Pressemitteilung und persönliche Erklärung des parteilosen Kreistagsmitglieds (SPD-Fraktion) Rainer Dambach

zum Thema: Sitzung des Kreistags in Greifswald am 5.12.2011

Zuerst erstaunt und dann immer nachdenklicher verfolgte ich die Berichte in den Medien über den abgebrochenen Kreistag in Greifswald am 5. Dezember. Und als dann auch noch Kreistagsmitglieder unterschiedlichster politischer Couleur Kommentare  abgaben, wurde für mich erneut transparent, dass sich einige Leute in Presse und Politik schon viel zu sehr mit den Vertretern der NPD in kommunalpolitischen Gremien abgefunden haben.

Für mich ist nicht der „Krawall“ hervorgerufen durch Luftballons und Pfeifen der Skandal. Der Skandal sind die Vertreter der NPD, die öffentlich und offen, in Deutschland ihre Parolen verbreiten können. Hat Deutschland nicht hier genug gelitten? Haben solche Gedanken nicht Millionen Menschen das Leben gekostet? Die NPD ist für mich keine politische Partei – sondern ein Desaster für die deutsche Demokratie.

Aktionen, wie die im Kreistag zu Greifswald, finde ich daher grundsätzlich legitim. Ich konnte übrigens das Geschehen auf der Galerie gut beobachten. Die Demonstranten mit den Luftballons waren friedlich. Sie pfiffen und lärmten und entrollten ein Transparent – aber sie setzten keinerlei körperliche Gewalt ein. Auch dann nicht, als sie von Anhängern der NPD körperlich angegriffen wurden. Es hätte fairer Weise auch berichtet werden müssen von welcher Gruppierung  körperliche Gewalt ausging.

Außerdem finde ich es sonderbar, wenn immer wieder betont wird, die NPD-ler seien ja demokratisch gewählt. 1933 kam die NSDAP auch ganz demokratisch an die Hebel der Macht. Sie hebelten danach mit dieser Macht jegliche Demokratie aus. Und was die Argumente angeht, die immer wieder in der Auseinandersetzung mit der NPD angemahnt werden, so finde ich sie gut und wichtig. Argumente erreichen jene, die noch nicht völlig verblendet sind. Die, die für die NPD in politischen Gremien sitzen, sind der harte Kern. Soziologische und psychologische Studien bewiesen, dass der harte Kern durch Argumente nicht erreichbar ist. Es sind daher vielfältige Aktionen notwendig. Es muss sichtbar und hörbar werden, dass die Meinung, die die NPD vertritt, nicht tolerabel ist.

Ganz seltsam fand ich die Schuldzuweisungen an Bündnis 90/Die Grünen wegen des abgebrochenen Kreistages. Der Abbruch des Kreistags wurde nicht durch den Protest hervorgerufen. Der Kreistagspräsident ließ den Saal räumen. Das war unvermeidlich und völlig korrekt. Danach ging es leider nicht korrekt weiter. Nach der Räumung und nach einer Pause hätte der Kreistag fortgesetzt werden können. Eine Sperrung der Galerie wäre  sinnvoll gewesen. Zuschauer hätten im Saal Platz gefunden – eventuelle Störer wären sofort sichtbar gewesen und hätten entfernt werden können. Sicherlich hatte das Präsidium des Kreistages eine undankbare Aufgabe. Es ist auch verständlich, wenn ehrenamtliche Kommunalpolitiker an die Grenzen ihres Wissen und ihrer Belastung kommen. Aber der Tumult allein rechtfertigte den Abbruch der Kreistagssitzung nicht. Hervorgerufen wurde der Abbruch letztlich durch einen Mangel an Souveränität im Präsidium.

Daher finde ich auch die mehrfach geäußerte Meinung, Greifswald sei als Tagungsort ungeeignet, absurd. Solche Aktionen sind an keinem Tagungsort ausgeschlossen – denn, das aktive Auseinandersetzen mit in den neuen Nazis und ihren alten Gedanken, ist überall im Land unabdingbar: auch in Anklam, auch in Pasewalk!

