Diesmal: Nach dem Urteil die Vorgaben des Verfassungsgerichts umsetzen
Dass das Landesverfassungsgericht die Kreisgebietsreform bestätigt hat, war keine große Überraschung. Ein 4:3-Urteil ist allerdings nicht gerade erstklassig. Lohnend ist selbst bei der Mehrheitsmeinung der Blick in den Volltext des Urteils.
Unsere bündnisgrünen Landratskandidat_innen haben gestern darauf verwiesen, dass das Thema der Bürger_innenbeteiligung und des ehrenamtlichen Engagements in den künftigen Großkreisen weiter auf der Tagesordnung stehe. Und das Verfassungsgericht hat dem Landesgesetzgeber ja auch aufgetragen, die Auswirkungen der Reform auf die ehrenamtliche Beteiligung genau zu überprüfen.
So heißt es im Urteil: „Wenn sich auch nach alledem der Neuzuschnitt der Landkreise als verfassungsgemäß erweist, sieht das Landesverfassungsgericht den Gesetzgeber allerdings gehalten, die tatsächlichen Auswirkungen der Neuregelung, insbesondere auf das Ehrenamt, intensiv zu beobachten und gegebenenfalls dort nachzubessern, wo es zusätzlicher Unterstützung bedarf, etwa um dessen tatsächliche Ausübbarkeit für jedes Kreistagsmitglied gerade auch in den besonders großflächigen Kreisen sicherzustellen.“
Das heißt aber auch: Das Land als Gesetzgeber muss den Kreisen Mittel für die Mehrausgaben zur Sicherung des kommunalpolitischen Ehrenamts bereitstellen. Oder auf juristisch: „Wegen der konstitutiven Bedeutung der bürgerschaftlich-demokratischen Dimension für die kommunale Selbstverwaltung, die in der Wahrnehmung eines kommunalen Mandats ihren Ausdruck findet, hat der Staat die Rahmenbedingungen sicherzustellen, die vom Grundsatz her geeignet sind, allen passiv Wahlberechtigten eine Mandatsausübung in gleicher Weise tatsächlich zu ermöglichen.“
Auf das zunehmende Gefälle zwischen Hauptamtlichkeit und Ehrenamt wird leider nicht in aller wünschenswerten Klarheit eingegangen. Wir sind der Meinung, dass sich die Kreistage nicht zu reinen Bürgermeisterrunden entwickeln dürfen. Diese Gefahr besteht leider.
Zweifel bleiben also, daher gab es eben auch die abweichende Meinung dreier Verfassungsrichter. Die zum Teil unwissenschaftliche Argumentation im Urteil trägt ebenfalls zum Zweifel bei. Da wird festgestellt, dass es hinreichend gesicherte Feststellungen zur Folgenabschätzung der Reform nicht gebe. Folgerung: Der Gesetzgeber dürfe sich auf seine eigene Einschätzung stützen. Wenn wir also auf die Erarbeitung einer entsprechend fundierten Abschätzung verzichten, ist somit Trial and Error möglich.
Genauso überzeugend („es ist davon auszugehen,…“) wird vom Tisch gewischt, dass die Landesregierung ihre eigene Flächenvorgabe nicht einhält.
Umgekehrt wird bestehenden Kreisgrenzen eine Bedeutung zugewiesen, die sie nicht haben und die dogmatisch wirkt. Eine Diskussion über eine grundlegendere Neueinteilung, die sich an den zentralörtlichen Verflechtungen orientiert, darf nicht ausgeschlossen werden. Doch genau das tut der Gesetzgeber genauso wie das Gericht, dem es hier sichtlich an Problembewusstsein mangelt.
Verwaltung ist kein Selbstzweck, sondern soll den Bürger_innen dienen. Solange wichtige Ziele wie die Stärkung der Zentren und die Verbesserung der Stadt-Umland-Beziehungen ausgeklammert werden, brauchen wir uns allerdings über manch absurde Wendung nicht wundern.