Wir brauchen das Amt nicht

Der Bundespräsident hat gesündigt. Er hat sein Amt beschädigt. Ja nun, der aktuelle (03.01., 15:46) Inhaber des Amtes „Bundespräsident“ hat sich einige Sonderrechte rausgenommen, an die nicht jede_r so einfach rankommt.
Empörend. Denn es geht um das Amt. Das Amt „Bundespräsident“, so lesen wir in diesen Tagen oft, gibt nicht so viel her, also muss wenigstens moralisch alles piccobello sein. Der Bundespräsident habe schließlich und gefälligst eine „moralische Instanz“ zu sein, sonst „macht“ das doch alles keinen Sinn. Der aktuelle Bundeswulff hat jetzt jedenfalls, und zum wiederholten Male endgültig, etwas eingebüßt, nämlich seine „moralische Autorität“, die er unbedingt haben musste, um im Amte „Sinn zu machen“.
Gehts noch?
Haben wir das nötig? Eine „Autorität“, die uns Moral beibringt, von Staats wegen? Es spricht vieles dafür, gerade so eine Sichtweise als überholt zu betrachten. Nur um sich selbst noch so etwas wie die Fiktion einer gesellschaftlichen Moral und der Sinnmachigkeit eines vorgestrigen Konzeptes wie „Autorität“ vorzutäuschen, ist ein gesamtes Amt Verschwendung. In Tagen wie diesen müsste jetzt genau die Forderung, nach dem fälligen Rücktritt des Amtsinhabers endlich das Amt abzuschaffen, laut werden. Dass das nicht passiert, ist für mich das eigentlich Bedauerliche an Wulff und seinen Telefonaten und den Geschichten, die da jetzt draus gemacht werden.
Dabei liegt der Gedanke auch aus einer entgegengesetzten Überlegung nahe. Denn wen wollen wir als Nächstes ausprobieren als Autor instanzieller Moralität?
Wen haben wir denn da gerade noch?
Manche Leute machen in sozialen Netzwerken und auch sonst so gelegentlich mehr oder weniger ernstgemeinte Vorschläge. Allein, dass man „ernst“ und „unernst“ hier nicht mehr unterscheiden kann, reicht doch schon. Beispiele:
Rainald Grebe wurde genannt, im letzten Jahr ist er rechtzeitig 40 Jahre alt geworden.
Martin Sonneborn verhält sich merkwürdig ruhig. Denn: Er könnte mit einer Präsidentschaftskandidatur gar kein Aufsehen erregen.
Selbst mit Beckenbauer würde es nicht mehr schlimmer. Der hat es im Funktionärswesen des Sports zu etwas gebracht. In dieser Welt ist, das mag man einwenden, Demokratie grundsätzlich verboten. Das aber wird angesichts des ansonsten überschaubaren Feldes durch manche positive Eigenschaft aufgewogen: Er ist immer nett zu allen Leuten, auch den dämlichsten Fragestellern gegenüber, er hat sich für sein Alter gut gehalten. Und er würde sich es nie mit der Bildzeitung verscherzen!
Oder doch die allgemein anerkannte Größe aus Wissenschaft oder Kultur? Wer? Ach, vergesst es. In Tschechien soll so etwas mal vorgekommen sein. Aber bei uns?
Schweigen.
Wir brauchen das Amt „Bundespräsident“ nicht.
Ein Gemeinwesen braucht kein Oberhaupt, um zu funktionieren.
Der Verweis auf Staaten, die so etwas nicht hatten oder haben, wie zum Beispiel die Schweiz, schadet nicht, ist aber nicht wirklich ein entscheidendes Argument.
Wichtig ist, dass wir so etwas nicht brauchen.
Alle „Funktionen“ des Bundespräsidenten lassen sich problemlos auf andere verteilen, ohne dass irgendwelche Nachteile entstehen. Und die vielbeseufzten Nichtfunktionen sind für das Funktionieren erlässlich. Zur moralischen Autorinstanz siehe oben.
Wie wird man eigentlich Bundespräsident?
Die beleidigte Leberwurst Köhler und Wulff aus taktischen Gründen. Andere, wie Johannes Rau zuvor, bekamen das Präsidentenamt als Sonderpreis für die politische Lebensleistung.
Hüstel.
Also: D-Politiker werden zum Ende ihrer eigentlichen Laufbahn, wenn sie ausgebrannt sind, gerne mal Europaabgeordnete. Weitere Extras: keine.
Eine Stufe höher als jene ehemals Roten Zwerge stehen dann die C-Politiker. Bei den Gelben Zwergen kommt als Bonus noch das Heliumbrennen in Form eines Beraterjobs (nichts tun, ein bisschen labern, einiges an Geld) hinzu. Am Ende werden auch sie zum Weißen Zwerg (gelegentliche Interviews, Talkshows nur nach schlechten Tatorten).
Interessant wird es dann ab 1,44 Sonnenmassen für die B-Politiker. Sie strahlen zum Abschluss eines abgerundeten Politikerlebens nochmal besonders hell als Supernova und landen in angesehenen Positionen bei internationalen Organisationen oder werden Herausgeber der Zeit. In Talkshows erhalten sie später bevorzugt Einzeltermine, wie es dem umtriebigen Dasein als schnell rotierender Neutronenstern geziemt.
Und die ganz gewichtigen, die A-Politiker, werden Bundespräsident. Ende der Laufbahn: Schwarzes Loch.
Ein bisschen Licht sollten wir behalten.

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