Kreistag Vorpommern-Greifswald: Pausen mit Unterbrechungen

Fast fünf Stunden trafen sich gestern nachmittag wieder 68 (einer fehlte) Kreistagsabgeordnete in Pasewalk. Das Programm war durchaus ehrgeizig, gleichwohl lag es nicht am Umfang der Tagesordnung, dass die Sitzung am Ende vertagt werden musste. Der langwierige Auftakt ist besonders ärgerlich, da es noch überhaupt nicht um inhaltliche Dinge ging, sondern lediglich um den Kreissitz – und um Personal.

Da waren einige Abstimmungen verdeckt durchzuführen. Hier lag eine Hauptquelle der Verzögerungen, die sich im Laufe der Sitzung immer weiter ansammelten wie Verspätungsminuten bei einem ICE an einem Freitagnachmittag. Für die Durchführung der Abstimmungen hat sich niemand Gedanken über einen zügigen Ablauf gemacht, bei den Auszählungen gab es zu wenige Helfer_innen und auch an die Variante, Auszählpausen zur Abarbeitung von kleineren Tagesordnungspunkten zu nutzen – ein wenig GO-Flexibilität kann die Laune spürbar heben – dachte niemand. Zu allem Überfluss ging die Wahl des zweiten Stellvertreters der Landrätin in einen zweiten Wahlgang, weil hier offenbar von irgendwelcher Seite Rechnungen zu begleichen waren oder die Anwesenden durch einen Satz des Abgeordneten Gottschalk (KfV), Bürgermeister der Weltstadt Torgelow, zu sehr irritiert waren: „Funktionieren heißt nicht das Gegenteil von Nicht-Funktionieren“.

Gerne würden wir also aus dem Kreistag über Ergebnisse von allgemeinem Interesse schreiben, doch viel gibt es auch aus zwei Stunden eben nicht zu berichten. Da blieb nur der Dringlichkeitsantrag aus Anklam, doch den Kreissitz noch zu wechseln. CDU und GRÜNE sahen hier die Dringlichkeit nicht gegeben und wollten die Tagesordnung daher nicht erweitern, wurden aber überstimmt. In der Debatte gab es nicht viel Neues. Dass in einem Kreistag dann aber für Antragsteller und CDU die betroffenen Bürgermeister Galander (Anklam) und Dr. König (Greifswald) zur Sache sprachen, wirft noch einmal ein Licht auf das generelle Problem der Bürgermeister in den Kreisvertretungen. Der gesunde Menschenverstand würde wenigstens in dieser Frage von einem Fall der Befangenheit sprechen.

Den noch besten Beitrag – abzüglich der Verwendung einer nicht existenten Form „optimalst“ – lieferte dann auch der Nicht-Bürgermeister Pegel (SPD), der richtigerweise feststellte, dass die Vergabe eines Kreissitzes kein Gegenstand für strukturpolitische Überlegungen sein sollte. Das müsste vor allem den Vertreter_innen aus den anderen Kleinstädten einleuchten, denn auch die mit Anklam etwa gleich großen Wolgast, Pasewalk, Ueckermünde, Torgelow und Heringsdorf könnten dann ähnliche Ansprüche erheben.

Folgerichtig dann auch das Bild bei der Abstimmung: Die Abgeordneten von Uecker, Randow und Zarow, besonders die aus Pasewalk, stimmten mit großer Mehrheit für Greifswald (bzw. gegen Anklam). Zusammen mit den fast geschlossen stimmenden Abgeordneten aus Greifswald und Umland ergab das deutliche 44 Stimmen für Greifswald, gegenüber 21 für Anklam, darunter keine GRÜNE und nur eine von der SPD. Das Abstimmungsergebnis unter den Abgeordneten der demokratischen Parteien sieht mit 44:15 noch deutlicher aus.

Nach diesem Kraftakt war der Versuch, die Ausschussbesetzung zu beschleunigen, nicht erfolgreich. Neben den oben geschilderten Problemen waren auch andere Mängel hinderlich. So saß das Präsidium erneut nicht erhöht und hatte so keine gute Sicht. Die Sitzordung tat ihr Übriges. Ein Beamer, ansonsten in solchen Fällen ein international übliches Hilfsmittel, war offenbar auch nirgends aufzutreiben (vielleicht sollten wir nächstes Mal einen mitbringen), obwohl das auf der Sitzung des erweiterten Präsidiums angemahnt wurde. So mussten die Namen der Vorgeschlagenen vom Präsidenten vorgelesen werden, genauso diverse letzte Änderungen in den Details.

Immerhin blieb den Anwesenden damit manche fehlerhafte Schreibweise der zum Teil schon fehlerhaft ausgesprochenen Namen erspart. Wieso erwachsene Menschen nicht in der Lage sind, einen Namen mit korrekter Schreibweise einfach nur aus einer Vorlage abzuschreiben, ist nicht zu begreifen. In unserem Fall hätte, da wir die Vorschlagslisten wohlweislich nicht als PDF verschickt hatten, ein einfaches Guttenbergen (Copy+Paste) genügt. Stattdessen stand ein großer Teil der Ausschussmitglieder mit fehlerhaft geschriebenem Namen zur Wahl. Der korrekt geschriebene Name jedoch ist Bestandteil der Identität. Mangelnde Sorgfalt an dieser Stelle ist somit gleichbedeutend mit mangelndem Respekt gegenüber der Person.