Rainer Dambach, Mitglied des Kreistages
Bürgermeister der Stadt Pasewalk

13 Kommentare bei „Pressemitteilung und persönliche Erklärung des parteilosen Kreistagsmitglieds (SPD-Fraktion) Rainer Dambach“

  1. Danke Herr Dambach für die Klarstellung!
    Die Greifswalder Piraten sehen dies ebenso: http://piraten-hgw.de/2011/12/nazis-wegbassen/

  2. Hitler, Hitler…

    Natürlich gehört die Vergangenheit unseres Landes zu unserer Geschichte. Aber solche Sätze :

    „Der Skandal sind die Vertreter der NPD, die öffentlich und offen, in Deutschland ihre Parolen verbreiten können.“

    bezogen auf die letzte Kreistagssitzung sind mehr als zynisch.
    Da geht es um gelebte Demokratie und Hitlervergleiche sind völlig fehlplatziert. Wieder einmal verschliesst jemand die Augen vor der Tatsache, dass diese Partei von Menschen gewählt wurde. Auch wenn mir persönlich das nicht passt, es gibt mir nicht das Recht die Stimme der anderen Menschen abzuwerten. Warum verprügeln wir potientielle NPD Wähler nicht einfach bevor sie Ihre Stimme abgeben können? Auf diese Art und Weise würde jedenfalls noch deutlicher gezeigt, dass diejenigen, die schon ganz unten sind weiter mit Füßen getreten werden. Die Erkenntnis, „Sie würden wieder jemanden wählen, der Arbeit und Lohn verspricht“ lässt doch auch den letzten begreifen, dass eine gewisse Hilflosigkeit unter NPD Wählern herrschen muss.

    Eigentlich beschreibt der Kommentar nur das Versagen der Politik auf allen Ebenen. Da stört sich ein Politiker an einer Partei, die garnicht existieren dürfte. Jeder zeigt mit dem Finger auf den Anderen. An den Ursachen und Problemen im Land ändert das garnichts. Lippenbekentnisse, mehr nicht.

    Wenn ich so eine populistische Kacke lese wird mir ehrlich schlecht. Lieber Bürgermeister von Pasewalk, glauben Sie wirklich, dass NSDAP Vergleiche weiter helfen..?

  3. Der Artikel bringt es auf den Punkt.

    Vieleicht sollten wir zur Errinerung an die Terroropfer der NSU bei der nächsten Kreistagssitzung eine Gedankminute einlegen.

  4. @Martin
    Populistische Kacke – um in Ihrem Jargon zu bleiben – schreiben Sie, nicht Herr Dambach.
    Wo wurden bitte NPD-Anhänger oder -wähler verprügelt oder dazu aufgerufen?
    Warum wird friedlicher Protest, auch wenn er in dieser Situation nicht am vorgesehenen Ort und in vorgesehener Weise artikuliert wird mit dem Einsatz körperlicher Gewalt gleichgesetzt? DAS ist populistisch, um die NPD und deren gewaltbereite Sturmabteilung zu relativieren. das finde ich unerträglich.

  5. Hallo Martin,
    ich finde Deine Argumentation sehr grenzwertig. Natürlich bedeutet Demokratie, dass wir auch politische Ansichten akzeptieren müssen, die uns nicht gefallen.

    Dieses bedeutet aber nicht, dass wir eine Partei akzeptieren müssen, die unsere Demokratische Grundordnung gefährdet.

    Ich frage Dich hier nochmals, hat sich die NPD von den Taten der NSU distanziert oder verurteilt die NPD Gewalt gegenüber Ausländer?

  6. @Robert

    ….die „unsere Demokratische Grundordnung“ gefährdet.
    Bei diesem Satz könnte ich lachen, wenn es nicht so traurig wäre.
    Es ist nicht zu übersehen, was aus dieser demokratischen Grundordnung geworden ist.

  7. Dieser Distanzierungs politisch korrekte Zwang ändert was?
    Hat sich Broder von den Taten Breiviks distanziert? Und was wenn er es nicht getan hätte?

    Wenn Demokratie auch das Akzeptieren von anderen politischen Meinungen bedeutet, so ist die Konsequenz der Aussage eindeutig.
    Jeder in den Kreistag gewählte Bürger hat das Recht darauf, angehört zu werden.

