In Deutschlands heimlicher Hauptstadt Karlsruhe gab das Bundesverfassungsgericht in Folge einer richterlichen Vorlage heute sein Urteil zur Höhe der Unterstützungsleistungen für Asylbewerber_innen bekannt.
Ergebnis: Wieder einmal ist eine gesetzliche Regelung für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden. Die aktuellen Geld- und Sachleistungen seien evident unzureichend.
In seiner dazu veröffentlichten Pressemitteilung bekräftigte das Gericht dabei seine Linie hinsichtlich des „soziokulturellen Existenzminimums“:
„Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums umfasst sowohl die physische Existenz des Menschen als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben; dies sind einheitlich zu sichernde Bedarfe. Art. 1 Abs. 1 GG gibt einen solchen Leistungsanspruch dem Grunde nach vor.“
Explizit wird auch darauf verwiesen, dass für Einschränkungen für Asylsuchende keine Rechtfertigung denkbar ist:
„Eine kurze Aufenthaltsdauer oder Aufenthaltsperspektive in Deutschland rechtfertigt es im Übrigen auch nicht, den Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auf die Sicherung der physischen Existenz zu beschränken, denn das Grundgesetz enthält eine einheitliche Leistungsgarantie, die auch das soziokulturelle Existenzminimum umfasst. Die menschenwürdige Existenz muss ab Beginn des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland gesichert werden.“
Da sich der Anspruch auf das Existenzminimum direkt aus dem Gebot der Menschenwürde ableitet, kommt es in der Mitteilung des Verfassungsgerichts zu einigen spitzen Formulierungen:
„Auch migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, können von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen. Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“
Als Richtschnur für die Definition des Existenzminimums wird der Regelsatz des ALG II ausdrücklich genannt. Was aus der Pressemitteilung nicht hervorgeht und was Expert_innen bitte ergänzen mögen, ist die Frage, inwieweit die in der vorläufigen Regelung festgelegte Differenz (336 Euro ist weniger als bei Hartz IV) sich begründet.
Politisch unbefriedigend ist das Ganze für Grüns insoweit, als die unterlassene Anpassung zu rot-grünen Zeiten „geschluckt“ wurde, weil sie gegen die SPD (und später auch den Bundesrat) nicht durchzusetzen war.
Perspektivisch interessant ist die deutliche Betonung des soziokulturellen Existenzminimums nicht zuletzt deswegen, weil damit auch die Frage der Sanktionsfreiheit wieder stärker ins Blickfeld rückt.
In einer Woche verkündet das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zum Bundestagswahlrecht.