Unterlassen einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bei Erweiterung der Anklamer Zuckerfabrik unverantwortlich

Luftbild Zuckerfabrik
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Bündnisgrüne Vorpommern: Erneut Akteneinsicht beim StALU Vorpommern
Anklam/Stralsund.
Wegen der Ethanolhavarie Anfang September nahmen am 16. Dezember Kristin Wegner, Mitglied des Kreistags Vorpommern-Greifswalds für BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN, Torsten Wierschin, Bündnisgrüner Vorstand des Kreisverbands Vorpommern-Greifswald sowie weitere Bündnisgrüne Mitglieder Vorpommerns erneute Akteneinsicht beim Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt (StALU) Vorpommern. Beim ersten Termin in Stralsund waren Fragen offen geblieben.

Bei der Chemiekatastrophe, während der über mehrere Tage unkontrolliert eine große, bisher von den Behörden nicht weiter bestimmbare Menge Ethanol in die Peene gelangte, verendeten mehr als 4,5 Tonnen Fisch.

Wegner fasst die Schlüsse der Bündnisgrünen nach der zweiten Akteneinsicht zusammen: „Seit Beginn der Ethanolproduktion in 2007 gab und gibt es Probleme mit der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Lärm und Geruch sowie der hohen Belastung von Abwässern mit chemisch-industriellen Schadstoffen und biologischen Restprodukten insbesondere während der jährlichen Zuckerrübenkampagne.“

„Unserem Eindruck nach wurden diese Probleme bis heute nie gänzlich behoben. Wir kritisieren, dass das Ausmaß der Lärm- und Geruchsemissionen sowie die Abwasserbelastung aus den verschiedenen Bereichen (Zucker, Methan, Ethanol) nie in ihrer Gesamtheit betrachtet wurden. Unser Eindruck des „Feuerwehrprinzips“ sowohl beim Betreiber der Anlage als auch bei den Genehmigungsbehörden verfestigt sich.“ fügt Wegner hinzu.

„Eine vorausschauende Planung der Anlage für das erste Betriebsjahrzehnt durch den Betreiber – die Suiker Unie GmbH und die Anklamer Bioethanol GmbH vertreten durch die einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer Jan Albertus Markusse und Matthias Sauer – sowie ein stringentes Auflagenmanagement seitens der Genehmigungs- und Überwachungsbehörden sieht unserer Einschätzung nach anders aus.“ kritisiert Wierschin: „In 8 Jahren stellten die Betreiber der Zuckerfabrik eine Vielzahl von Anzeigen über Erweiterungen und Zubauten, die im Einzelfall vom StALU ohne Berücksichtigung der Gesamtauswirkung genehmigt wurden.“

„Teilweise waren Zubauten überhaupt erst notwendig geworden, da Emissionsgrenzwerte der ursprünglichen Genehmigung aus 2007 nicht mehr eingehalten wurden.“ ergänzt Wegner.

Die Kreistagsabgeordnete erklärt weiter: “Wir kritisieren den Betreiber, der über längere Zeiträume Auflagen der Behörden nicht oder nur schleppend erfüllt. Dazu gehört u.a. das Abwasserregime der Anlage oder etwa die Abgassituation. Beim Abgas kämpft man einerseits mit zu hohen CO2-Werten, anderseits mit einem enormen Lärmproblem.“ Die installierten Anlagen verursachen Lärmpegel bis zu 100 dB(A) — ein vergleichbarer Lärmpegel wie er beim Einsatz von Presslufthämmern entstehen würde.

„Seit vielen Jahren sind die grundsätzlichen Probleme den beteiligten Seiten bekannt. Die Beschwerden der betroffenen Anwohnerinnen_ sind ebenfalls seit langem aktenkundig. Eine Lösung der Probleme scheint aber nicht in Aussicht.“ so Wierschin.

„Aktuell soll die Zuckerproduktion um 20 bis 30 Prozent von aktuell 12.000 Tonnen pro Tag erhöht werden. Dabei war eine UVP der Gesamtanlage mit Öffentlichkeitsbeteiligung seitens des StALU in Aussicht gestellt.“ sagt das Vorstandsmitglied: „Wie das StALU jetzt mitteilte, wurde davon im Ergebnis einer Vorprüfung Abstand genommen.“

„In diesem Zusammenhang fordern wir die Behörden auf, die Anlage und ihre Emissionen in ihrer Gesamtheit mittels UVP zu bewerten und die Öffentlichkeit zu beteiligen.“

„Wir bedanken uns bei den Mitarbeiterinnen_ des StALU Vorpommern in Stralsund für das freundliche und unkomplizierte Handhaben unserer Anfrage nach Akteneinsicht.“ so Wierschin abschließend.

In einer nächsten Akteneinsicht werden die Bündnisgrünen folgenden Fragen, die sich aktuell ergaben, nachgehen:

1. Was geschah beim Unfall in der Anklamer Zuckerfabrik im Juni 2014?
2. Gab es weitere Störfälle?
3. Was wurde aus einer Anfrage der Kreislichen Katastrophenschutzbehörden aus 2010, ob die Anlagen unter die „Soveso-II Störfallrichtlinie“ einzuordnen sind?
4. Was wurde aus einer Anfrage der Kreislichen Katastrophenschutzbehörden aus 2010, ob die Anlagen im Rahmen der grenzüberschreitenden Katastrophenhilfe zwischen Polen und Deutschland zu berücksichtigen sind?
5. Warum wurden die Anlagen nicht einer Störfalluntersuchung bzgl. Ethanolaustritt bewertet, wie es etwa in 2011 bzgl. eines potentiellen Austritts von Schwefeldioxid vorgenommen wurde?
6. Wie sichern die Überwachungsbehörden seit der behördlich erkannten Abweichung im Juni 2014 zu, dass der Betreiber die geforderten Auflagen hinsichtlich Emissionsmessungen und sicherheitstechnischer, externer Prüfung turnusmäßig durchführen lässt?

Soveso-II Richtlinie
https://de.wikipedia.org/wiki/Richtlinie_96/82/EG_%28Seveso-II-Richtlinie%29

Lärm- und Schallpegel
https://www.ecosia.org/images?q=beispiele+l%C3%A4rmpegel

Beschreibung Schwefeldioxid
https://de.wikipedia.org/wiki/Schwefeldioxid

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