Der geübte Populist Koch und die Arbeitspflicht für ALG II-Berechtigte

Der CDU-Vize und hessische Ministerpräsident Roland Koch hat bekanntlich eine Arbeitspflicht für ALG II-Berechtigte gefordert, worauf einer unserer Leser bereits frühzeitig hinwies. Klarer kann nicht zum Verfassungsbruch (Verstoß gegen Art. 12 GG) aufgerufen werden. Ursula von der Leyen, die zuständige Bundesministerin, kritisiert ihn zwar, um aber gleichzeitig konsequenteres Sanktionieren anzumahnen.

Dazu eine Pressemitteilung der grünen Bundestagsfraktion:

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Frechheit die erst wenige Wochen im Amt befindliche Arbeitsministerin von der Leyen ohne jede Sachkenntnis mehr Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger fordert. Die Jobcenter sind heute schon nicht in der Lage, eine vernünftige Rechtsanwendung zu garantieren. Sie haben zwischen Januar und November 2009 fast 270.000 falsche Hartz-IV-Bescheide ausgestellt. In manchen Bundesländern hat über die Hälfte der Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide Erfolg, schon bei den Widersprüchen sind es weit über ein Drittel.

Statt bei dem geübten Populisten Roland Koch in die Lehre zu gehen, sollte von der Leyen vielleicht mal einige Schichten im Jobcenter einlegen, um zu sehen, wie dort unter unzureichenden Bedingungen Fehler am laufenden Band produziert werden und das Recht der Bürgerinnen und Bürger mit Füßen getreten wird.

In Deutschland gibt es fünf Millionen Jobs zu wenig, nicht zu wenig Menschen, die gern arbeiten möchten. Es kommt also gar nicht darauf an, ob man Sanktionen für legitim hält. Sie sind schlicht und einfach ein grandioses Beispiel politischer Fehlsteuerung.

(c) Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen“

Liebe Bundestagsfraktion,

eine kurze Anmerkung sei gestattet. Zum wiederholten Male wird so getan, als wäre das Hauptproblem bei Hartz IV die zugegebenermaßen schlechte Verwaltungspraxis („im Jobcenter … Fehler am laufenden Band produziert“) und nicht bereits im System Gesetz angelegt.

Sanktionen stehen im SGB II und sind nicht Ergebnis der Praxis. Bedarfsgemeinschaften, die zivilrechtlich nicht Unterhaltspflichtige in die (sozialrechtliche) Haftung nehmen, sind Erfindung des 2003 (!) beschlossenen SGB II. Durch die Bedarfsgemeinschaften werden an sich nicht Hilfebedürftige zu eben solchen gemacht. Zahlreichen Pflichten stehen kaum Rechtsansprüche gegenüber. Die Beweislast tragen in Zweifelsfällen die Betroffenen dieses Systems, usw.

Und zur Arbeitspflicht fallen mir spontan die „Ein-Euro-Jobs“ ein, auch eine Erfindung der Agenda 2010.

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