ALG II wird neu ermittelt (Der Gesetzentwurf liegt vor)

Nachdem wir bisher nur auf Zeitungsartikel, die im Wesentlichen die Propaganda Verlautbarungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wiedergaben, zurückgreifen konnten, um die Auswirkungen der Neuregelungen beim ALG II zu beurteilen, ist nunmehr der Referentenentwurf nachzulesen. Dank an Harald Thome, der ihn hier veröffentlicht.

Zahlen zu den Regelleistungen und den Bedarfen dem Bedarf werden erst nächste Woche veröffentlicht. Aber auch so ist schon einiges an „Wohltaten“ erkennbar.

Doch zunächst zum Positiven: Im Entwurf ist durchgängig von Leistungsberechtigten und nicht mehr von Hilfebürftigen die Rede. Dies entspricht in der Tat dem Status der in den Leitmedien wie der OZ so genannten Hartz IV-Empfänger, die nicht irgendwelche Almosen empfangen, sondern Anspruch auf eine grundrechtlich geschützte Leistung haben. Die Hoffnung, dass der Begriff damit aus den Medien verschwindet, äußere ich hier nicht.

Ein erstes Überfliegen des Gesetzentwurfs lässt jedoch eine Reihe von Verschärfungen im Detail erkennen. So heißt es in § 11 Abs. 1 des Entwurfs lapidar: „Zuflüsse aus Darlehen sind Einnahmen.“ Die bisher strittige und zu verneinende Frage, ob Darlehen Einkommen sind, wird damit der gerichtlichen Klärung entzogen und jedes Darlehen der Oma für ihren Enkel somit Einkommen und auf das ALG II angerechnet, es sei denn, es dient einem anderen Zweck als das ALG II. Was aber neue Streitigkeiten provoziert und den Berechtigten in Beweiszwang bringt.

Und weiter in § 31 zu Sanktionen: „Erwerbsfähige Leistungsberechtigte verletzen ihre Pflichten, wenn sie trotzschriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis…“  Zwei neu eingeführte Worte mit Folgen: D.h. nichts anderes, als dass es zukünftig für eine Sanktion ausreicht, wenn ein Sachbearbeiter erklärt, er habe dem Kunden Leistungsberechtigten die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung erläutert. Dies reicht zur Kenntnis. Ordentliche Rechtsfolgebelehrungen, wie sie in einem Rechtsstaat üblich sind, können wir uns künftig sparen.

Ohne das dies jetzt eine abschließende oder auch nur ausführliche Bewertung des Entwurfs darstellen soll, eine Neuerung noch, die für die Landes- und Kommunalpolitik in Greifswald von erheblicher Bedeutung ist.

§ 22a des Entwurfs: „Die Länder können die Kreise und kreisfreien Städte durch Gesetz ermächtigen oder verpflichten, durch Satzung zu bestimmen, welche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind.“ Auch Pauschalierungen sollen ermöglicht werden. Kritik daran gibt es z.B. von nahezu allen Wohlfahrtsverbänden.

In M-V müssen wir uns deshalb ganz entschieden gegen mögliche Überlegungen zur Wehr setzen, von dieser Ermächtigung Gebrauch zu machen. Dies gilt sowohl auf Länderebene, da dem Land sogar die Möglichkeit gegeben wird, die Kommunen zu verpflichten. Aber auch in den Kommunen und bei ihren Politikern, bei denen ich jetzt schon die Euro-Zeichen in den Augen sehe hinsichtlich der Einsparmöglichkeiten, ist ein solches Unterfangen zu verhindern.

6 Kommentare bei „ALG II wird neu ermittelt (Der Gesetzentwurf liegt vor)“

  1. in den Leitmedien wie der OZ

    Ja, da kein anderes L. vorhanden.
    Wohin die OZ leitet, ist in diesem Blog und in meinem mehrtausendfach geschildet worden. Über Jahre hinweg beeinflusst das L. das Denken jener, die meinen, aus dem L. der Weisheit letzten Schluss entnehmen zu können. Schliesßlich bezahlen sie sogar dafür.
    Wie in Sachen Alg 2 seit sechs Jahren fehlgeleitet wurde und wird, auch per Leitartikel, können Sie aus einem meiner jüngsten Einträge entnehnen:
    http://ostsee-zeitung-blog.blogspot.com/2010/09/sitzenbleiber.html

    Und noch dies: Können sie sich auch nur einen Augenblick lang vorstellen, jemend in der OZ oder im neuen, chicen Hauptstadtbüro würde in dem Entwurf nachlesen, um darüber zu schreiben. Die Leitmedialen kupfern nicht einmal aus Ihrem Eintrag ab.

    1. Vielleicht hätte ich Leidmedien schreiben sollen…

  2. Vielleicht ist es spannender, den von der Leine gelassenen Referentenentwurf zu HARTZ IV zu studieren, wenn man vorher, sozusagen als kritischen Leitfaden, den „aufwärmenden“ Artikel von Jens Berger (Spiegelfechter) gelesen hat. Wer ihn bei mir noch nicht gelesen hat, dem möchte ich ihn hiermit empfehlen!

    „Darf es ein bisschen mehr sein?

    Ursula von der Leyen lässt sich nicht gerne in die Karten schauen. Nachdem sie bereits im Februar von den Verfassungsrichtern in Karlsruhe mit der Aufgabe betraut wurde, die Hartz-IV-Gesetzgebung auf verfassungskonforme Füße zu stellen, zog sich von der Leyen monatelang in ihre Berliner Wagenburg zurück und veranstaltete mit der Öffentlichkeit ein Katz- und Maus-Spiel. Der eigentliche Angriff auf den Sozialstaat kommt derweil auf leisen Sohlen daher und wird von der FDP als „alternativlos“ bezeichnet.

    Statt Karlsruhes Wunsch zu entsprechen und ein transparentes und bedarfsgerechtes Berechnungsmodell für Hartz IV zu entwickeln, verzettelte sich von der Leyen lieber monatelang mit dem von ihr gepriesenen Bildungschip – eine Spiegelfechterei, schließlich hat dieses Modell noch nicht einmal innerhalb der Regierungskoalition eine Mehrheit. Seit gestern kennt die Öffentlichkeit zumindest die Rahmenpunkte der Hartz-IV-Novelle. Details sind nach wie vor unbekannt, die Höhe der künftigen Regelsätze soll am nächsten Montag bekanntgegeben werden…“ Weiterlesen

  3. Ich würde gern einmal wissen, wer in der Redaktion die Leserbriefe bearbeitet und warum Sätze weggelassen werden und auch nach höflicher Frage danach keine Antwort und keine Berichtigung erscheint.

    Ich finde das gar nicht nett.

  4. […] von ALG II-Berechtigten enthält und sich durch einen massiven Abbau von Rechten auszeichnet (siehe hier), untergeht. Wie sich die Grünen in Hamburg und im Saarland dazu verhalten werden, dürfte […]

  5. […] Hier hatten wir auf die “Reform” der Hartz IV-Gesetzgebung (v.d.Leyen I) hingewiesen. Der Spiegel weiß zu berichten: […]

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