Kinderarmut mit System – *update*

Die Versuche der Bundesregierung, die Unvereinbarkeit des eigenen Wunschkataloges mit einer soliden Haushaltsführung in konkrete Vorschläge zu gießen, führte nun bekanntlich zu höchst unbefriedigendem Stückwerk. Neben einigen allzu offensichtlichen Placebos ist die soziale Schlagseite der haushältlerischen Ideen ihr auffälligstes Merkmal, mit anderen Worten: Die soziale Schere soll weiter geöffnet werden.
Am Beispiel „Elterngeld“ kann die schwarzgelbe Strategie am besten nachvollzogen werden. Das soll nun für Hartz-IV-Empfänger wegfallen. Begründung: Es sei „systemwidrig“.
System steckt hingegen schon seit geraumer Zeit hinter den Versuchen, das Problem der Kinderarmut weiter zu verschärfen statt zu bekämpfen. Beim Elterngeld wird nun deutlich, dass die gesamte Konstruktion aus dem damaligen hause von der Leyen von Anfang an höchst fragwürdig war. Wenn nämlich als Begründung für das Elterngeld der Verdienstausfall – unter Schwarzrot teilweise, unter Schwarzgelb ausschließlich – entscheidendes Moment sein soll, hat man schnell einen passenden Vorwand in der Hand, Hartzern ein paar Leistungen vorzuenthalten.
Wohin das – abgesehen von der Frage, ob hier nicht ohnehin mal wieder das Existenzminimum unter Beschuss genommen wird – führt, ist schnell erzählt. Kinder aus finanziell schwächeren Familien bekommen noch schlechtere Chancen auf eine gleichberechtigte Entwicklung als bisher schon. Egal, ob bei der Sozialpolitik oder der früh selektierten Schulpolitik oder beim Gebührenstudium: Die Konservativen und sogenannten Liberalen folgen immer demselben Muster, nämlich dass gesellschaftliche Schichtungen so gut wie möglich zementiert werden sollen.
Schon der Dreiklang aus hohen Steuerfreibeträgen für Gutverdienerkinder, normalem Kindergeld für Mäßigverdienerkinder und (immer noch nicht verfassungsgemäßem) Kinder-Hartz für Hartzkinder ist ein Unding. Ein Dreiklassensystem für Kinder sollte sich keine Gesellschaft leisten. Mit den beabsichtigten Änderungen beim Elterngeld würde es stattdessen noch ausgebaut.
Kindererziehung an sich sollte einer Gesellschaft im Wortsinne etwas wert sein. Alle, die gehofft hatten, das Elterngeld könne einen Einstieg in eine angemessene, auch finanzielle, Anerkennung von Erziehungsarbeit außerhalb offizieller Institutionen darstellen, sehen sich nun getäuscht. Darum ging und geht es in Wirklichkeit nicht. Der Systemwechsel ist zwar zu erkennen, doch in die richtige Richtung geht er nicht.

Update: Für die bündnisgrüne Bundestagsfraktion äußert sich nun Katja Dörner und weist darauf hin, dass die Regierungspläne auch noch auf die Bevorzugung von Alleinverdiener-Ehen hinauslaufen.

2 Kommentare bei „Kinderarmut mit System – *update*“

  1. Wann, wenn nicht jetzt? Wer, wenn nicht wir? Die erste Bürgerpflicht nach Vorlage des schwarz-gelben Spardiktats heißt: Auf die Straße! Nicht gegen Haushaltssanierung grundsätzlich. Die ist alternativlos. Aber gegen das einseitige Spardiktat, das Schwarz-Gelb verordnet.

    http://www.fr-online.de/top_news/2731589_Kommentar-zum-Sparpaket-Auf-die-Strasse.html

  2. […] berichteten bereits am 08.06.10 über die “Kinderarmut mit System” im Sparpaket. Dabei ist uns ein Fehler unterlaufen. Wir unterstellten der Bundesregierung, dass sie […]

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