Wie das im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern so läuft, wenn eine Oppositionspartei ein Anliegen in eine Beschlussvorlage umsetzt, das eigentlich alle irgendwie richtig finden, konnten wir in der letzten Woche erleben.
Das Thema der Schüler_innenbeförderung beschäftigt mich und den hiesigen grünen Kreisverband nun schon etwas länger. Wenn der Landesregierung das Problem nun also komplett neu vorkommt, stimmt da grundsätzlich irgendwas nicht.
Nochmal der Reihe nach:
Die Regelungen zur Schüler_innenbeförderung in Mecklenburg-Vorpommern sind schon seit längerem problematisch. So sind Schülerinnen und Schüler aus kreisfreien Städten ebenso ausgeschlossen wie die meisten an staatlich anerkannten Ersatzschulen. Es liegen nicht begründete Ungleichbehandlungen vor und es kommen auf einige Familien zusätzliche Kosten zu, die dem Recht auf freie Schulwahl im Wege stehen.
Daraus folgend hat die grüne Landtagsfraktion zur Plenarsitzung in der vergangenen Woche einen Entwurf zur Änderung des Schulgesetzes vorgelegt. Ziel ist die Gleichbehandlung aller Schülerinnen und Schüler. Maßgeblich soll nur noch die Entfernung zur örtlich zuständigen Schule sein. Diese soll definieren, welche Kosten für die Schüler_innenbeförderung generell durch das Land zu tragen sind.
Über die technische Umsetzung und einzelne Formulierungen hätte man ja jetzt diskutieren können. Ich schließe nicht aus, dass es hier und da eine elegantere Lösung gegeben hätte. Oder eine verständlichere, je nachdem, was wichtiger erscheint. Manchmal ist bei Gesetzestexten eben eine Entscheidung zwischen dem einen und dem anderen erforderlich.
So weit kam es aber gar nicht.
Es kam zu einer pauschalen Ablehnung des Antrages mit einer zu Recht bereits in Vergessenheit geratenen Begründung. Der Gesetzentwurf kam schließlich von der Opposition, das ist ja ungebührlich.
Einen Tag später kündigte der Bildungsminister dann an, er wolle da was machen, denn der aktuelle Zustand könne ja nicht so bleiben. Glaubt da tatsächlich wer, der Zusammenhang wäre nicht ersichtlich?
Ohne diese grüne Gesetzesinitiative wäre der Bildungsminister mit hoher Wahrscheinlichkeit nie auf die Idee gekommen, dass da Handlungsbedarf besteht.
Aber es geht ja noch weiter.
Bündnis 90/Die Grünen in Mecklenburg-Vorpommern beschäftigen sich mit diesem Thema auch nicht erst seit ein paar Tagen oder Wochen. Im April 2010 sprach sich die grüne Landesdelegiertenkonferenz dafür aus, die Regelungen zur Schüler_innenbeförderung neu zu fassen und bestehende Ungerechtigkeiten und bürokratischen Unfug zu beseitigen. Das Ansinnen fand bald darauf seinen Weg ins Landtagswahlprogramm. Der auf dem Wege des Schulgesetzes zu regelnde Teil floss schließlich in den genannten Gesetzentwurf, wobei zwischenzeitlich auch noch ein Rechtsgutachten hinzukam, das unsere Auffassung in einem Punkt stützt.
Aber worum geht es eigentlich und worum ging es uns auch schon 2010? Und warum kommen die in ihrer Landesregierung auf solche Dinge nicht von selbst?
Bei der Schüler_innenbeförderung, oder besser, dem Weg zur Schule, ist aus unserer Sicht dem Bildungserfolg der Schülerinnen und Schüler Vorrang vor allen anderen Erwägungen einzuräumen. Das heißt: Schulwege unter bürokratischen und finanziellen Erwägungen betrachten wollen wir nicht. Genau das findet im Land und in den Kreisen de facto jedoch statt. Da werden Schülerinnen und Schüler als Kostenfaktoren betrachtet. Das liegt auch daran, dass die Lebensrealität von Schülerinnen und Schülern in der Welt vieler Entscheidungsträger_innen in den Parlamenten, kommunalen Vertretungen und Behörden nicht (mehr) vorkommt.
Und das ist das eigentliche Problem. Diese Entscheidungsgremien bilden nur einen kleinen Teil der Bevölkerung ab. Schülerinnen, Schüler, Eltern mit Kindern, die zu Schule gehen und die genannten Problem kennen, die sind unterrepräsentiert. Wir räumen ihnen die Zeit nicht ein und wir gestalten die Arbeit der Gremien so, dass ein Teil der interessierten Menschen gezielt vergrault werden.
So kommt es dann, dass die Realität von Schulwegen und die damit verbundenen Probleme nur mit Mühe erkannt werden. Wer über „Prioritäten für Bildung“ nicht nur reden möchte, sondern tatsächlich erkennen will, welche Probleme im Einzelnen zu lösen sind, die und der benötigt eben auch ein Mindestmaß an Empathie oder Vorstellungsvermögen für den Alltag in und um Bildungseinrichtungen. Gelegentlich hilft sogar die Erinnerung an die eigene Schulzeit. Oder ist das in unserer „schnelllebigen Zeit“ zu viel verlangt?