Im Zusammenhang mit der Veräußerung städtischer Grundstücke zu Ramschpreisen im Bebauungsplangebiet 55 wurde wiederholt das Befremden laut, dass Entscheidungen solcher Tragweite in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden. Die Auskunft, das ginge nicht anders und man habe es schließlich immer schon so gemacht und es stehe irgendwo, ist auf Dauer unbefriedigend, spottet jeglicher wissenschaftlicher Validität und ist damit einer Akademikerstadt unwürdig.
Außerdem weiß jetzt doch eh jeder, was da gelaufen ist.
In der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern steht in §29, Absatz 5 jedenfalls erstmal: „Die Sitzungen der Gemeindevertretung sind öffentlich. Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn überwiegende Belange des öffentlichen Wohls oder berechtigte Interessen Einzelner es erfordern. Der Ausschluss der Öffentlichkeit kann in diesem Rahmen in der Hauptsatzung oder durch Beschluss der Gemeindevertretung angeordnet werden. Über den Ausschluss der Öffentlichkeit wird in nichtöffentlicher Sitzung beraten und mit der Mehrheit aller Gemeindevertreter entschieden.“
Die Hauptsatzung der Universitäts- und Hansestadt Greifswald macht daraus in §4, Absatz 1 folgendes: „Die Sitzungen der Bürgerschaft sind öffentlich. In folgenden Fällen ist die Öffentlichkeit ausgeschlossen:
1. einzelne Personenangelegenheiten außer Wahlen und Abberufungen,
2. Steuer- und Abgabenangelegenheiten Einzelner,
3. Grundstücksangelegenheiten,
4. Rechnungsprüfungsangelegenheiten mit Ausnahme der Abschlussberichte,
5. Vergabe von Aufträgen.
Die Bürgerschaft kann im Einzelfall, sofern rechtliche Gründe nicht entgegenstehen, Angelegenheiten der Ziffern 1-3 und 5 in öffentlicher Sitzung behandeln. In nicht aufgeführten Fällen ist die Öffentlichkeit durch Beschluss auszuschließen, wenn überwiegende Belange des öffentlichen Wohls oder berechtigte Interessen Einzelner es erfordern.“
Hier liegt eine überaus weite Auslegung der Kommunalverfassung vor, die den Grundsatz aus §29, Abs. 5, Satz 1 aushöhlt.
Ich halte die Hauptsatzung in diesem Punkt für rechtswidrig.
Da Mecklenburg-Vorpommern ein vergleichsweise kleines und auch junges Bundesland ist, gibt es wenig eigene Rechtssprechung zu diesem Thema. Allerdings unterliegt die Kommunalverfassung unseres Landes den gleichen allgemeinen Rechtsgrundsätzen wie die vergleichbaren Gesetzestexte anderer Bundesländer.
Deswegen ist es ohne weiteres zulässig, auf einige Kommentare und Urteile aus Baden-Württemberg zu verweisen, die die dortigen Bündnisgrünen vor fünf Jahren genau zu der Frage der Nichtöffentlichkeit zusammengestellt haben. Im Südwesten ist die maßgebliche Norm §35, Absatz 1 der Gemeindeordnung. Auch hier wird das „berechtige Interesse Einzelner“ angeführt. Einige Male haben die zuständigen Gerichte Aussagen dazu getroffen, wie diese Formel zu verstehen ist.
Da erfahren wir zum Beispiel:
„Unter berechtigten Interessen Einzelner sind alle rechtlich geschützten oder anerkannten Interessen zu verstehen (z.B. Vermeidung des Bekanntwerdens persönlicher oder wirtschaftlicher Verhältnisse, die sich auf das Fortkommen oder die Wertschätzung nachteilig auswirken können). Dabei kommt es nicht auf Wünsche oder Vorstellungen der von der Verhandlung berührten Personen an, vielmehr muss nach allgemeiner vernünftiger Abwägung ein Schutzbedürfnis gegeben sein.
Es ist z.B. nicht zulässig, alle Grundstücksangelegenheiten schlechthin auf den nichtöffentlichen Teil der Tagesordnung zu setzen. Beim Kauf eines Grundstücks vom Land oder bei der Vergabe von Bauplätzen zu einem bereits bekannten allgemein festgelegten Preis ohne Prüfung der wirtschaftlichen oder sozialen Verhältnisse der Bewerber muss öffentlich verhandelt werden.“
Oha! Wenn die generelle Anordnung der Nichtöffentlichkeit für Grundstücksangelegenheiten schlicht „nicht zulässig“ ist, kann man eine Hauptsatzung, die genau das versucht, in diesem Punkt wohl vergessen. Und das Schutzbedürfnis Einzelner meint explizit die Prüfung ihrer „wirtschaftlichen oder sozialen Verhältnisse“ und nichts sonst. Bei allen Diskussionen im Zusammenhang mit dem B-Plan 55 und des im übrigen allen halbwegs Interessierten hinreichend bekannten Investors bzw. Interessenten ging es um alles mögliche, nur gerade am wenigsten, das heißt überhaupt nicht, um solche Dinge, die eine nichtöffentliche Behandlung auch nur im Ansatz nahelegen.
Auch die Darstellung der rechtlichen Folge lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig:
„Verstöße gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit sind wesentliche Verfahrensfehler. Verstöße haben die Rechtswidrigkeit des gefassten Beschlüsse zur Folge.“
Eine Hauptsatzung, die an einem wesentlichen Punkt offensichtlich rechtswidrig ist, sollte sich Greifswald nicht länger leisten. Und Kommunalpolitiker, die sich hartnäckig – und im Falle der zahlreichen Juristen auch wissentlich – über bestehendes Recht hinwegsetzen, auch nicht.
– kann eine klage noch etwas am verkauf ändern?
– werden die grünen klagen? (ich meine das in der OZ gelesen zu haben, aber bin mir nicht mehr sicher :))
– ist das gebiet wirklich verscherbelt, nur weil der verkaufspreis deutlich unter dem kaufpreis eines teilstücks liegt? oder muss man da noch irgendwelche erschließungs- und abrisskosten einplanen, bevor aus dem gebiet tatsächlich eine bebaubare fläche entsteht? was passiert mit dem b-plan 55, wenn nicht das petruswerk dort aktiv werden sollte?
– gibt es in greifswald abgeschlossene projekte des petruswerks? dazu erhalte ich immer wieder widersprüchliche informationen.
die fragen sind nicht als provokation gemeint, ich würde es nur einfach gern wissen. hier treiben sich ja häufiger leute herum die recht gut im bilde sind :).
grüße, fbm