Wahlbetrachtung IV – Regionales

Die Stadt Greifswald hat es herausgerissen. Das Plus von 3,6 Prozentpunkten bei den Zweitstimmen war nochmal etwas fetter als bei der Europawahl (+2,9). Nur mit der Zweistelligkeit wollte es immer noch nichts werden. In ganz Mecklenburg-Vorpommern gab es insgesamt nur wenige zweistellig grüne Gemeinden. Die meisten davon sind Vororte von Lübeck, dazu kommen noch Bröbberow (wo unser WK17-Kandidat Steffen Marklein Bürgermeister ist), der potentielle Kraftwerksverlierer Thiessow (Rügen) und als Spitzenreiter für den Wahlkreis 16 Alt Tellin mit 15,8% als starke Lobby armer Schweine.

Im Greifswalder Umland halten Diedrichshagen und vor allem endlich Neuenkirchen mit der Stadt mit, auch Weitenhagen war ordentlich, Dargelin und Bandelin verstehe ich selbst nicht, sonst konnte das Niveau der Europawahl nicht überall gehalten werden. Im westlichen Umland von Rostock ging es steiler nach oben, wir würden gerne erfahren, wie das erreicht wurde. Die Stadt Rostock selbst hat ebenfalls deutlich zugelegt (+3,2).

Die Landstädte verzeichnen Zugewinne auf Niedrigstniveau – Anklam steht bei 3,0%, Wolgast bei 2,7%, Demmin bei 2,6%. In den meisten Landgemeinden mit Dominanz konventioneller Landwirtschaft sieht es ähnlich aus. Die gewohnten Ausreißer nach oben waren da, wo sie immer sind. Das Steinkohlekraftwerk zog anders als am 7. Juni diesmal nur in Lubmin selbst in starkem Maße grüne (Gegen-)Stimmen. Auf Usedom-Nord differenzieren die Leute mancherorts offensichtlich stark zwischen kommunaler und Bundesebene – oder es war da schon so weit „ausmobilisiert“, dass die Prozente bei höherer Wahlbeteiligung automatisch nach unten gehen.

Die Botschaft für die nächsten Wahlkämpfe lautet: Sichtbare Präsenz schadet nie, kann aber im dünnbesiedelten ländlichen Raum nur schwer hergestellt werden, da brauchen wir einfach mehr Leute, die erkennen, dass bei Grüns der Weg vom Nur-Wählen zum Mitmachen gar nicht so schwer ist. Und vieles, was in diesem Wahlkampf geleistet wurde, wirkt sich erfahrungsgemäß erst bei einer der kommenden Wahlen aus. Da werden sich nämlich die dann erwachsenen Schüler aus Demmin erinnern, dass es eine Grüne war, die 2009 in ihrer Stadt 24 Stunden am Stück Wahlkampf gemacht hat.

5 Kommentare bei „Wahlbetrachtung IV – Regionales“

  1. Wahlbetrachtung VI – mit Realsatire

    Schon vor Veröffentlichung der noch fehlenden Wahlbetrachtung V hier einmal ein paar praktische Vorschläge und Gedanken zur weiteren Diskussion.
    Wer im Wahlkreis 16 die linken und konservativen Stimmenanteile vergleicht, wird doch wohl nicht abstreiten, dass bei etwas mehr Einigkeit und Unterstützung des aussichtsreichsten Kandidaten eine politische Wende selbst in diesem noch „Schwarzen Loch“ möglich gewesen wäre. Das Grundproblem der Linken bleibt erst einmal die unversöhnliche Polyphonie trotz fast identischer Ziele. Solange sich die „Linken Geister“ immer wieder paralysieren, können die Konservativen in Vorpommern eine Vogelscheuche zur Wahl stellen, sie würde auch gewählt.
    Cem Özdemir hat ja gerade bekanntlich in seinem Stuttgarter Wahlkreis sehr viel Lehrgeld auf diesem Gebiet bezahlt. Wäre zu wünschen, dass er und die Grünen einmal ein längeres politisches Gedächtnis beweisen und sich bei Bedarf an die eigenen Appelle erinnern.
    Um das Spiel zur nächsten Wahl noch weiter auf die Spitze zu treiben, könnten zur Initiative „Bedingungsloses Grundeinkommen“ noch die Initiative „Grundloses Bedingungseinkommen“ antreten.
    Die Grünen werden durch die Dunkelgrünen ergänzt. Als Generalsekretär kann ich mir den hier so kompromisslos kommentierenden „Ronald“ vorstellen.
    Das obskure „Willi-Weise-Projekt“ wird Konkurrenz von dem „Siggi-Schlau-Projekt“ bekommen. Die immer wieder kritisierten „Ewiggestrigen Linken“ treten mit dem „Rudi-Ratlos-Projekt“ an.
    Die Piratenpartei kann ich noch keiner politischen Richtung zuordnen, meinem Parteiverständnis wird sie nicht gerecht, sollte aber in Zukunft mit den Korsaren um Wählerstimmen buhlen.

  2. Wunderbarer Kommentar, Herr Peters!!! 😉

    1. Danke schön, obwohl mich Lob immer mehr als weniger unsicher macht.
      Es ist ja Besserung in Sicht. Die SPD ist zwangsweise dabei, sich von der CDU und ihren eigenen Sünden und Sündern zu befreien.
      Wenn Claudia Roth in Thüringen nicht noch einmal dazwischenfunkt, könnte wohl der erste Feldversuch für ROT-ROT-GRÜN auf Landesebene starten. Im Saarland liegt eine weitere Baustelle dieser Art.

  3. Was die Zersplitterung im Sonstigenbereich anbelangt, sehe ich das ähnlich, allerdings sind Vertreter der reinen Lehre wie JvR und unser Lieblingskommentator für einen rationalen Ansatz vermutlich eh nicht zu gewinnen. Für die unzureichende Bereitschaft taktischen Stimmensplittings zwischen SPD, Grünen und Linken kann ich nun wirklich nichts, ich habe schließlich früh genug auf diese Problematik hingewiesen. Immerhin war es auch einem Beitrag von mir zu verdanken, dass wahlrecht.de wenigstens für den WK 18 den Schwarzgelb-Gegnern noch Erststimme Linke empfohlen hatte. Ging am Ende knapp daneben, der Abstand war aber wenigstens geringer als bei den Zweitstimmenim gleichen Wahlkreis. Ich habe die Hoffnung, dass im Zuge der fälligen Wahlrechtsdebatte (das BVerfG hat die Änderung bis 2011 ja vorgegeben) der Anachronismus Einerwahlkreis in Frage gestellt wird.

  4. Ergänzung: Wenn ich, das Direktmandat im WK 258 betreffend, vor die direkte Alternative Cem oder Agnieszka gestellt worden wäre, hätte ich mich für letztgenannte entschieden. Im WK 258 hätte Cem dennoch die Erststimme bekommen müssen – den Zwängen des Wahlrechts folgend. Denn dass Ute Vogt da nur Dritte werden kann, war sehr deutlich abzusehen. Auch diese indirekte Art der Personalisierung durch die Erststimme in Einerwahlkreisen spricht für die Abschaffung derselben.

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