Blick über die Grenze

Eine Art europäischer Superwahltag erwartet uns morgen am 6. Mai. Auch wenn etwa die Wahl des griechischen Parlamentes von einiger Bedeutung für die Zukunft des europäischen Projektes ist, auch wenn uns natürlich sehr interessiert, was in unserem Nachbarbundesland Schleswig-Holstein passiert, so findet der in globaler Sicht wichtigste Urnengang im Westen Europas statt.
Bei der Stichwahl um das Amt des französischen Staatspräsidenten werden nach den letzten Erhebungen dem Bewerber der Linken, François Hollande von der Sozialistischen Partei, etwa 53% der Stimmen vorausgesagt, dem konservativen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy etwa 47%. Der Vorsprung Hollandes ist konstant, aber der Ausgang damit nicht sicher.
Ich halte François Hollande nicht für eine politische Offenbarung. In der Rückschau der fünf Sarkozy-Jahre wird jedoch deutlich, weswegen ein Wechsel auch aus europäischer Sicht und auch mit grün gefärbter Perspektive zu wünschen ist.
Das Programm Hollandes wird vielfach, gerade auch in deutschen Medien, skeptisch bis negativ dargestellt. Bei näherem Hinsehen ist nichts dabei, wovor irgendjemand Angst haben müsste. Am Hinweis, dass man Europa nicht rettet, indem man nur kürzt und spart, ohne den Betroffenen irgendeine Perspektive in Aussicht zu stellen, kann ich nichts Falsches erkennen. Das Sparen auf Kosten des gesellschaftlichen Zusammenhalts ist eine Linie der europäischen Konservativen, die dringend eines Korrektivs bedarf. Europa wurde in der Vergangenheit dann am besten vorangebracht, wenn in den großen Mitgliedstaaten unterschiedliche politische Richtungen den Ton angaben. Mit dem Sparen aufhören möchte Hollande auch nicht, sondern lediglich auch andere Handlungsoptionen der Politik nutzen. Die starke Betonung des Wachstumsbegriffes nervt ein wenig, das ist aber auch ein Grund, weswegen auch in Frankreich die Sozialdemokratie einer stärker werdenden grünen Konkurrenz bedarf.
Entscheidend ist aber, dass der Amtsinhaber für eine schädliche Politik der Spaltung steht. Schaut man auf die Ergebnisse von Nicolas Sarkozy im ersten Wahlgang, so stellt man fest, dass der Präsident hauptsächlich da gut abschneidet, wo viel Geld wohnt. Seine Hochburgen liegen in den Nobelvororten von Paris und Lyon und den „mondänen“ Orten an der Mittelmeerküste. Andere traditionelle Hochburgen der Konservativen konnte er anders als früher Jacques Chirac weitaus weniger gut zufriedenstellen. Der Präsident machte fünf Jahre Politik für die finanziell ohnehin schon Bessergestellten.
Das weitaus größte Problem an Sarkozy ist aber seine Übernahme von fremdenfeindlichen Parolen des Front National. Diese Anbiederung an die äußerste Rechte ist nicht neu, wenn man sich an Sarkozys Zeit als Innenminister erinnert. Gut in Erinnerung geblieben ist die Aussage, die sozialen Unruhen in den Vorstädten von Paris müsse man „mit dem Kärcher bekämpfen“. Zuletzt nannte auch der Zentrumspolitiker Bayrou, Fünftplazierter im ersten Wahlgang, den Rechtskurs des amtierenden Präsidenten als Hauptgrund dafür, dass er im zweiten Wahlgang für Hollande stimmen werde.
Es gibt Gründe genug, am Abend des 6. Mai nicht nur nach Kiel, sondern auch über die deutschen Grenzen hinaus zu schauen. Vor allem nach Paris.

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