Den folgenden Appell „Armutsfest statt Almosen“ hat eine Gruppe von Bündnisgrünen um die Erstunterzeichner Peter Alberts (KV Münster), Robert Zion (KV Gelsenkirchen), Ralf Henze (KV Odenwald-Kraichgau und Jörg Rupp (KV Karlsruhe, Landesvorstand Baden-Württemberg) heute Mittag gegen 12:30 an den bündnisgrünen Bundesvorstand und die bündnisgrünen Bundestagsabgeordneten aus Fraktionsvorstand und Arbeitskreis 1 verschickt.
Zum Hintergrund: Heute tritt eine weitere Verhandlungsrunde um die Ministerpräsidenten Beck, Böhmer und Seehofer zusammen. Der hier und hier beschriebene mögliche Kompromiss wäre nach Ansicht des Erstunterzeichners Peter Alberts „ein erneuter Verfassungsbruch mit Ansage“.
Appell: Armutsfest statt Almosen
Es geht um die Menschenwürde
Wenn wir über eine grüne Position zur Neuregelung der Hartz IV-Gesetzgebung nachdenken, ist es notwendig, sich zuerst die Prämissen dafür noch einmal klar zu machen. Der Hartz IV-Regelsatz beschreibt das absolute Minimum, das für ein menschenwürdiges Leben in diesem Land notwendig ist. Deswegen ist er keine beliebige politische Stellschraube, an der in die eine oder andere Richtung gedreht werden kann, sondern er hat direkte und unmittelbare Relevanz für das oberste Staatsziel des Grundgesetzes, die Wahrung der Menschenwürde.
[…]
- Eine Neuregelung muss nachvollziehbar gerechnet armutsfest sein. Orientierungsgröße dafür ist für uns die Forderung der Wohlfahrtsverbände: 420 EUR. Wir anerkennen, dass diese Zahl eine Verhandlungsgrundlage ist. Gleichwohl ist eine deutliche Abweichung nach unten in die von der Bundesregierung angebotene Region von 370 EUR für uns unter keinen Umständen zustimmungsfähig.
- Eine Neuregelung muss gerichtsfest sein. Wir durchschauen den Versuch von Ministerin von der Leyen, das Thema Hartz IV im Superwahljahr 2011 von der politischen Bühne zu holen und dabei einen erneuten Verfassungsbruch bewusst in Kauf zu nehmen. Wir werden keiner Neuregelung zustimmen, an deren Verfassungskonformität begründete Zweifel bestehen. Den von einer voraussichtlich erneut verfassungswidrigen Neuregelung Betroffenen sagen wir unsere Unterstützung und Solidarität beim erneuten Klageweg zu.
- Eine Neuregelung muss einen soliden, transparenten und realitätstauglichen Mechanismus zur Berechnung der Regelsätze enthalten. Die Wahrung der Menschenwürde mit der untersten Auffanglinie des Hartz IV-Regelsatzes darf nicht nach Kassenlage berechnet werden. Gerade das hat das BVerfG zu Recht gefordert und genau dem kommt der jetzige faule Vorschlag aus der Vermittlungskommission nicht nach.
Wenn auch nur einer dieser drei Kernsätze nicht erfüllt ist, kann es aus unserer Sicht keine grüne Zustimmung geben. Wir fordern deswegen von unserer Bundestagsfraktion, jedes derartige Vermittlungsergebnis abzulehnen. Von den grün mitregierten Bundesländern fordern wir, jedem derartigen Vermittlungsergebnis im Bundesrat nicht zuzustimmen.“
Der gesamte Appell ist auf der Website von Peter Alberts veröffentlicht und nachzulesen.
*Update 21.02.11*
Die Bündnisgrünen haben vor der Einigung die Gespräche verlassen. Süddeutsche.de zitiert Renate Künast mit den Worten, es sei nicht erkennbar, „den Regelsatz verfassungskonform zu machen.“
Erhellend ist, dass für die SPD die Verfassungsmäßigkeit der Regelsatzerhöhung keine Prinzipienfrage ist. Ja was denn sonst?
[…] dem Blog der Greifswald wird Grün entdeckte ich zu meiner Freude, was Peter Alberts (Münster) in seinem Blog schrieb und was einem […]
Ich habe mit Freude diesen Artikel (und den Appell) gelesen und möchte den interessierten Leserinnen und Lesern dieses Blogs auf meinen Artikel zum gleichen Thema hinweisen: Hartz IV – der Regelsatzkrampf…“
Es ist schon auffallend, wie schnell die SPD sich hier einigen kann, sobald die grünen Verfassungspatriot_innen aus den Gesprächen aussteigen. Was nützt es, auch mal am richtigen Punkt standhaft zu bleiben, solange es da immer noch die real existierende Sozialdemokratie – mit Manuela Schwesig als Oberverhandlerin – gibt?
Der Satz müsste lauten: ‚Es ist schon auffallend,wie schnell die grünen VerfassungspatriotInnen aus den Gesprächen ausgestiegen sind, als sich abzeichnete, dass SPD und CDU sich einigen würden.‘ Was auch hätten sie noch zu gewinnen gehabt? Auf ihre (Nicht-)Stimme kommt es im Bundesrat nicht mehr an. Also retteten sie von ihrer Glaubwürdigkeit, was zu retten war für die anstehenden Wahlkämpfe, zumal im Parteienspektrum kaum mehr Platz für noch eine „bessere CDU“ ist.
Ich denke, dass Manuela Schwesig das „tolle“ Verhandlungsergebnis nicht anzulasten ist. Kurt Beck hatte die staatstragende Notbremse gezogen und ihr das Heft aus der Hand genommen. Und auch Sigmar Gabriel hat andere Prioritäten gesetzt und lässt das Verfassungsgerichtsurteil erst mal auf sich beruhen: „Müller: Herr Gabriel, wir haben noch gut eine halbe Minute. Dennoch die Frage. […] die Grünen sind ausgestiegen mit der Argumentation, alles nicht verfassungskonform. Könnten die recht haben?
Gabriel: Die könnten recht haben, ja. …„ (aus einem Interview des Deutschlandfunks).
Ob sich die Leser hier noch erinnern können wer überhaupt für die Harzt 4 Gesetzgebung verantwortlich ist..? Falls nicht kann man hier nachschlagen:
Jutta Ditfurth
“Grünen-Wähler wollen getäuscht werden”
“Am Beispiel der Grünen lässt sich das neokonservative Rollback in diesem Land sehr gut zeigen – das ist das Thema des Buches. Ich habe mir angesehen, wie die Grünen ihre Wähler einbinden, obwohl sie oft das Gegenteil von dem tun, was sie sagen: Bei der Atomkraft, in Kriegs- und in sozialen Fragen. Die Grünen sind Meister in der Kunst des Verrats.”
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,745943,00.html