    Die NPD ist eine politische Partei Deutschlands. Wer jetzt hier mit NSDAP Vergleichen argumentiert weicht vom Thema ab. Oder glaubt ernsthaft jemand, in Karlsruhe würde ein Richter für ein NPD Verbot stimmen weil es mal eine NSDAP gab? Und diese NSU Geschichte wirft in mir so viele offene Fragen auf, dazu sage ich lieber nichts. Was es doch für Zufälle gibt, aber das ist ein anderes Thema. Jedenfalls werden Sie der Partei keine Beteiligung im Zusammenhang mit diesen scheinbaren Nazi Mördern beweisen können. Also ist auch das nicht zielführend im Hinblick auf ein NPD Verbot.

    Und Sie lieber Arne, ich finde zivilen Protest wunderbar. Ich hab mir ein drittes Loch in den Allerwertesten gefreut als hier mit friedlichen Mitteln die letzte NPD Demo gestoppt wurde. Aber ich kenne genug linke Spinner, die unserer fdGO ebenso bedrohen wie einige NPD Anhänger. Ich bin für Menschenrechte, die allen Menschen uneingeschränkt Recht gebieten. Und wenn Pressemitteilungen mit dem Titel „Fäuste gegen Luftballons“ von den Grünen verbreitet werden obwohl wissentlich keine Faust im Spiel war finde ich das bedenklich. Ich bin ein Freund der Wahrheit und kämpfe gegen die Verdrehung derselben. 😉
    Wie so oft geht es hier einfach um Ursache und Wirkung. Ich habs irgendwo schon mal geschrieben. Hätte dieser NPD Typ zuhausen wollen in dem Video, er hätte es gekonnt. Hat er aber nicht. Und da ich nicht weiß, was da vorgefallen ist erlaube ich mir auch kein Urteil. Übertreibung tut selten gut.

    Ich bleib dabei, ziviler Protest ist wichtig und unersetzbar. Das legitimiert allerdings keine Lahmlegung des Kreistags. Und die Räumung wär nicht nötig gewesen wenn sich die Aktivisten an die Aufforderung gehalten hätten. Die Aktivisten haben sich bewusst entschieden zu stören, das wurde wohl von vorn herein einkalkuliert.

  8. @Martin, 9: Wenn Demokratie auch das Akzeptieren von anderen politischen Meinungen bedeutet, so ist die Konsequenz der Aussage eindeutig.

    Jeder in den Kreistag gewählte Bürger hat das Recht darauf, angehört zu werden. “

    Im Prinzip fordert das der Artikel: Nachdem mit dem Protest klar gemacht wurde, dass die Ansichten der NPD unbeliebt sind, hätte die Sitzung mit gesperrter Galerie fortgesetzt werden können. Dann hätten die Protestler ihr „Rederecht“ gehabt und im Anschluss die traurigerweise gewählten NPD-Leute.

  9. Hey Jan,

    im Prinzip schreibst Du Quatsch. Der Kommentar ist da relativ eindeutig formuliert. Und beim besten Willen, ich kann da nicht ein Wort erkennen, welches der NPD das demokratische Rederecht einräumen soll. Ganz im Gegenteil, das demokratische Recht der NPD, sich zu äussern wird als Skandal bezeichnet.

    „Für mich ist nicht der „Krawall“ hervorgerufen durch Luftballons und Pfeifen der Skandal. Der Skandal sind die Vertreter der NPD, die öffentlich und offen, in Deutschland ihre Parolen verbreiten können. Hat Deutschland nicht hier genug gelitten? Haben solche Gedanken nicht Millionen Menschen das Leben gekostet? Die NPD ist für mich keine politische Partei – sondern ein Desaster für die deutsche Demokratie.“

    Was Du hier als „prinzipielle Forderung“ empfindest bedeutet wohl eher eine Rechtfertigung des Autors, dass nicht die Grünen für den Abbruch der Sitzung verantwortlich sind. Denn, die Sitzung hätte ja weitergehen können.

    Ursache und Wirkung…

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