Die Bürgerschaftssitzung hatte (mal wieder) einige Highlights zu bieten, die auch viel über politische Unfairniss in Greifswald aussagen. Zuerst der Versuch per Geschäftsordnungsantrag eine Debatte über die Einsetzung der Ausschüsse zu Arensgate zu verhindern, dann der CDU-Antrag, die Ausschüsse ohne Sitzungsgeld tagen zu lassen. Beide Anträge wurden zwar von der Mehrheit der Bürgerschaftsmitglieder abgelehnt, aber allein der Versuch sagt schon einiges aus.
Schließlich auch noch die (erfolgreiche) Verweigerung des Rederechtes für mich anlässlich unseres Antrages auf Aussetzung von Sanktionen bei der ARGE Greifswald. Ich habe keine Ahnung, warum. Ach übrigens, haben Sie, liebe Leser, irgendwo etwas über diesen Antrag und die Debatte in der Bürgerschaft gelesen? Handelt sich ja auch nur um „Gedöns“ (Gerhard Schröder [SPD] über Sozialpolitik u.a.).
Jedenfalls wurde unser Antrag nur von der Linkspartei unterstützt, so dass ihm die nötige Mehrheit fehlte. Ich will jetzt nicht auf die ganze Debatte eingehen, aber die zentralen Argumente der Verwaltung, die sich im Wesentlichen im formaljuristischen Bereich hielten und augenscheinlich von der Mehrheit der Bürgerschaft geteilt wurden, sind doch zu widerlegen.
Die Verwaltung argumentiert, ich zitiere: „Ferner wurde vom BVerfG die derzeitig gültige Höhe der Regelleistungen nicht als evident zu niedrig beanstandet. So erscheint die Schlussfolgerung in der Beschlussvorlage, Sanktionen seien denknotwendig auszuschließen, damit man bei deren Anwendung nicht die Grenze zum verfassungsrechtlich geforderten Existenzminimum zu unterschreiten, als eine reine Spekulation, die momentan nicht belegbar ist.“
Dem ist entgegen zu halten, dass eine 30, 60 oder 100 %ige Unterschreitung der derzeit gültigen Regelleistung bestimmt nicht mit dem Existenzminimum übereinstimmt. Und diese Sanktionsschritte sind zwingend, bei Vorliegen der Voraussetzungen, vorgeschrieben. Wie kann eine Sanktionierung auf Null noch etwas mit einem menschenwürdigen Existenzminimum zu tun haben? „Obdachlos durch ARGE“ mussten wir hier schon einmal titeln.
Das zentrale formale Argument der Verwaltung lautet, ich zitiere erneut: „Dabei besitzt das BVerfG das Entscheidungs- und Verwerfungsmonopol für die Frage der Einstufung der Norm als verfassungswidrig. Zur Klarstellung sei vermerkt, dass den obersten staatsrechtlichen Prinzipien wie Gewaltenteilung und Rechtsstaatsprinzip Rechnung zu tragen ist. Um das Gewaltenteilungsprinzip zu wahren, sind die Kompetenzen einzuhalten. Es ist nicht die Aufgabe der Exekutive, sondern der Judikative, die Normen auf ihre Verfassungskonformität zu überprüfen. Vielmehr ist die Verwaltung angehalten, sich rechtsstaatlich zu verhalten, d. h. sich an die geltenden Gesetze zu halten, weil sie an Recht und Gesetz gebunden ist, solange dieses nicht für nichtig bzw. unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt wurde.“
Gut, dann halten wir uns an das Gesetz, das besagt, dass Sanktionen dann nicht verhängt werden dürfen, wenn der Betroffene „einen wichtigen Grund“ hat. Welchen wichtigeren Grund als seinen Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum könnte es geben, bzw. könnte der Betroffene haben? Gerade dieser Ausschluss von Sanktionen, nämlich bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, hätte uns veranlassen können, in Greifswald ein Zeichen zum „Europäischen Jahr 2010 zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung“ zu setzen.