Wir hätten es wissen müssen: Der hier kritisierte OZ-Artikel über die geplante Abschiebung einer armenischen Familie ruft den Stammtisch auf den Plan. In der heutigen gedruckten OZ werden eine Reihe von Leserbriefen veröffentlicht, die so vorauszusehen waren.
So meint ein Leser, dass er für die Abschiebung von Ausländern sei, die nach Deutschland kommen, um sich in die soziale Hängematte zu legen. Selbst wenn es solche Menschen geben sollte, so ist es immer noch schiere Not in ihrem Heimatland, die sie auf das soziale Nagelbett in der BRD treibt.
Eine andere Leserin empfindet Scham … angesichts der menschenverachtenden Politik unseres Landes. Dies aber nicht allgemein zur bundesdeutschen Wirklichkeit in der Ausländerpolitik, sondern ausdrücklich deshalb, weil vier sympathische Menschen kriminalisiert werden. Wie wäre es denn, wenn vier unsympathische Menschen kriminalisiert würden? Hier zeigt sich, dass die Überbetonung des „netten“ und „sympathischen“ Auftretens der Familie in der Berichterstattung genau diese Reaktion hervor ruft. Denn sie (die Briefeschreiberin) vergleicht die geplante Abschiebung mit der Schmerzengeldzahlung an den Mörder (!) Magnus Gäfgen. Das Unverständnis, das aus diesen Worten spricht, steht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Berichterstattung, die auf die Tränendrüse drückt, ohne die rechtlichen Hintergründe zu beleuchten. Wollen wir wirklich zwischen „sympathischen“ und „unsympathischen“ Menschen im Zusammenhang mit Abschiebungen (allein 7648 Menschen im Deutschland des Jahres 2010) unterscheiden? Wenn dies konsequent zu Ende gedacht würde, wer bestimmt dann dieses Kriterium? Ein Thilo Sarrazin zum Beispiel ist sicherlich vielen Menschen sympathisch, mir nicht. Solche Kriterien können nur als willkürlich bezeichnet werden und sind deshalb ungeeignet. Dann doch lieber eine „blinde Justitia“.
Apropros „Blinde Justitia“: Unter diesem Titel kommentiert ein Redakteur der OZ heute das Urteil im Schmerzensgeldprozess Gäfgen. Er meint, Gäfgen habe seine Menschenwürde weggeworfen, als er den kleinen Jakob tötete. Dem Schreiber sei Artikel 1 des Grundgesetzes zur Lektüre empfohlen: Die Würde des Menschen ist unantastbar, was auch bedeutet, dass sie unveräußerlich ist. Daran und nur daran haben sich bundesdeutsche Behörden zu orientieren, weshalb eine Folterandrohung selbstverständlich eine Verletzung der Menschenwürde darstellt, so nachvollziehbar auch die Handlung des Polizeibeamten erscheinen mag. Wir können doch nicht ernsthaft wollen, dass jetzt jede Polizeistation mit Folterwerkzeugen ausgerüstet wird. Gäfgens Anwalt bezeichnete die Entscheidung laut taz als „wichtiges Signal für die Menschenrechte“. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Gut, dass die von der Abschiebung bedrohte Familie vorerst bleiben darf. Ich hoffe, für immer.
Gäfgens Anwalt bezeichnete die Entscheidung laut taz als wichtiges „Signal für die Menschenrechte.“ Dem ist nichts hinzuzufügen, ist Ihre Ansicht.
Jeder der Kinder hat, will sich bestimmt nicht vorstellen, wie schlimm es ist, ein Kind zu verlieren. Das können auch nur Betroffene.
Wer ein Kind ermordet und dessen Verbleib verschweigt, darf wahrlich nicht in Watte gepackt werden. Gern sollen Polizisten es aus einem Kindermörder, wenn es gar nicht anders geht, von mir aus auch herausprügeln.
Man muss nur versuchen, sich wenigstens ein bisschen in die Lage der Eltern zu versetzen.
Gewalt gegen Kriminelle ist kein gutes Mittel, aber wenn Kinder verschwinden, dann sollte der Staat auch zu härteren Mitteln greifen dürfen.
Dieser Kommentar drückt in etwa aus, was ich meine:
„Die Beamten, die Gäfgen am 1. Oktober 2002 Gewalt androhten, wenn er das Versteck seines Opfers nicht verrate, haben getan, was sie tun zu müssen glaubten. Sie haben, pathetisch gesagt, die Verantwortung auf sich genommen, als sie eines der wichtigsten rechtsstaatlichen Prinzipien verletzten, um das Leben eines Kindes zu retten. Das Paradox: Die Polizisten haben das vermutlich Richtige getan. Und sie sind zu Recht dafür bestraft worden.“
Das Urteil „wird der Sache, so gut es eben geht, gerecht.“
Mehr hier: http://www.taz.de/Urteil-gegen-Gaefgen/!75775/
Ich kann jede Mutter, jeden Vater verstehen, die in solchen Fällen zu Selbstjustiz greifen. Ich kann den Polizeibeamten verstehen, der meinte, Folter androhen zu müssen. Ich kann das als Privatperson gutheißen, der Staat darf es nicht.
Lieber Gregor,
Deine Argumentation finde ich nicht sehr hilfreich. Ein Flüchtling der in Deutschland Asyl beantragt stellt einen Antrag auf temporäre Aufnahme zum Schutz gegen Verfolgung. Der Staat prüft nur, ob der Flüchtling politisch verfolgt wird und ob er abgeschoben werden kann. Mehr beinhaltet dieser Status nicht.
Aufgrund dieser Sachlage müssen wir zwingend das Rechtvefahren zur Erlangung der Statusbürgerschaft für Flüchtlinge ändern. Sonst fallen nur Entscheidungen, die auf „symphytisch“ oder „unsympathisch“ beruhen.