Attische Stipendien?

In der Jugendabteilung der Süddeutschen Zeitung fand sich in dieser Woche ein Beitrag über StipendiatInnen, die die gängige Praxis der Stipendienvergabe kritisieren. Anlass sind aktuelle Regierungspläne zu Vergabe von Stipendien an die „besten“ zehn Prozent der Studierenden.
Was sich zwischen Tür und Angel erstmal ganz nett anhört, ist in Wirklichkeit genauso wie das gesamte Stipendienwesen unausgegoren. Es fängt mit der Frage an, welches eigentlich die „besten“ Studierenden sind. Die Kriterien, das zu beurteilen, sind nur scheinbar objektivierbar. In der Realität wissen alle, die akademische Einrichtungen von innen kennen, wie verschieden nicht nur an unterschiedlichen Instituten, sondern auch durch unterschiedliche Personen beurteilt wird. Kriterien, die mit Wissenschaft nichts zu tun haben, fließen in die Bewertung ebenso ein wie gelegentlich maßlos überberwertete Sekundärtugenden aus dem vorletzten Jahrhundert (besonders bei dem Personal, das in der DDR richtig glücklich war). Und viele Professoren „lösen“ dann die Qualitätsprobleme ihrer Einrichtungen einfach durch Notenverfall.
Als nächstes ist es für mich ein entscheidender Konstruktionsfehler, die Beurteilung erst dann anzusetzen, wenn das Studium bereits begonnen hat. Was vor einem Studium so passiert, also Schule, Ausbildung, freiwillige und nicht so freiwillige Dienste, wird dadurch potentiell entwertet. Das zum Beispiel von der Böll-Stiftung verlangte „gesellschaftliche Engagement“ ist eines dieser weichen Kriterien, die dazu führen, dass sich Jahr für Jahr Studierende in Gremien wählen lassen, nur damit das im Lebenslauf auch drinsteht. Immerhin verzichtet die Böll-Stiftung als eine der wenigen auf genauso sinnlose Altersbegrenzungen und kommt damit dem Ziel des lebenslangen Lernens zumindest ein bisschen entgegen.
Schließlich entscheiden am Ende über die Vergabe irgendwelche Kommissionen, deren Zusammensetzung genausowenig objektiv wie transparent ist, wodurch man einerseits die Auswahl stark vorab beeinflussen kann und andererseits entscheidend zur Reproduktion der alteingesessenen „Elite“ beitragen kann.
Mein erster Gedanke war daher nach Lektüre des Beitrages in der SZ, die Selektion durch Stipendienvergabe am besten ganz bleiben zu lassen und das gleiche Geld lieber gleichmäßig an alle Studierenden (oder alle Studierberechtigten) zu verteilen.
Etwas später schwamm das Stichwort „Bürgergutachten“ in meinem Kopf vorbei, so wie es jüngst in Greifswald zum kommunalen Klimaschutz erarbeitet wurde. Die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe entsprang dabei nach guter attischer Tradition einem Losverfahren. Bringt man diesen Ansatz mit dem oben geschilderten Problem zusammen, lautet die Idee: Die Zusammensetzung von Kommissionen, die über die Vergabe von Stipendien entscheiden, sollte per Losverfahren erfolgen.
Erstmal nicht mehr dazu, ist schließlich nur, wie gesagt, so eine Idee.

Ein Kommentar bei „Attische Stipendien?“

  1. …fließen in die Bewertung ebenso ein wie gelegentlich maßlos überberwertete Sekundärtugenden aus dem vorletzten Jahrhundert (besonders bei dem Personal, das in der DDR richtig glücklich war).

    Wow, Sie wissen über die DDR ja schon sooo viel!

    http://bildungsklick.de/pm/65399/sekundaertugenden-werden-wieder-wichtiger/

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