt werden, die große gesellschaftliche Relevanz haben. In meinem Fach, den Wirtschaftswissenschaften, sehr häufig zu sehen – oder wie soll man erklären, dass mantrahaft die Deregulierung, Privatisierung etc. gefordert wurde (und langsam wieder wird), weil der Markt ja alles viel besser regelt? Die Modelle der VWL sagen dies ja….. Also bitte weiter politisch engagieren. Die Uni oder besser Wissenschaft ist nicht unpolitisch. Und deshalb sich von einem Herrn Hochschild das Engagement nicht vermiesen lassen.
Bei der Diskussion um die Namensgebung der Universität Greifswald kann es meines Erachtens nicht um die Fragestellung gehen, ob Ernst Moritz Arndt in der historischen Debatte verkannt wird oder nicht.
Unzweifelhaft steht doch fest, dass Ernst Moritz Arndt, wenn auch aus dem zeitgeschichtlichen Kontext heraus, einen eindeutigen Fremden- insbesondere Franzosenhass hatte und obendrein antisemitische Äußerungen publizierte. Nicht umsonst wurde er deswegen 1933 durch die nationalsozialistische Diktatur zum Namensgeber der hiesigen Universität erhoben.
Angesichts dieses historischen Hintergrundes der Namensgebung und angesichts der geänderten politischen Verhältnisse in Europa erscheint es ein Gebot der Stunde, den Namen des Ernst Moritz Arndt aus dem Briefkopf der Universität zu streichen. Richtig erscheint es mir, in geeigneter Weise beispielsweise auf einer Internetseite oder einer Gedenktafel auf die Existenz des Namens in der Zeit von 1933 bis zum Jahre 2010 hinzuweisen und dabei durchaus auch die Verdienste von Ernst Moritz Arndt um die Deutsche Dichtung und die Deutsche Nation zu würdigen. Ebenso richtig erscheint es mir aber auch, diesen Namen abzulegen und mit der Ablegung des Namens ein deutliches Zeichen dafür zu setzen, dass die Universität sich dem neuen politischen Europa, d.h. dem geeinten Europa aller Nationen der Deutschen, wie der Französischen und anderer hin öffnet und sich damit der Zukunft zuwendet. In einem derartig begründeten Namenswechsel wäre ein deutliches Zeichen in Hinblick auf die geänderten politischen Realitäten in Europa zu sehen, mit dem die Universität jedermann gegenüber deutlich werden ließe, dass Sie für eine Völkerverständigung im Sinne eines geeinten Europas eintritt.
Die gestrige Bürgerversammlung im St. Spiritus zur Namensdiskussion an der Uni ist durch den kurzen Artikel in der heutigen OZ recht gut beschrieben: Die Greifswalder Bürger, die sich an der Namensdiskussion beteiligen, sind in erster Linie militärfreundlich und um das liebe Vaterland besorgt (um es vorsichtig auszudrücken) und lehnen die Namensänderung ab.
Die Arndt-Kritiker wurden während dieser Veranstaltung häufig mit höchst demagogischem Gestus als Demagogen entlarvt. Der Umgang mit dem Werk Arndts, um seinen Antisemitismus und Nationalismus zu begründen, wurde als eklektiszistisch bezeichnet und daher als unsachlich zurückgewiesen; seine Europafreundlichkeit und Modernität hingegen sind eindeutig durch vier Verse eines Gedichts, in denen das Wort Europa vorkommt, bewiesen. Den Arndt-Kritikern wurden fehlende Fakten für die Argumentation vorgeworfen; die Aufforderung hingegen, den Namen beizubehalten, wurde durch das unwiderlegbare Argument „Ist doch selbstverständlich!“ unterstützt.
Das Bild, das die gestrige Veranstaltung bot, war, daß der Greifswalder Bürger männlich und mindestens 70 Jahre alt ist und irgendwann in den fünfziger oder sechziger Jahren in Greifswald studiert hat (Ausnahmen bestätigen die Regel), wodurch sich der Gedanke festsetzt, daß es weniger um den Namen der Universität und seine Beibehaltung geht als um die eigene Identität („Das sollen uns die Wessis nicht auch noch wegnehmen!“).
Ich hielt Greifswald bisher für konservativ. Der gestrige Abend zeigte mir, daß die stockkonservative katholischen Bayern geradezu ein Leuchtturm der Aufklärung sind, im Vergleich zu der Ansammlung verbohrter und verbiesterter Traditionalisten und chauvinistischer Militaristen, die die „Greifswalder Bürger“ repräsentieren. Teilweise wurde mir angesichts des imaginären Säbelgerassels des anwesenden Pommertums speiübel.
Selbst der normalerweise zurückhaltende Joachim Wächter hielt eine große Volksrede, die vor Geschichtsklitterungen nur so wimmelte; beispielshalber habe es ja erst mit Zerstörung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation durch den Fremdherrscher und Tyrannen Napoleon eine Vielstaaterei in Deutschland gegeben, und Arndts Forderung, allen Franzosen den Schädel einzuschlagen, sei zur „Wiederherstellung“ des „einigen Vaterlandes“ völlig berechtigt – eine bewußt irreführende Voraussetzung für eine komplett falsche Folgerung. Und so den ganzen Abend. Es war scheußlich!
Natürlich gab es auch ein paar löbliche Ausnahmen – eine von den wenigen war z. B. Sebastian Ratjen, der sich eindeutig für die Beibehaltung des Namens aussprach, aber die Diskussion um ihn für wichtig und unverzichtbar hielt. Wenn aber ein Herr Ratjen, der ja bekanntermaßen auch gerne die rechtsextreme „Modemarke“ Thor Steinar verteidigt, die positive Ausnahme ist, kann man sich den Rest vorstellen.
Einziger wirklicher Erkenntnisgewinn: Ein Besucher nannte im Unterschied zu allen anderen seinen Namen nicht, obwohl er mehrere Wortbeiträge leistete. Erst als jemand auf die Namensnennung bestand , nannte der berühmte Leserbriefschreiber „Bodo Müller aus Potthagen“ seinen Namen. Er ist so, wie seine Leserbriefe in der Ostsee-Zeitung…
Wenn der Senat bisher nicht überzeugt davon war den Namen abzulegen, so war die gestrige Veranstaltung bestens dazu geeignet, genau das zu erreichen!
Dieser Beitrag war gestern schon kurzeitig im Webmoritz in diesem Diskussionsforum zu lesen:
http://www.webmoritz.de/2010/01/21/arndt-und-die-burger-die-zweite-anhorung-der-namenskomission/#IDComment53339158
Nachdem ret_marut über die Identität des Verfassers mit irgendwelchem Hintergrundwissen spekulierte, war er wieder gelöscht und ist, oh Wunder, seit 12:13:03 mitteleuropäischer Winterzeit, unter dem Pseudonym „HeinerM“ mit geringfügiger Modifikation wieder da.
Sozusagen ein anonymes Wiederverwendungsprojekt.
Der „Jemand“, der auf Namensnennung bestand, war M. Peters. Alle anderen, auch die anonymen Zwillinge Heiner und Peter M. waren ob der Wortgewalt von B. Müller offensichtlich zu feige zu fragen.
Dass ich die Veranstaltung etwas anders erlebt habe als oben beschrieben, dürfte hier nicht verwundern.
Siehe auch die Kommentare zu:
http://jabbusch.tose.de/uniohnearndt/2010/01/tiefpunkt-professoren-mussen-eigene-anwesenheit-begrunden/