Kurz: Der neue Kreistag ächzt und knirscht. Eigentlich kann es fast nur besser werden.

6 Kommentare bei „Kreistag Vorpommern-Greifswald: Pausen mit Unterbrechungen“

  1. Es gibt wohl auch noch ein Personalthema, dass u. a. hier weiter diskutiert wird:
    http://piratenpartei-mv.de/stellungnahme-des-vorstandes-zur-reaktion-von-matthias-bahner#comments

    Die peinlich Vorstellung der SPD bei den Ausschussbesetzungen ( wird im Beitrag schon verschlüsselt erwähnt), die durch ständige Änderungsanträge die Veranstaltung um mindestens 20 Minuten verlängert hat, war nur eines der Merkmale, die meine Zweifel an einer kompetenten Vertretung der Interessen der Bürger genährt hat. Dazu gehört auch, dass sich einige/zu viel Mitglieder bei einer geheimen Abstimmung offensichtlich weigern fußläufig 30 Schritt entfernte Wahlurnen aufzusuchen und damit den Prozess wieder einmal um 20 Minuten verlängern.
    Es ist schon erstaunlich, wie viel Zeit die doch sonst so gestressten Abgeordneten so haben.;-)
    Dem letzen Satz ist nur noch hinzuzufügen, dass es den Landkreis Vorpommern-Greifswald im Internet ja noch gar nicht gibt!
    http://www.kreis-ovp.de/schnellnavi-hell/schnellzugriff/der-landkreis-suedvorpommern/index.html
    Sie sind hier: „DER NEUE LANDKREIS“
    Warum sind wir nicht schon lange auf diesen Namen gekommen?
    Dazu aber vielleicht an anderer Stelle mehr.

  2. @Manfred Nicht nur ím Internet noch nicht: In der vorläufigen Hauptsatzung des Kreistages steht immer noch „Südvorpommern“ als Bezeichnung des Landkreises. Was ist denn zur Umbenennung noch erforderlich?
    Aber die größte Blamage war, dass die Sitzung wieder im zu kleinen Saal in Pasewalk stattfand. Hat die Oberstadt Greifswald nichts Bessres zur Verfügung stellen können? Toller Kreissitz!

    1. Hier liegt wohl des Rätsels Lösung:
      „20. 2. Satzung zur Änderung der vorläufigen Hauptsatzung für den Landkreis mit der
      vorläufigen Bezeichnung „Südvorpommern“ vom 10.10.2011
      Vorlage: 12/2011“
      http://www.kreis-ovp.de/uploads/media/Tagesordnung.pdf

      Aufgrund der undisziplinierten und/oder unfähigen Abgeordneten und der schon vom Autor und mir genannten weiteren Unzulänglichkeiten, wurde die Tagesordnung ja nicht abgearbeitet.
      Ein schöner Witz ist doch die Internet-Adresse „kreis-ovp.de“. 😉
      Ewig lebe OVP!!!
      Übrigens, soweit ich informiert bin, wollte man diesmal einen neutralen Sitzungsort wählen, um nicht irgendeines Vorteils zugunsten Anklams oder Greifswalds bezichtigt zu werden.

      1. nein, die Änderung der Bezeichnung stand nicht auf der TO. Auch nicht in der Vorlage 12. Da ging es nur um die Bezeichnung der Ausschüsse, die witzigerweise ja schon personell besetzt wurden. Aber vielleicht könnte ein Grüner bei der nächsten Sitzung am 14. o. 15.11. den erforderlichen Änderungsantrag in diesem TOP stellen. 😉 Statt wie beim letzten Mal einen Änderungsantrag zu stellen (Okon), der sich schon erledigt hatte.

        1. Da habe ich also wieder mal positive Schlüsse gezogen und bin enttäuscht worden. Es wäre doch das Erste, dem Kreis den richtigen Namen zu geben.
          Der nicht so bewanderte Fremde kann also zwischen 3 Namen wählen, wobei der Richtige fehlt:
          Ostvorpommern, Südvorpommern und „DER NEUE LANDKREIS“.

          Der Internetauftritt des „Neuen Landkreises“ ist ein Skandal!
          Kannst Du mir sagen, wo ich denn die Vorlage 12 finde? Selbst die Tagesordnung der Kreistagssitzung ist ja nicht direkt auf der Homepage des neuen Landkreises zu finden.

  3. Dass die Sitzung Pasewalk stattfand, hat tatsächlich nichts mit dem Verhalten der Stadt Greifswald zu tun. Der Kreistagspräsident hat im Hinblick auf die anstehende Abstimmung Greifswald vs. Anklam vorgeschlagen, anders als ursprünglich beabsichtigt, erneut in Pasewalk zu tagen. Begründet wurde das mit dem Bemühen um Neutralität in der Kreissitzefrage. Zusagen, die Arbeitsbedingungen im Pasewalker Sitzungssaal für die zweite Sitzung zu verbessern (z.B. Beamer) wurden allerdings nicht eingehalten. Die Stadt Greifswald kann dafür nichts. Aber es ist ja auch egal, wen es trifft, solange es eh nur darum geht, destruktiv herumzumeckern.

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