Wie der Berichterstattung über den grünen Länderrat vom vergangenen Sonntag zu entnehmen war, hat sich dort eine knappe Mehrheit der Delegierten dafür ausgesprochen, dem zwischen Bundesregierung sowie den Partei- und Fraktionsspitzen von SPD und Grünen ausgehandelten Kompromiss zur europäischen Finanzpolitik zu unterstützen.
Das Ergebnis von 40:37 ist dabei bei weitem nicht so deutlich, wie einige der verhandelnden grünen Spitzenleute, allen voran Jürgen Trittin, es im Vorfeld „angekündigt“ hatten. Die Alternative, eine Zustimmung nur unter weiteren Voraussetzungen zu empfehlen, wurde dabei nicht nur von der Europafraktion (von der ohnehin nur Sven Giegold im Länderrat stimmberechtigt ist) oder Nicht-Funktionsträger_innen unterstützt, sondern auch von einer ganzen Reihe Bundestagsabgeordneter. Auch die gängigen Flügelzuordnungen halfen bei der Orientierung diesmal nicht.
Als Hauptkritikpunkt stellte sich erwartungsgemäß das Fehlen eines europäischen Schuldentilgungsfonds heraus. Ohne dieses Instrument wird eine Angleichung des Zinsniveaus in der Eurozone nicht möglich sein. Spekulation gegen einzelne Volkswirtschaften wird ohne einen solchen echten Einstieg in eine Wirtschaftsunion daher weiterhin möglich sein. Weitere Kritikpunkte waren die unklare Ausrichtung des Investitionspaktes und die fehlende Beteiligung der Parlamente.
Als Vertreter des Landesverbands Mecklenburg-Vorpommern im Länderrat habe ich mich dieser Kritik angeschlossen. Die Mängel an den ausgehandelten Vereinbarungen waren mir dabei zu groß, um eine Zustimmung empfehlen zu können, so dass für den Vorschlag der Europafraktion gestimmt habe. Damit soll keine Kritik an den grünen Verhandler_innen verbunden sein. Bei Kauder, Rösler oder Seehofer ist eben auch die beste Didaktik verloren, auf Vernunft oder Einsicht kann man da nicht unbedingt setzen. Die Einsicht etwa, dass Schulden nur die eine Seite eines Problems sind, dessen andere Seite Vermögen sind, ist da wohl zu schmerzhaft.
Ich hatte in der Debatte das Glück, als Redner gezogen zu werden und habe dabei zum Ausdruck gebracht, dass auch ein „Nein“ verantwortlich sein kann, zumal die eigene Messlatte eine deutlich andere war, wenn sie nicht zum Jonglieren genutzt wird.
Insgesamt war es erfreulich, dass unter 34 Debattenredner_innen nur fünf von vornherein gesetzt waren. Es gab darüber ein wenig Unmut bei den Finanzer_innen der Bundestagsfraktion, die allesamt nicht gezogen wurden. Ich behaupte aber, dass das nicht entscheidend war. Wenn der Länderrat einem „Basisvotum“ wenigstens nahekommen soll, dann müssen die Chancen, reden zu dürfen, gleich verteilt sein.
Der Vorwurf, der Länderrat als „Funktionärsgremium“ neige zur Basisferne, wurde angesichts der knappen Entscheidung von vielen weitergeführt, die äußerten, eine große BDK hätte anders entschieden. Ich teile diese Auffassung nicht. Zwar wäre auf einer BDK der Anteil von Abgeordneten und Landesvorständen geringer. Doch der Funktionärsanteil ist auch dort durch entsprechende Vertreter_innen der unteren Ebenen nicht niedrig, außerdem wird ein größerer Anteil Delegierter, die sich mit dem Thema weniger intensiv befasst hat, eher dazu neigen, dem Bundesvorstand das Leben nicht zu schwer zu machen. Kurz: Die Effekte dürften sich ausgleichen.
Im Nachgang gibt es einige Unstimmigkeit darüber, wie mit dem knappen Resultat jetzt umzugehen sei, vergleiche dazu auch die heutige taz. Ich bin der Meinung, dass es gute grüne Tradition ist, gerade bei knappen Entscheidungen auch die unterlegene Minderheit zu respektieren. Dazu gehört, sie hinsichtlich ihres Abstimmungsverhaltens am Freitag nicht zusätzlich unter Druck zu setzen. Alles andere hieße, sich wie schlechte Gewinner zu verhalten.
Ebenfalls bin ich der Auffassung, dass eine Sonder-BDK damit keinesfalls vom Tisch ist. Das Bedürfnis, über Europa zu diskutieren, ist groß. Und mit den Abstimmungen in Bundestag und Bundesrat am Freitag sind die Diskussionen selbstverständlich noch lange nicht beendet.
Frau Merkel ruft laut von der Brücke der Titanic:
„Der Wassereinbruch ist kein Problem. Sprengt einfach nur ein zweites Loch in den Rumpf, dann kann das Wasser wieder ablaufen!“
Alle Parteien bis auf Die Linke, sind erleichtert und beginnen sogleich mit der Vorbereitung für die Sprengung.”
Hallo Kay,
wirklich basisdemokratisch wäre eine Abstimmung im WW aller Mitglieder_innen gewesen auch ohne Redebeiträge.
Die Basis ist in der Lage, sich angesichts der digitalen Hilfsmittel eine eigene Meinung zu bilden.
Das Vertreter_innenprozedere ist etwas aus dem 19. Jhd., in dem 90% der Bevölkerung unabkömmlich in einer Fabrik oder in der Landwirtschaft arbeiteten und gehört deshalb abgeschafft.
Herzlichst, Torsten
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